Schicht für Schicht aus Beton: Bauen mit 3D-Drucker
In Deutschland entstehen die ersten Wohnhäuser mit Hilfe der sogenannten additiven Fertigung, sprich: aus dem 3D-Drucker. Die digitale Betonherstellung und Prozessoptimierung könnte die Produktivität steigern und den Materialbedarf verringern. Prof. Dr. Björn Siebert vom Institut für Baustoffe, Geotechnik, Verkehr und Wasser spricht im Interview über Potenziale und Herausforderungen der Technik.
Prof. Siebert, 3D-Druckverfahren haben sich in vielen Bereichen der Produktion bereits erfolgreich durchgesetzt – auch im Betonbau werden sie immer wichtiger. Wie funktioniert das Drucken mit Beton?
Bei der additiven Fertigung werden Bauteile auf Basis von digitalen 3D-Konstruktionsdaten durch das Ablagern von Material schichtweise hergestellt. Seit einigen Jahren wird mehr und mehr in diesem Bereich geforscht und es gibt mittlerweile zahlreiche verschiedene digital gesteuerte Verfahren für Beton. Das bekannteste ist das Extrusionsverfahren. Dabei wird mit Hilfe von steuerbaren Düsen ein Strang aus vorgemischten Materialien wie Zementmörtel oder Leim ausgebracht, also aus der Düse ausgegeben, und schichtweise gelegt, bis das gewünschte Objekt entstanden ist. Ein anderer Ansatz ist das Nassdrucken. Dieses Verfahren basiert auf selektivem Binden – das heißt, dass Schichten aus Sand nach und nach mit einem Gemisch aus Wasser und Zement getränkt werden. Weitere geläufige Techniken sind das Spritzbeton- und Gleitschalungsverfahren.
Welche besonderen Eigenschaften muss der Beton haben, um gedruckt zu werden?
Beton im 3D-Druck ist ein absolutes Hightech-Produkt und mit dem Gemisch, das in den 50er-Jahren im klassischen Betonbau verwendet wurde, in keiner Weise vergleichbar. Der Beton muss sich einerseits sehr gut in Rohren und Schläuchen fördern lassen, also sehr fließfähig sein, andererseits aber auch schnell steif und fest werden, nachdem er ausgebracht wurde. Die untere Schicht muss noch etwas frisch sein, damit sie sich schnell mit der neuen verbinden kann. Sie darf aber nicht zu frisch sein, da sie sich sonst verformen könnte. Wenn die Oberfläche der Schicht abbindet, also ansteift, bevor eine neue appliziert wird, kann eine kalte Fuge entstehen – eine Unterbrechung in der Betonschicht, die statisch und im Hinblick auf Dichtigkeit problematisch sein kann. Zur Regulierung dieses komplexen Verfahrens besteht die Möglichkeit, mit Zusatzmitteln zur arbeiten, mit welchen die Eigenschaften des Betons gesteuert werden können. Dazu werden zum Beispiel an der Spritzdüse Erstarrungsbeschleuniger mit dem Betongemisch vermengt.
Wo kommt additive Fertigung im Betonbau bereits zum Einsatz?
Solche Fertigungstechnologien sind bereits in der praktischen Anwendung und werden erfolgreich zum Drucken einiger Komponenten von Pilotprojekten und Prototypen, beispielsweise im Brückenbau, eingesetzt. Es gibt aber auch schon erste 3D-gedruckte Gebäude und mittlerweile eben auch erste Wohnhäuser in Deutschland, die aus dem 3D-Drucker stammen.
Welche Chancen liegen in der Technik?
Die größten Chancen, die das additive Fertigen mit sich bringt, sind die Schnelligkeit der Bauausführung und die große geometrische Freiheit. Dadurch kann das Design der Bauteile flexibler gestaltet und es können neue architektonische Formen zügiger umgesetzt und durch Automatisierung die Produktivität gesteigert werden. Bei 3D-Druck-Verfahren reduzieren sich somit Arbeitsaufwand, Kosten und Abfall. Einen besonderen Vorteil bringt die Technologie aufgrund der genannten Potenziale für den Fertigteilbau mit sich. Hier lassen sich auch die sensiblen Eigenschaften des Betongemischs besser regulieren, da die Bauteile unter konstanten Bedingungen in Produktionshallen vorgefertigt werden. Bei der Anwendung vor Ort auf Baustellen beeinflussen und erschweren äußere Bedingungen wie Feuchtigkeit oder Temperatur das additive Fertigen.
Welche Herausforderungen gibt es?
Bis praxis- und serientaugliche 3D-Fertigungsverfahren vorliegen, bedarf es noch einiger Entwicklungsarbeit – insbesondere hinsichtlich der Eigenschaften des druckbaren Betons. Das verwendete Gemisch ist noch sehr sensibel gegenüber äußeren Einflüssen und muss genau kontrolliert werden. Die Anforderungen sind also ungleich höher als beim konventionellen Betonbau. Zudem ist die additive Fertigung begrenzt was die Größe der Bauteile anbetrifft. Mit Gerüsten kann das zwar durchaus kompensiert werden, ist aber dennoch recht aufwendig.
Ist Bauen mit dem 3D-Drucker nachhaltiger als der herkömmliche Betonbau?
Es scheint zumindest im Hinblick auf den geringeren Mengen- und somit auch Ressourcenbedarf ökologisch vorteilhaft zu sein. Dennoch werden auch für das Betongemisch im additiven Fertigungsverfahren noch Ressourcen wie Sande benötigt, die global betrachtet immer knapper werden. Ein alternativer Ausgangsstoff könnten perspektivisch sekundäre Rohstoffe wie Müllverbrennungsaschen sein. Den Einsatz dieser MV-Aschen für eine ressourcenschonende Betonherstellung erproben wir derzeit im Projekt ASHCON. Dabei geht es allerdings um die Herstellung von Transportbeton und Betonwerkstein – der Einsatz von solchen Alternativrohstoffen beim 3D-Druck erfordert noch einiges an Forschungsarbeit.
August 2021