Qualitätskontrolle beim Spritzgießen verbessern
TH Köln hat KI-Anwendung zur visuellen Fehlererkennung entwickelt
Beim Spritzgießen entstehen Kunststoffprodukte mit optisch anspruchsvollen Oberflächen, unter anderem für die Automobilindustrie. Um fehlerhafte Teile zu entdecken, können Bildanalyseverfahren eingesetzt werden. Diese müssen bislang zeit- und kostenintensiv trainiert werden, da die Fehlerbilder sehr vielfältig sind. Daher ist die Einsatzfähigkeit von KI in der Produktion beschränkt. Um die Qualitätskontrolle zu verbessern und zu beschleunigen, hat die TH Köln gemeinsam mit zwei Industriepartnern eine automatisierte, kamerabasierte KI-Lösung entwickelt und erprobt.
„In der Kunststoffverarbeitung ist die schnelle Erkennung von Ausschuss von hohem Interesse, vor allem bei Bauteilen, die in großen Stückzahlen produziert werden. Hier KI-Anwendungen zu etablieren, ist aufgrund der Komplexität jedoch eine gewaltige Herausforderung. Insbesondere in der Qualitätskontrolle ist es sehr aufwändig, die notwendigen Trainingsdaten im laufenden Betrieb zu sammeln und zu verifizieren. Der Einsatz von Künstlicher Intelligenz ist dennoch sinnvoll, da eine manuelle Qualitätskontrolle lange dauert und fehleranfällig ist“, sagt Prof. Dr. Anja Richert vom Cologne Cobots Lab (CCL) der TH Köln.
Abweichungen vom Sollbild identifizieren
Ziel des Projekts „QuKu-ML“ war es daher, die Qualitätskontrolle eines per Spritzguss hergestellten Bauteils für die Automobilindustrie mit Hilfe eines Algorithmus zu vereinfachen. Das Team der TH Köln programmierte zur Automatisierung dieses Prozesses einen Roboter, der das Bauteil in verschiedenen Positionen vor einer Kamera platzierte, so dass Bilder aus 16 verschiedenen Perspektiven entstanden. Mit einem finalen Datensatz aus insgesamt rund 1.600 Aufnahmen wurde eine Künstliche Intelligenz darauf trainiert, Abweichungen von einem mangelfreien Bauteil wie Kratzer, Risse, fehlende Strukturen oder Verformungen schnell zu erkennen.
„Die Anomalie-Detektion bietet im industriellen Kontext eine Reihe von Vorteilen gegenüber der konventionellen Fehlererkennung. Letztere benötigen eine ausreichende Anzahl von Bildern, auf denen die jeweiligen Fehlertypen klar erkennbar sind. Die Mängel müssen dabei manuell markiert und beschriftet werden. Perfekte Teile sind im Vergleich zu mangelhaften Teilen meist in großer Stückzahl verfügbar. Also kann eine Künstliche Intelligenz angelernt werden, die Perfektion erkennt und Abweichungen von diesem Sollzustand schnell detektiert. Das Ergebnis ist eine Anomalie-Heatmap, auf der mangelhafte Bildbereiche hohe Anomaliewerte einnehmen, die farblich dargestellt werden können“, erklärt Nicolas Kaulen, wissenschaftlicher Mitarbeiter am CCL.
Bildergalerie
Beim Projekt „QuKu-ML“ programmierten die Forscher*innen der TH Köln einen Roboter als zentrale Automatisierungseinheit und führten Tests zur Qualitätskontrolle durch. (Bild: Cologne Cobots Lab/TH Köln)
Bildpunkte schaffen Klarheit
Für eine möglichst effektive Anomalieerkennung analysierten die Forscher*innen die Verteilung der Werte der 1.600 Heatmaps, wie Kaulen ausführt: „Lag die Anzahl der Bildpunkte mit einem Anomaliewert über oder unter einem Schwellenwert, erkannte die KI eine Abweichung und gab den Befehl, das entsprechende Bauteil auszusortieren. Mit diesem Verfahren haben wir eine Treffergenauigkeit von 91 Prozent erreicht.“
Für die industrielle Serienfertigung ist dieser Wert allerdings noch zu gering. „Der Nachteil des Schwellenwertverfahrens ist, dass bei der Qualitätskontrolle etwas mehr Produktionsausschuss entsteht. Wir haben zum Beispiel festgestellt, dass Schmutzpartikel, die in den meisten Fällen kein Risiko für den technischen Ablauf darstellen, vom Algorithmus trotzdem als Anomalie wahrgenommen werden. Hier besteht weiterer Forschungsbedarf, um die Detektionsmethode zu verfeinern“, so Richert. In einem Folgeprojekt sollen die Erkenntnisse vertieft und auf weitere industrielle Anwendungen übertragen werden.
Pressemitteilung 31/2024
vom 1. August 2024
Über das Projekt
Das Projekt „QuKu-ML: Kamerabasierte Qualitätsbewertung beim Kunststoff-Spritzguss mit Hilfe von ML-Strategien“ wurde unter der Leitung von Prof. Dr. Anja Richert vom Cologne Cobots Lab der TH Köln durchgeführt. Die Forscher*innen programmierten den Roboter als zentrale Steuerungseinheit und führten die Tests zur Qualitätskontrolle durch. Der Konsortialführer SHS plus GmbH beschäftigt sich mit der Optimierung von Prozessen, Produktqualität und Effizienz in der Kunststoffverarbeitung. Die sentin GmbH ist ein Unternehmen, das sich auf Softwarelösungen mit Künstlicher Intelligenz für zerstörungsfreie Prüfungen (ZfP) und industrielle Inspektionen, zum Beispiel Bildauswertung, spezialisiert hat. Das Vorhaben wurde vom Bundesministerium für Bildung und Forschung und dem Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt als Projektträger im Rahmen der Initiative „KMU-innovativ“ mit 897.126 Euro über drei Jahre gefördert.
August 2024