Vom Praktikant zum Entwicklungsleiter
Vom Fund einer Radiosonde über ein Praktikum bis zur Führungsposition – der Karriereweg von Johannes Frielingsdorf war bisher eher ungewöhnlich. Was ihn noch besonderer macht: Er arbeitet nicht nur als Entwicklungsleiter beim Radiosondenhersteller GRAW, sondern auch in Forschung und Lehre an der TH Köln. Möglich macht es das Tandemprogramm.
Johannes Frielingsdorf ist der Gegenstand seiner Arbeit buchstäblich vor die Füße gefallen. „Radiosonden werden von Wetterdiensten zweimal am Tag an Wetterballons gestartet“, erklärt er. „Der Ballon steigt ungefähr 90 Minuten in der Atmosphäre auf, platzt, und die Radiosonde segelt an einem Fallschirm zu Boden und kann von neugierigen Hardwarebastlern eingesammelt werden.“ Einer von ihnen ist Johannes Frielingsdorf. Sein ungewöhnliches Hobby hat einen professionellen Hintergrund: Als Ingenieur beschäftigte er sich schon während seiner Bachelorarbeit in Elektrotechnik mit der Detektion kritischer meteorologischer Phänomene an Verkehrsflughäfen mittels Laser-Radar. Von da war es nur ein kleiner Schritt zum Interesse an Radiosonden, die in der Atmosphäre verifizieren können, was bei der Fernerkundung von der Erde aus gemessen wird. Neben den Sonden vom Deutschen Wetterdienst stieß Frielingsdorf auf andere Modelle, die sich im elektronischen Aufbau stark von dem, was er kannte, unterschieden. Sein Interesse war geweckt, und eine kurze Recherche später startete er im Sommer 2019 sein Praktikum in Nürnberg bei GRAW Radiosondes, dem Hersteller der unbekannten Sonden.
Im Tandem überzeugen
Der Start im Unternehmen wäre allerdings fast schiefgegangen, denn Johannes Frielingsdorf hatte verdächtig viele Fragen zum Produkt. Das entging auch Geschäftsführer Florian Schmidmer nicht: Ihn erreichten Berichte von einem Praktikanten, der alles wissen und ständig mit dem Entwicklungsleiter sprechen wollte. Im Gespräch mit Frielingsdorf stellte sich aber heraus, dass er einfach nur begeistert vom Produkt war. So kam es dann doch noch zum Austausch mit dem Entwicklungsleiter, der ganz begeistert war – so einen fähigen jungen Studenten hatte er noch nie gesehen. Nicht nur im Unternehmen hat er einen guten Eindruck hinterlassen. Auch an der TH Köln, wo er sein Bachelor- und Masterstudium absolvierte, fiel er positiv auf. „Meine erste Vorlesung als Professor an der TH Köln war in Elektrotechnik im dritten Bachelorsemester“, berichtet Sebastian Kraft, Professor am Institute for Optical Technologies (IOT) der TH Köln. „Die Studierenden waren wahnsinnig gut, und Johannes war einer von denen, die weit mehr als Standard geleistet haben.“
Dass Johannes Frielingsdorf akademisch und praktisch überzeugt, ist kein Zufall, denn er bewegt sich ständig zwischen zwei Welten. Seit knapp anderthalb Jahren ist er Teil des Tandemprogramms der TH Köln. Das bedeutet: Zur Hälfte ist er an der Hochschule angestellt und zur Hälfte bei GRAW. So sammelt er Berufserfahrung in beiden Bereichen – eine Voraussetzung für eine Professur an einer Hochschule für angewandte Wissenschaften, auf die das Tandemprogramm vorbereiten soll. Natürlich entscheidet am Ende der Kandidat selbst, ob er seine Karriere in Wirtschaft oder Wissenschaft fortsetzt.
Hochschule und Unternehmen profitieren
Bis dahin ergänzen sich die beiden Aufgabenbereiche von Johannes Frielingsdorf gut. An der Hochschule arbeitet er in einem Projekt, das sich mit der Weiterentwicklung der Laser-Messungen für andere meteorologische Anwendungen befasst. Aber woher weiß man, dass der Laser aus einigen Kilometern Entfernung die richtigen Messwerte erfasst? Hier kommen die Radiosonden von GRAW ins Spiel. „Wir brauchen die Sonden, um die Messungen begleiten zu können“, erklärt Johannes Frielingsdorf. „Diese Produkte gibt es aber nicht von der Stange zu kaufen, und wenn doch, sind sie mit dem Forschungsbudget, das uns zur Verfügung steht, nicht zu finanzieren. Deshalb profitiert die Hochschule stark von der Kooperation mit GRAW.“ Auch das Unternehmen sieht Vorteile in der Partnerschaft. „Dank Johannes haben wir Kontakt zu Studierenden der TH Köln, die entweder ihre Bachelor- oder Masterarbeiten in einem Unternehmen schreiben wollen oder nach dem Abschluss auf der Suche nach einer passenden Stelle sind“, so Florian Schmidmer. „Außerdem ist für ein mittelständisches Unternehmen, dessen Produkte an vorderster Front in Klima- und Wetterforschung eingesetzt werden, der Kontakt zur Hochschule sehr wichtig.“
Bei allen Vorteilen gibt es auch Herausforderungen. Die Arbeit von Johannes Frielingsdorf an der Hochschule umfasst nicht nur Forschungsprojekte und Lehre, sondern auch eine Promotion, und die hält an einer Hochschule für angewandte Wissenschaften besondere Hürden bereit. „An einer Universität gibt es Arbeitsgruppen, in denen alle an ähnlichen Themen arbeiten und sich darüber austauschen können“, so Sebastian Kraft. „Diese Strukturen haben wir an der Hochschule nicht. Bei uns sind Promovierende immer Einzelkämpfer.“ Im Unternehmen gab es zu Beginn des Tandems ebenso Befürchtungen. „Wir wussten nicht, ob Johannes mit seiner Teilzeitstelle ausreichend für uns verfügbar sein würde“, gibt Florian Schmidmer zu. „Er kann aber so gut priorisieren, dass nichts auf der Strecke bleibt. Insofern haben sich die Sorgen aufgelöst.“ Das gilt auch an der TH Köln, wie Sebastian Kraft bestätigt: „Ich hatte große Bauchschmerzen, dass ein Student diesen Spagat zwischen Hochschule und Unternehmen schaffen kann. Dafür muss man erstens wirklich gut sein und zweitens intrinsisch motiviert. Deshalb ist Johannes der ideale Kandidat.“
Dass der Erfolg des Tandems mit Johannes Frielingsdorf steht und fällt, haben Hochschule und Unternehmen verstanden – und entsprechend belohnt: Bei GRAW ist er nach seinem Praktikum direkt als Verantwortlicher für die Hardware-Entwicklung eingestiegen. Trotz – oder vielleicht wegen – der Doppelbelastung und der damit einhergehenden Verantwortung gibt Johannes Frielingsdorf weiter Gas. „Ich möchte noch mehr Erfahrungen in der Lehre sammeln“, sagt er. „Außerdem hat meine Dissertation Priorität.“ Langweilig wird es also nicht in den dreieinhalb Jahren bis zum Ende des Tandems. Und das ist gut so: „Mir hat ein Kollege mal erzählt: Johannes braucht immer mindestens fünf Aufgaben parallel, sonst ist er nicht ausgelastet und unzufrieden“, sagt Florian Schmidmer. „Aber ich habe überhaupt keine Bedenken, dass wir ihn gut auslasten können.“
Über das Personalgewinnungskonzept „PLan_CV“
Das Tandemprogramm ist ein Baustein des Projekts PLan_CV („Professur-Laufbahn an Hochschulen für angewandte Wissenschaften neu denken: Collaboration und Vernetzung“). Es soll exzellentes Personal für Professuren an der TH Köln gewinnen und eine bessere Durchlässigkeit zwischen Wissenschaft und Wirtschaft erreichen. Das Projekt wird im Rahmen des Programms zur Förderung der Gewinnung und Qualifizierung professoralen Personals an Fachhochschulen mit 12,8 Millionen Euro vom Bundesministerium für Bildung und Forschung gefördert.
August 2023