Fachkräftemangel bekämpfen durch ressourcenorientierte akademische Nachqualifizierungen
Am 27.05.24 fand in Essen ein Fachkräftetag des Ministeriums für Kinder, Jugend, Familie, Gleichstellung, Flüchtlinge und Integration NRW (MKJFGF) zu Strategien der Bekämpfung des Fachkräftemangels in der Sozialen Arbeit und Kindheitspädagogik in NRW statt.
Anna Metrangolo, Selma Citak, Prof.‘in Dr. Birgit Jagusch und Prof.‘in Dr. Schahrzad Farrokhzad von der TH Köln stellten wissenschaftliche Befunde und Praxiserfahrungen aus dem Projekt IQ NRW WEST|THK vor.
Internationale zugewanderte Akademiker:innen sind eine wertvolle Ressource für die Arbeitsmärkte und Handlungsfelder Sozialer Arbeit und Kindheitspädagogik. Sie werden im Kontext der Debatten um den Fachkräftemangel in Sozial- und Erziehungsberufen jedoch bisher zu wenig „mitgedacht“ – so eine zentrale Schlussfolgerung aus der Keynote auf dem Fachkräftetag von Schahrzad Farrokhzad und Birgit Jagusch, die inhaltlich durch einen Workshop von Selma Citak und Anna Metrangolo am Nachmittag ergänzt wurde. Das zeigt sich auch darin, dass die Hürden im Zugang zu Sozial- und Erziehungsberufen für diese Gruppe nach wie vor hoch sind und deren Ressourcen und Potenziale insgesamt noch zu wenig Anerkennung finden – und das, obwohl der Fachkräftemangel sich in den letzten Jahren in diesen Berufsbildern weiter zugespitzt hat.
Akademische Nachqualifizierungen in den Regelstrukturen – wertvolle Arbeit, prekäre Finanzierung
Zu den wesentlichen Herausforderungen gehört in diesem Zusammenhang auch der Umstand, dass es zu wenig Angebote im Bereich der akademischen Nachqualifizierungen für Kindheitspädagogik und Soziale Arbeit an Hochschulen sowohl in NRW als auch in anderen Bundesländern gibt. Dies gilt für fachliche ebenso wie für fachsprachliche Angebotsstrukturen. Die TH Köln ist eine von insgesamt 5 Schwerpunkthochschulen in NRW, die Nachqualifizierungsangebote für diese Berufsbilder vorhält. Für internationale Akademiker:innen manifestieren sich zudem Hürden auf dem Weg in bildungsadäquate Erwerbsarbeit, z.B. in langen Wartezeiten auf einen Termin bei Anerkennungsberatungsstellen, zu wenig ausgebauten und passgenauen Beratungs- und Verweisstrukturen hinsichtlich akademischer Nachqualifizierungen, Wartezeiten auf Anerkennungsbescheide und zu wenig Gelegenheiten, um sich mit Personalverantwortlichen der Praxis zu vernetzen und mit ihnen ins Gespräch zu kommen.
Auf diese Bedarfe haben die Projektverantwortlichen reagiert: An der TH Köln gelingt es seit über 5 Jahren mit großem Erfolg, durch die Verzahnung der akademischen Anpassungslehrgänge in den Regelstrukturen mit einer durch das Förderprogramm „Integration durch Qualifizierung (IQ)“ drittmittelfinanzierten Qualifizierungsbegleitung und einer Brückenmaßnahme für internationale Akademiker:innen, flexible und bedarfsgerechte Angebote zu machen, die den Weg in die staatliche Anerkennung und die Arbeitsmärkte Sozialer Arbeit und Kindheitspädagogik beschreiten wollen und nun intensiver begleitet und weitergebildet werden können. Allerdings läuft Ende 2025 das im Rahmen von IQ geförderte Projekt „IQ NRW WEST|THK: Soziale Arbeit und Kindheitspädagogik als Arbeitsmärkte der Zukunft für zugewanderte Akademiker:innen“ aus und es stellt sich die Frage, wie die wertvolle und fruchtbare Zusammenarbeit aller Beteiligten im Sinne der internationalen Akademiker:innen auch nach 2025 erfolgreich und vor allem langfristig fortgeführt und eine nachhaltige Finanzierung aller Angebote möglich gemacht werden kann.
Resonanz aus dem Fachtag und Entwicklungsperspektiven
Während des Fachkräftetages gab es viele positive Rückmeldungen und ein hohes Interesse am Thema: rund 500 Gäste haben den Fachkräftetag besucht, darunter Staatssekretär Lorenz Bahr
( MKJFGFI), Fachreferent:innen des Ministeriums, des Landschaftsverbands Rheinland und des Landschaftsverbands Westfalen-Lippe, Vertreter:innen von Trägern v.a. in der Kinder- und Jugendhilfe, Vertreter:innen von Anerkennungsberatungsstellen, Bezirksregierungen, verschiedenen kommunalen Trägern und der Regionaldirektion der Arbeitsagenturen und Jobcenter in NRW. Im Rahmen der Keynote und des Workshops wurden viele Rückfragen gestellt, was zeigt, dass das Thema der beruflichen Perspektiven internationaler Akademiker:innen in der Praxis hohe Relevanz besitzt. Erste Vernetzungsgespräche haben ebenfalls stattgefunden.
Zu den Empfehlungen in der Keynote als Beitrag zur Bekämpfung des Fachkräftemangels im Zusammenhang mit den Potenzialen der internationalen Akademiker:innen gehören die folgenden Entwicklungsperspektiven:
- Spezifische und bedarfsorientierte Anpassungslehrgänge sind eine Angebotslücke – flächendeckendere Angebotsstruktur notwendig
- Hochschulen und Wissenschaftsministerien in der Verantwortung – Anpassungsqualifizierungen über Grundfinanzierung nachhaltig absichern
- Ausbau von fachsprachlichen Angeboten und Empowermenträumen
- Ausbau von qualifizierten (Verweis-)Beratungsstrukturen und Vernetzung
- Entwicklung von Bildungsformaten speziell für Träger und Einrichtungen, um sie über Ressourcen und Potenziale der internationalen Akademiker:innen zu informieren
Juni 2024