Stipendien: Genial muss nicht
Jobben kostet Zeit und BaföG muss man später zurückzahlen. Anders bei einem Stipendium. Neben der monatlichen Finanzierung bieten Stipendien noch einige ideelle Vorteile. Und sie werden nicht nur an Akademikerkinder vergeben. Im Gegenteil: Die Chancen auf ein Stipendium sind größer als man denkt.
Universität und Stipendium, das passt. Nach wie vor kommen viele Stipendiaten aus Akademikerfamilien und studieren an einer Universität. Dagegen kommt für die meisten Studierenden der Fachhochschule Köln ein Stipendium nicht in Frage. Es wird von vielen oft skeptisch gesehen, weil sie sich als chancenlos einstufen – wenn sie diese Finanzierungsmöglichkeit überhaupt auf dem Schirm haben. Steckt dahinter Angst vor der Absage oder etwa ein kleiner Minderwertigkeitskomplex? „Es ist Unwissenheit und vor allem zu viel Bescheidenheit. Wir könnten mehr Stipendiaten haben“, schätzt Dr. Volker Mayer. Als Professor am Schmalenbach Institut für Wirtschaftswissenschaften berät er fakultätsübergreifend Studierende zu Stipendien. Außerdem ist er an der Hochschule Vertrauensmann der Hanns-Seidel-Stiftung.
Die Stiftung gehört zu den 13 großen Förderungswerken, die sich „unter dem Dach des Bundesministeriums für Bildung und Forschung zusammengefunden haben, um Studierende und junge Forschende mit besonderen Talenten zu unterstützen.“ So heißt es auf der gemeinsamen Internetseite www.stipendiumplus.de.
„Ich kann mich voll aufs Lernen konzentrieren“
Nach dem Willen der Bundesregierung sollen drei Prozent aller Studierenden ein Stipendium erhalten. Das ist eine niedrige Quote, aber Talentförderung funktioniert auch nicht nach dem Gießkannenprinzip. Bei 22.600 Studierenden an der Fachhochschule Köln wären das immerhin an die 700 Stipendiaten. Zurzeit werden 150 Studierende über das Deutschlandstipendium gefördert und schätzungsweise rund 50 bei den 13 Studienstiftungen. Es könnten aber viel mehr sein, denn es bewerben sich zu wenige Studierende um einen Platz. Sie verstehen unter „begabt“ oft etwas anderes als die Stiftungen.
„Meiner Meinung nach entsprechen unsere Studierenden viel eher den Kriterien als die Universitätsstudenten“, sagt Volker Mayer. „Gerade im beruflichen Kontext haben viele von ihnen schon Erfahrungen im Leben gesammelt, die mit einer reinen Schulkarriere selten realisiert werden können. Und solche Leute sind interessant.“ Aber bei der Selbsteinschätzung hätten viele Studierende einen blinden Fleck. Egal ob erfolgreich oder nicht, für Volker Mayer ist eine Bewerbung um einen Stipendienplatz eine gute Übung: Indem man seinen Lebenslauf reflektiere, könne man sich bewusst machen, welche Etappenziele man bereits erreicht hat, statt immer nur die Fernziele zu verfolgen und seine bisherigen Leistungen klein zu reden. Das heißt, eine Bewerbung kann auch ein gesundes Selbstbewusstsein fördern. Die Anforderungen an die Bewerber sind nämlich geringer, als viele Studierende denken.
Darauf kommt es wirklich an
Bestnoten, ehrenamtlich engagiert, tadelloser Lebenslauf – da sehen sich viele Studierende chancenlos. Müssen sie aber nicht, meint Prof. Dr. Volker Mayer.
Volker Mayer war selbst einmal Stipendiat, eben bei der Hanns-Seidel-Stiftung. Damals hatte ihn eine Bekannte auf das Stipendium aufmerksam gemacht: „Ich empfand es als schöne Abwechslung vom Studium“. Während der Wochenendseminare am Tegernsee entwickelte sich hier ein zweiter Freundeskreis, eine bunt gemischte Truppe unterschiedlicher Fachdisziplinen und von verschiedenen Hochschulen. Viele Kontakte bestehen noch heute.
Später, als Absolvent, stellte Mayer bei seinen Bewerbungen fest, dass man in den Personalabteilungen auf den Hinweis „Stipendiat“ im Lebenslauf äußerst positiv reagierte – und zwar notenunabhängig. „Alleine in der Vergabe des Stipendiums erkennen die Personaler, dass die Person auch von anderen ganz objektiv wertgeschätzt wurde“, betont er. „Das bietet Sicherheit; man kann bei der Wahl dieses Bewerbers nicht so sehr daneben liegen, denn er zeigt, dass er in eine gewisse Gemeinschaft hineinpasst“.
Wie bei allen Bewerbungsverfahren entscheidet bei der Auswahl ein Mix aus mehreren Komponenten. Allen voran zählt die Persönlichkeit. Deren Weiterentwicklung schreiben sich die Förderer auf die Fahnen. Daher werden die Stipendiaten neben einer monatlichen Unterstützung von bis zu 670 Euro plus Büchergeld auch ideell gesponsert. Die Teilnahme an
Seminaren, Tagungen und Schulungen zu gesellschaftspolitischen, wissenschaftlichen und kulturellen Themen sind gewünscht, teilweise auch Pflicht. Dafür erhält man ein kleines Studium generale, je nach Interesse fachbezogen oder fächerunabhängig. Inklusive der Unterkunft ist alles kostenfrei – lediglich die Fahrgemeinschaft müssen sich die Stipendiaten in ihrer Regionalgruppe selbst organisieren.
Text: Monika Probst
Oktober 2014