Tanzen lernen mit Maschinen
Während Künstliche Intelligenz vom Menschen lernt, um besser zu werden, kann der Mensch auch von der Maschine lernen und profitieren – zum Beispiel beim Tanztraining mit KI. Im Cologne Game Lab wird daran gearbeitet: Mit einer KI-basierten Lernumgebung kann man selbstständig psychomotorische Fähigkeiten erlernen, die für sportliche, künstlerische und handwerkliche Tätigkeiten notwendig sind.
Technische Trainingssysteme können den menschlichen Körper allerdings auch noch viel direkter beeinflussen, wie ein anderes Forschungsthema am Cologne Institute for Digital Ecosystems zeigt: mit elektrischer Muskelstimulation.
Habe ich die Bewegung richtig ausgeführt? Eine Frage, die man sich beim Erlernen einer Sportart häufiger stellt. Zahlreiche Video-Tutorials im Internet bringen einem Sportübungen und -abläufe näher, können allerdings kein Feedback geben. Bei solchen sportlichen Tätigkeiten sind psychomotorische Fähigkeiten erforderlich – sie verbinden körperliche Bewegungen mit psychischen Vorgängen. „Die Lernprozesse sind aufwändig. Direkte Rückmeldungen und Beurteilungen der praktischen Übungen sind beim Erlernen psychomotorischer Fähigkeiten unerlässlich“, erklärt Projektleiter Prof. Dr. Roland Klemke vom Cologne Game Lab (CGL).
Der Professor für Game Informatics entwickelt eine digitale Lernumgebung mit Künstlicher Intelligenz für das eigenständige Erlernen grundlegender Bewegungen von Sportarten, unter anderem fürs Tanzen. Dafür sind psychomotorische Fähigkeiten hinsichtlich der Wahrnehmung der Körperstellung und einzelner Körperteile besonders ausschlaggebend, um komplexe tänzerische Bewegungselemente mit Präzision auszuführen.
An dem Forschungsprojekt MILKIPSY sind außerdem das Institut für Produktentwicklung und Konstruktionstechnik unserer Hochschule, das Deutsche Forschungszentrum für Künstliche Intelligenz, die Rheinisch Westfälische Technische Hochschule Aachen, das Leibniz Institut für Bildungsforschung und Bildungsinformation sowie die Deutsche Sporthochschule Köln beteiligt.
Virtueller Avatar als Vorbild
Grundlage für das Trainingsprogramm sind die korrekt ausgeführten Bewegungen von Trainerinnen und Trainern. Khaleel Asyraaf Mat Sanusi erforscht am CGL in seiner Doktorarbeit, wie die komplexen Bewegungsabläufe sensor- und kameragestützt erfasst, gemessen und visualisiert werden können. Ein virtueller Avatar, der aus dieser Aufzeichnung generiert wird, soll den Lernenden dann als Vorbild dienen. Dieser kann beispielsweise auf einem großen Bildschirm, in einer Augmented- oder Virtual-Reality-Umgebung dargestellt werden. Mithilfe Künstlicher Intelligenz und automatisierter Tanzen lernen mit Maschinen Fehlererkennung wird der Fortschritt der Lernenden analysiert und individuelles Feedback generiert.
Um diese immersive, multimodale Umgebung zu erschaffen, werden Virtual Reality und Künstliche Intelligenz miteinander kombiniert. Multimodale Systeme erlauben nämlich eine natürliche Kommunikation zwischen Mensch und System, zum Beispiel durch den Einsatz von Sprache, Gesten und Bewegung. Je immersiver ein System ist, um so realer empfinden Menschen die virtuelle Umgebung, in der sie sich befinden. Die KI kann in dieser Umgebung das Nutzungsverhalten erkennen und situationsangepasst darauf reagieren.
Training mit elektrischer Muskelstimulation
Während Sportlerinnen und Sportler in der virtuellen Lernumgebung von MILKIPSY ein Feedback von einem Avatar erhalten, können technische Trainingssysteme auch direkten Einfluss auf den menschlichen Körper nehmen – und zwar mit Hilfe von elektrischer Muskelstimulation (EMS). Dabei werden Elektroden an bestimmten Stellen des Körpers – häufig an Armen oder Beinen – angebracht.
Mit geringen elektrischen Impulsen können dann die Nervenzellen der Haut angeregt und je nach Intensität die Muskelzellen aktiv angesteuert werden. Heißt: Elektrische Impulse können ein bloßes Signal an den Körper geben oder aber dafür sorgen, dass ganze Körperteile in Bewegung versetzt werden – letzteres wird Force Feedback genannt.
EMS muss sehr gezielt verwendet werden, denn je länger und intensiver es eingesetzt wird, desto schneller ermüdet auch die Muskulatur.” Bei der elektrischen Muskelstimulation werden Elektroden zum Beispiel am Arm angebracht. Mit geringen elektrischen Impulsen können dann die Nervenzellen der Haut angeregt und je nach Intensität die Muskelzellen aktiv angesteuert werden.
Prof. Dr. Matthias Böhmer, Cologne Institute for Digital Ecosystems
Reha-Training ohne aktive Bewegung
Diese Technik kommt bislang insbesondere in der Medizin oder im Sport zum Einsatz. „In der Physiotherapie zum Beispiel wird Elektromuskelstimulation als Reha-Maßnahme zum gezielten Muskelaufbau nach Verletzungen eingesetzt. Die betroffene Muskulatur wird dabei angeregt, ohne dass sie von der Patientin oder dem Patienten aktiv bewegt werden muss. Im Sport wird dieses Prinzip genutzt, um Übungen intensiver und wirksamer zu gestalten“, erläutert Vimal Darius Seetohul.
Seetohul ist wissenschaftlicher Mitarbeiter am Cologne Institute for Digital Ecosystems (CIDE) und hat seine Masterarbeit zur Wahrnehmung von Gefahrenbereichen im industriellen Kontext – ein weiterer Einsatzbereich von EMS – bei Prof. Dr. Matthias Böhmer geschrieben.
Warn-Feedbacks für die Arbeitssicherheit
Die Arbeit von Seetohul ist in das aktuelle Forschungsprojekt MagnOtrop eingebettet, das Prof. Dr. Matthias Böhmer vom CIDE gemeinsam mit Prof. Dr. Patrick Tichelmann vom Labor für Angewandte Künstliche Intelligenz am Campus Gummersbach durchführt. In dem Vorhaben geht es darum, Mensch-Maschine-Interaktionen im industriellen Kontext sicherer zu machen. So soll mit Hilfe von Künstlicher Intelligenz ein System entwickelt werden, das Arbeiterinnen und Arbeiter warnt, wenn sie zum Beispiel einer laufenden Säge gefährlich nah kommen. Eine denkbare Möglichkeit für ein warnendes Feedback ist EMS.
Andere aktuelle wissenschaftliche Arbeiten beschäftigen sich damit, wie EMS effizienter zu Trainingszwecken eingesetzt werden kann. „Es gibt zum Beispiel einen EMS-basierten Lauf-Assistenten, der Fehler beim Joggen korrigieren kann. Dazu werden Sensoren in Einlegesohlen von Schuhen verbaut, die verschiedene Parameter wie Druck messen. Eine EMS-Elektrode unterhalb des Knies gibt dann ein Signal, wenn ein vorher definierter Schwellwert überschritten ist. Die Läuferin oder der Läufer kann dann entsprechend reagieren und den Laufstil ändern.
Bis dahin müssen aber noch einige Hürden genommen werden, wie Matthias Böhmer erläutert: „Je länger und intensiver EMS eingesetzt wird, desto schneller ermüdet auch die Muskulatur. Dementsprechend müssen Systeme sehr gezielt verwendet werden. Hinzu kommen ethische Aspekte: Was halten wir davon, wenn ein Computer so stark in unseren Körper eingreifen kann? Hier ist es in jedem Fall wichtig, eine Technologie zu entwerfen, die von den Träge rinnen und Trägern auch selbstständig wieder abgenommen werden kann. So wird die Autonomie und Bewegungsfreiheit gewahrt.“
August 2022