Alumnus Peter Füssenich – Dombaumeister in Köln
Über den Stellenwert der Hohen Domkirche Sankt Petrus, wie der Kölner Dom offiziell heißt, muss man kaum ein Wort verlieren. Ob religiöse, kulturhistorische, baugeschichtliche oder emotionale Betrachtung – der Dom berührt wohl jeden, weit über die Kölner Stadtgrenzen hinaus.
Verantwortlich für die Erhaltung dieses UNESCO-Weltkulturerbes ist Peter Füssenich, seit 2016 Dombaumeister und Alumnus der Fakultät für Architektur.
Den Entschluss, Architekt zu werden, fasste Peter Füssenich schon als 16-jähriger Schüler bei einem Besuch eines anderen bedeutenden Kirchenbaus, dem aus den 1960er Jahren stammenden Wallfahrtsdom in Neviges. Dass er in der Denkmalpflege arbeiten wollte, lag nicht zuletzt am Charisma und an der Begeisterung von Prof. Jürgen Eberhardt vom Institut für Baugeschichte und Denkmalpflege, an dem Peter Füssenich nach erfolgreich absolviertem Architekturstudium von 2002 bis 2004 ein Aufbaustudium machte. Thema seiner Abschlussarbeit war die Kölner Domplombe, ein mit Ziegelsteinen ausgebesserter Bombenschaden aus dem Jahr 1943. „Im Nachhinein erscheint es logisch, dass ich meine berufliche Tätigkeit am Dom gefunden habe“, sagt Peter Füssenich. Die Begeisterung für den Dom war jedenfalls spätestens seit der Beschäftigung mit der Domplombe geweckt.
Nach einer Tätigkeit als Baureferent des Erzbistums ab 2005 wurde Peter Füssenich im Jahr 2012 stellvertretender Dombaumeister, im Jahr 2014 übernahm er das Amt kommissarisch und 2016 wurde er vom Kölner Domkapitel aus 16 Mitbewerbern zum Dombaumeister ernannt: Ein großer Traum ging in Erfüllung! Seitdem ist er für sämtliche Bereiche wie Etatplanung, Bauforschung oder künstlerische Projekte verantwortlich und leitet ein Team von etwa 100 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern.
Der Dom gibt die Prioritäten vor
„Auf diese Tätigkeit kann einen niemanden vorbereiten. Jeden Tag passieren Dinge, mit denen man nicht gerechnet hat.“, sagt Peter Füssenich. Aber das sind für ihn keine Störungen im Betriebsablauf – das sei die eigentliche Aufgabe. Wobei es der Dom ist, der die Prioritäten vorgibt, und dabei müssen Peter Füssenich und sein Team häufig über die eigene Amtszeit hinausdenken: Tatsächlich ist der Dom ein generationenübergreifendes Projekt: So sei schon den mittelalterlichen Baumeistern klargewesen, dass sie das Ergebnis ihrer Arbeit niemals zu Gesicht bekommen würden, erläutert der Mann, der in die Fußstapfen des ersten Dombaumeisters getreten ist, des berühmten Meister Gerhardt. „Der Dom ist ein Sinnbild dafür, dass man Großes schaffen kann, wenn man Dinge verantwortungsvoll behandelt und an die nächste Generation weitergibt.“, sagt Peter Füssenich. Und so ist der Dom lebendig: Alle Generationen fügen Dinge hinzu, er verändert sich. Als Beispiel nennt Peter Füssenich das Südquerhausfenster von Gerhard Richter, das zunächst stark kritisiert wurde, doch inzwischen ein großer Anziehungspunkt im Dom ist.
Bei der Erhaltung des Doms werden modernste Instrumente und Methoden angewendet, z.B. Drohnen, mit deren Hilfe man Bildmaterial schaffen kann, das als Basis für die 3D-Schadenskartierungen an schwer zugänglichen Stellen dient, so dass künftige Baumaßnahmen wesentlich besser geplant werden können, ohne Gerüste aufstellen zu müssen. Aber auch das Handwerk wird immer eine Zukunft haben: Etwa 75 Handwerkerinnen, Handwerker, Restauratorinnen und Restauratoren sind an der Dombauhüte beschäftigt: Schreiner (im Dom gibt es alleine 456 Türen), Schmiede (am Dom brennt das einzige innerstädtische Schmiedefeuer in Köln), Dachdecker (die Dachfläche des Doms beträgt etwa 12.000 qm), Gerüstbauer (im Jahr 2021 wird das Gerüst am Nordturm abgenommen), Goldschmiede und Restauratoren, von denen vor allem die Glasrestauratoren europaweit führend sind. Dabei ist die Dombauhütte ein vernetzter Betrieb, in dem auch wissenschaftliche Forschung betrieben wird. So bestehen auch enge Verbindungen zur TH Köln: Beispielsweise haben kürzlich Studierende und Professoren der TH Köln in einem Forschungsprojekt mit dafür gesorgt, dass der „Decke Pitter“, die größte freischwingende Glocke der Welt, wieder einwandfrei schlägt.
Ich erfreue mich jeden Tag am Dom
„Die Handwerkskunst und das Wissen sind das immaterielle Erbe des Doms, das genauso bewahrt und weitergegeben werden muss wie das materielle Erbe.“, betont Peter Füssenich. Deshalb hat er sich stark dafür eingesetzt, dass das Bauhüttenwesen auf die deutsche Liste des Immateriellen Kulturerbes gesetzt wurde. Im Herbst 2020 entscheidet die UNESCO über eine Aufnahme in die Liste des Welterbes. Mit seinen Handwerkern ist Peter Füssenich in engem Austausch: einmal wöchentlich gibt es einen Baustellenrundgang, bei dem die aktuellen und anstehenden Projekte besprochen werden. Dabei entdeckt Peter Füssenich immer wieder neue Facetten an „seinem“ Dom: „Im Winter sorgt die eigene Thermik am Dom beispielsweise dafür, dass es direkt an der Fassade buchstäblich nach oben schneit.“, sagt Peter Füssenich. Einen Lieblingsplatz mag der Dombaumeister nicht benennen: „Ich erfreue mich jeden Tag am Dom. Besondere Momente gibt es immer dann, wenn Altes neu entdeckt wird und man an Orten steht, die lange nicht mehr zugänglich waren. Und wenn man dann sieht, wie detailreich dort gearbeitet wurde – das ist toll.“
März 2020