Professionalisierung und Akademisierung der Sozialen Arbeit in Marokko
Vertreter*innen des Instituts für Kindheit, Jugend, Familie und Erwachsene und des Instituts für Interkulturelle Bildung und Entwicklung der Fakultät für Angewandte Sozialwissenschaften zu Besuch bei der marokkanischen Familienministerin in Rabat.
Am 23.10.2017 empfingen Frau Bassima Hakkaoui, Ministerin für Familie, Solidarität, Gleichberechtigung und soziale Entwicklung und ihr Mitarbeiter*innenstab eine Delegation der Fakultät für Angewandte Sozialwissenschaften in Rabat. Die Delegation, bestehend aus Prof. Dr. Andreas Thimmel, Prof. Dr. Schahrzad Farrokhzad, der wissenschaftlichen Mitarbeiterin Saloua Mohammed Oulad M Hand und dem interkulturellen Berater und Pädagogen Mohammed Assila, stellte dort ihre Projektidee „Professionalisierung und Akademisierung der Sozialen Arbeit in Marokko“ vor. Anlass zu dieser Projektidee gab ein zuvor zustande gekommenes Treffen mit dem marokkanischen Generalkonsul Jamale Chouaibi. Ein dort stattgefundener fachlicher Austausch ergab, dass ein grundsätzliches Interesse verschiedener Ministerien besteht, Soziale Arbeit als Wissenschaft und Profession in Marokko zu etablieren, um Möglichkeiten zu schaffen, gesellschaftliche und soziale Herausforderungen in Marokko noch besser zu bewältigen.
Die Familienministerin Frau Hakkaoui und ihre Kolleg*innen bekundeten ihr großes Interesse an der Projektidee und befürworteten nachdrücklich die Umsetzung dieser Projektidee in Form einer marokkanisch-deutschen Kooperation. Ein Ergebnis des Treffens war der Auftrag, Fachaustauschformate zu initiieren zwischen relevanten Akteuren der Sozialen Arbeit im Bereich Wissenschaft/Ausbildung und Praxis sowie mit Akteur*innen aus den zuständigen Ministerien. Darüber hinaus wird zurzeit eine Kooperationsvereinbarung erarbeitet.
(Bild: privat)
Entstehung des Projekts
Die Projektidee „Professionalisierung und Akademisierung der Sozialen Arbeit in Marokko“ entstand vor dem Hintergrund aktueller sozialer Problemlagen sowie politischer und sozialer Reformen. Ein Anstoß für dieses Projekt waren die aktuellen sozialen Problemlagen und gesellschaftlichen Herausforderungen in Marokko, die bereits im November 2016 mit dem Generalkonsul diskutiert wurden. Dazu gehören beispielsweise Armut (besonders auch Kinderarmut), (Jugend-) Arbeitslosigkeit, prekäre Lebensverhältnisse aufgrund von Flucht/Migration, prekäre Lebensverhältnisse älterer Menschen, alleinstehender Frauen (insbesondere junger alleinstehender Mütter) und Menschen mit Behinderung. Darüber hinaus wurden Prostitution und damit verbundene Lebensverhältnisse, unter anderem auch gesundheitliche Risiken für Frauen, benannt. Insgesamt geht es um Fragen der Verbesserung der Lebenssituation und der gesellschaftlichen Teilhabe marginalisierter bzw. benachteiligter Gruppen. Darüber hinaus geht es aber auch um die stärkere Beteiligung junger Menschen an der Gestaltung gesellschaftlicher Wandlungsprozesse in Marokko.
Ein weiterer Anlass für die Projektidee ist der Stand der Professionalisierung der Sozialen Arbeit in Marokko und der Umstand, dass Soziale Arbeit in Marokko eine Ausbildung ist und kein Studium. Eine zentrale Funktion in der Ausbildung angehender Sozialarbeiter*innen kommt dem Institut National de l´Action Social (INAS) zu. In marokkanischen Regierungskreisen stehen Überlegungen im Raum, in enger Kooperation mit dem Institut INAS Soziale Arbeit als Wissenschaft und Profession zu stärken, auszubauen und mittelfristig eventuell Soziale Arbeit auch in Marokko zu einer Wissenschaft und zu einem Hochschulstudium weiterzuentwickeln. Diese weitergehende Professionalisierung könnte später in der Praxis dazu beitragen, viele der genannten sozialen Herausforderungen in Marokko noch systematischer und professioneller zu bewältigen. Denn viele der genannten sozialen Probleme werden derzeit im Kontext bürgerschaftlichen Engagements und Initiativen einzelner Personen und Institutionen bearbeitet. Bezüglich der Finanzierung solcher Initiativen kommen derzeit in Marokko vor allem das Königshaus und die islamischen Stiftungen eine tragende Rolle (arab.: Waqf) zu.
Ziele des Projekts
Eine mehrjährige strategische Kooperation zwischen Marokko und Deutschland zum Thema „Professionalisierung und Akademisierung der Sozialen Arbeit in Marokko“ kann folgende Bausteine enthalten, die aktuell in der Diskussion sind:
- Verschiedene Formate fachlichen Austausches mit zentralen Akteursgruppen in Marokko (z.B. INAS, Ministerien, in der Praxis der Sozialen Arbeit tätigen Einrichtungen und mittelfristig auch Fachbereiche der Sozialwissenschaften an marokkanischen Hochschulen). Themen dieser fachlichen Austauschformate können bspw. die folgenden sein: a) Soziale und gesellschaftliche Herausforderungen in Marokko und in Deutschland und diesbezügliche Handlungsbedarfe, b) Professionsverständnis Sozialer Arbeit, c) Handlungsfelder und Methoden Sozialer Arbeit, d) Struktur der Ausbildung im Bereich der Sozialen Arbeit und e) Struktur der Praxiseinrichtungen der Sozialen Arbeit sowie deren Förderstrukturen. Austauschformate können bspw. Workshops und Fachtage/Tagungen oder auch andere, noch zu entwickelnde Formate sein.
- Prozessberatung und -begleitung marokkanischer Akteur*innen bei der Weiterentwicklung von Sozialer Arbeit als Disziplin und Profession sowie der Weiterentwicklung der Ausbildungsstruktur. Hierbei ist z.B. die Prozessbegleitung beim Aufbau von Pilotstudiengängen Sozialer Arbeit an marokkanischen Modellhochschulen denkbar.
Ein Fachaustausch auf Augenhöhe
Das Projekt strebt einen Austausch zwischen Marokko und Deutschland auf Augenhöhe an. Die verschiedenen Austauschformate sollen den relevanten Akteur*innen in Marokko eine Plattform bieten, sich zu diesen Fragen auszutauschen, existierendes Wissen über den State of the Art von Wissenschaft und Praxis der Sozialen Arbeit, sowie der Ausbildung in der Sozialen Arbeit zu bündeln und wichtige Themen und Herausforderungen für einen längerfristigen Professionalisierungsprozess herauszuarbeiten. Die Projektteilnehmer*innen von deutscher Seite stellen hierfür ihre Expertise zur Verfügung und nehmen dabei eine empowernde, beratende und auf wissenschaftlichen Austausch fokussierte Haltung ein, unter Berücksichtigung der landesspezifischen Rahmenbedingungen und fernab von einer Dominanzhaltung, in Marokko ein „deutsches Verständnis“ und Profil der Sozialen Arbeit implementieren zu wollen. Abstimmungsprozesse über Formate, Zeitdauer und Zeitpunkte der Umsetzung verschiedener Projektbausteine laufen derzeit. Darüber hinaus möchten die Akteur*innen der TH Köln die Familienministerin und ihre Delegation und das INAS zu einem Gegenbesuch an der TH Köln einladen und damit gleichzeitig einen ersten Fachaustausch initiieren.
Die Projektinitiativgruppe besteht aus: Prof. Dr. Schahrzad Farrokhzad, Prof. Dr. Andreas Thimmel, Agnes Senkow, Stefanie Bonus, Stefanie Vogt, Yasmine Chehata, Mohammed Assila, Saloua Mohammed Oulad M Hand.
Dezember 2017