Prof. Dr. Christian Malek

Prof. Dr. Christian Malek

Informatik und Ingenieurwissenschaften
:metabolon Institute (metabolon)

Ein Beitrag von

Marcel Hönighausen

Team Presse und Öffentlichkeitsarbeit

Ressourcenknappheit: Wie nachhaltigeres Wirtschaften möglich ist

Bereits seit Jahrzehnten verbraucht die Menschheit mehr natürliche Ressourcen, als die Erde pro Jahr regenerieren kann. Den genauen Zeitpunkt dieses Überverbrauchs markiert jährlich der Erdüberlastungstag, der in diesem Jahr auf den 2. August fiel. Prof. Dr. Christian Malek vom :metabolon Institute ordnet dieses Datum im Interview ein und erklärt, was es für mehr Nachhaltigkeit braucht.

Prof. Dr. Christian Malek Prof. Dr. Christian Malek (Bild: Costa Belibasakis/TH Köln)

Prof. Malek, wie berechnet sich der Erdüberlastungstag?

Am Earth Overshoot Day, dem Erdüberlastungstag, sind nach Berechnungen der US-amerikanischen Umweltorganisation Global Footprint Network alle Ressourcen verbraucht, welche die Erde für ein Jahr auf natürliche Weise produzieren kann. Die Analyse berücksichtigt dabei die so genannte Biokapazität, also die Fähigkeit von Ökosystemen, nutzbringende Ressourcen zu produzieren und von Menschen verursachten Abfall aufzunehmen. Zudem fließen der ökologische Fußabdruck – ein Indikator, der beschreibt, wie viel Fläche der Mensch benötigt, um seinen Ressourcenbedarf zu decken – und der CO2-Ausstoß mit ein.

Wie hat sich der Zeitpunkt des Tages in den vergangenen Jahrzehnten entwickelt?

Ein Gleichgewicht zwischen Ressourcenerzeugung und -verbrauch wurde zuletzt im Jahr 1970 erreicht. Danach hat der Überverbrauch stetig zugenommen. In den vergangenen zehn Jahren lag der Earth Overshoot Day jeweils im Zeitraum zwischen Ende Juli und Anfang August. Lediglich im Corona-Jahr 2020 waren die natürlichen Ressourcen des Planeten erst am 22. August erschöpft. Im vergangenen Jahr fiel der Erdüberlastungstag auf den 28. Juli. Er ist in diesem Jahr also um fünf Tage nach hinten gerückt. Insgesamt flacht die Kurve etwas ab, allerdings nimmt der Energiehunger weltweit drastisch zu. Das zeigt sich am Beispiel Deutschland. Hierzulande war der Erdüberlastungstag schon am 4. Mai. Das liegt unter anderem am besonders hohen jährlichen CO2-Ausstoß pro Kopf. Dieser ist mit rund zehn Tonnen etwa doppelt so hoch wie im globalen Mittel.

Wie kann die Menschheit in Zukunft nachhaltiger wirtschaften?

Die Lage ist komplex: Wir haben es ja nicht nur mit einer zunehmenden Ressourcenknappheit zu tun, sondern unter anderem auch mit einem CO2-bedingten Temperaturanstieg und einer schwindenden Biodiversität. Hinzu kommen damit einhergehende gesellschaftliche und politische Herausforderungen, oder andere Einschränkungen der Lebensführung. Um dem entgegenzuwirken, haben die Vereinten Nationen mit der 2015 verabschiedeten Agenda 2030 insgesamt 17 Ziele für nachhaltige Entwicklung formuliert – zum Beispiel „Kein Hunger“, „Hochwertige Bildung“, „Bezahlbare und saubere Energie“ oder „Nachhaltige/r Konsum und Produktion“. Nachhaltigkeit im Kontext dieser Ziele ist entsprechend des Brundtland-Reports (Our common future, WCED 1987) so zu verstehen, dass die Bedürfnisse heutiger Generationen so befriedigt werden sollten, dass die Möglichkeiten künftiger Generationen nicht eingeschränkt werden.

Wie sieht die Umsetzung dieser Ziele konkret aus?

Das ist für unseren Kontinent im European Green Deal festgehalten. Das zentrale Ziel des 2019 verabschiedeten Strategiepapiers ist, Europa bis zum Jahr 2050 klimaneutral zu machen. Dazu werden 47 Einzelmaßnahmen aufgelistet, um Wirtschaftswachstum und Klimaschutz miteinander zu verbinden – man spricht hier auch von grünem Wachstum. Das ist meiner Meinung nach aber ein schwieriges Unterfangen. Wachstum entsteht nur dann, wenn Unternehmen Waren herstellen und Menschen diese konsumieren. Konsum bedeutet allerdings, dass Ressourcen verbraucht werden. Die EU will die Bedürfnisse der Bürger*innen daher mit regenerativer Energie und Kreislaufwirtschaft decken. Ökologisch vertretbares Wachstum wäre natürlich wünschenswert. Es stellt sich allerdings die Frage, ob das überhaupt möglich ist, beziehungsweise bis zu welchem Punkt.

Wie löst man dieses Dilemma?

Das ist schwer abzusehen. Meiner Meinung nach kommt bei diesen Überlegungen ein wesentlicher Begriff der Nachhaltigkeitstheorie bislang noch zu kurz: die Suffizienz, also die Genügsamkeit. Sogenannte Suffizienzstrategien zielen darauf ab, den Ressourcenverbrauch auf ein maßvolles und nachhaltiges Niveau zu reduzieren. Es geht dabei nicht nur um Effizienzsteigerung oder technologische Lösungen, sondern um den bewussten Verzicht auf übermäßigen Konsum. Ein Beispiel: Eine Siedlung, in der jedes Haus einen eigenen Garten und einen eigenen Rasenmäher hat, der vielleicht 20 Minuten in der Woche genutzt wird. Theoretisch könnte sich die Nachbarschaft aber auch einen Rasenmäher teilen. So würden weniger Geräte produziert, es entsteht also weniger CO2 und Ressourcenverbrauch. Auf der anderen Seite könnten dadurch viele Arbeitsstellen verloren gehen. Daher muss auch berücksichtigt werden, wie sich so etwas auf den Arbeitsmarkt und Gesellschaft auswirken würde. Mit diesem Spannungsfeld, also mit der Definition eines neuen Wachstumsbegriffes in der Abwägung Qualität versus Quantität, beschäftigt sich die moderne Ökonomie.

Das klingt nach einer schwierigen und vor allem langwierigen Herausforderung …

Das stimmt, allerdings brauchen gesellschaftliche Transformationen immer Zeit. Es handelt sich dabei schließlich um tiefgreifende Veränderungen in soziale, politische, wirtschaftliche und kulturelle Strukturen, die das Leben und die Funktionsweise einer Gesellschaft grundlegend beeinflussen. Solche Transformationen können über Jahrhunderte oder Jahrzehnte hinweg stattfinden. Vor diesem Hintergrund finde ich es wichtig zu beachten, dass wir mit Blick auf einen nachhaltigen Wandel noch am Beginn dieser Entwicklung stehen – und dass es trotz vieler negativer oder sorgenvoller Nachrichten rund um den Klimawandel auch Grund für Hoffnung und Optimismus gibt.

Was läuft denn heute bereits positiv?

Da gibt es viele Einzelbeispiele: In der Metallindustrie zum Beispiel können mittlerweile fast alle End-of-Life-Produkte – also Produkte, für die es keine Verwendung mehr gibt – recycelt werden und bleiben damit im Kreislauf. In vielen anderen Bereichen gibt es ebenfalls sehr gute Ansätze für zirkuläre Wertschöpfung. Darüber hinaus werden derzeit bereits rund 50 Prozent des Strombedarfs durch erneuerbare Energien gedeckt und es wird viel in grünen Wasserstoff investiert. Auch im Kleinen gibt es viele positive Entwicklungen, die nicht vernachlässigt werden dürfen: Repair-, Schenk- oder Tausch-Cafés und Urban Gardening zum Beispiel. Je mehr Nachhaltigkeit thematisiert wird, desto eher können die Notwendigkeit und Relevanz eines Wandels die Gesellschaft durchdringen und so letztlich eine Transformation ermöglichen.  

August 2023

Prof. Dr. Christian Malek

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Marcel Hönighausen

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