Was bewirken die Aktionen der "Letzten Generation" in Museen?
Die Aktionen der "Letzten Generation" machen auch vor Kunstwerken und öffentlichem Eigentum keinen Halt. Dieses Thema stand im Mittelpunkt eines dreitägigen Workshops zur präventiven Konservierung. Im Zuge des Workshops berichteten eine Restauratorin, eine Museumsdirektorin und die Technische Einsatzeinheit der Bereitschaftspolizei Köln über ihre Erfahrungen.
Workshop zu den Aktionen der "Letzten Generation" in den Museen
Kategorie | Beschreibung |
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Lehrveranstaltung | Modul M2.220 d, Broadening Research / Research Areas and Methods in Focus I, Präventive Konservierung II, im Rahmen des Masterstudiums |
Studierende | Franziska Eber, Nora Sophia Stanislawski, Lena Anna Gürtler, Zsuzsanna Margit Jakus, Nick Hüsken, Sophia Ileana Tsai, Hannah Marie Krumm, Susanne Klug, Stephanie Gabriele Krause, Katja Schüller |
Unterstützer | Ulrike Fischer, Bayerische Staatsgemäldesammlungen Doerner Institut Technische Einsatzeinheit (TEE) der Bereitschaftspolizei Köln Dr. Beate Reifenscheid, Direktorin des Museum Ludwig Koblenz Dr. Frank Kerner, stellvertretender Direktor des Ruhr Museum Essen |
Partner | Annika Franck, Journalistin |
Betreuerinnen | Melanie Dropmann M.A., Prof. Dr. Friederike Waentig |
Im Sommer 2022 attackierten Vertreter*innen der Klimaaktivisten „Letzte Generation“ die ersten Kunstwerke in deutschen Museen mit Kartoffelbrei, Erbsensuppe, Öl oder klebten sich an Gemälderahmen und Wänden fest. Über die Aktionen wurde in den verschiedenen Medien berichtet und die Kommentare von Politiker*innen und sogenannten Experten und Expertinnen waren des Öfteren divers bis unsachlich. Auch Vertreter*innen der Museen und deren Verbände meldeten sich mit Pressemitteilungen und internen Papieren, wie zu agieren sei, zu Wort. Die Verunsicherung war groß. Wer wird der nächste sein? Was kommt noch? Wie kann man eine Sammlung sichern? Können Museen sich vor ähnlichen Aktionen schützen? Diese und weitere Fragen wurden in den Medien nur wenig und oft sehr populär diskutiert.
Die aufgeheizte Berichterstattung war der Anlass, das Thema für die Lehre am CICS aufzugreifen. Zum Restaurierungsstudium gehört, dass sich Studierende mit den aktuellen Themen im Kulturbetrieb auseinandersetzen und lernen einen Weg zu finden, sich eine eigene Meinung zu bilden. Im Rahmen einer Lehrveranstaltungsreihe im Fach „Präventive Konservierung II“ wurde vom 24.04.203 bis 26.04.2023 die Auseinandersetzung mit den Anschlägen auf Kunst durch die Letzte Generation angeboten. Ziel war es zu ergründen, wie die Studierenden sich ein möglichst neutrales, nicht durch öffentliche emotionale oder gar populistische Wortmeldungen beeinflusstes Bild erarbeiten können und dies im Rahmen einer den Workshop abschließenden Podiumsdiskussion einem bis dahin nicht involvierten Auditorium zu Gehör zu bringen.
Die neun Studierenden, die sich für das Seminar entschieden hatten, verbrachten drei intensive Tage, in denen neben einer Recherche in Tages- und Wochenzeitungen, sozialen Medien, Talkshows und weiteren Quellen im Internet auch Interviews und Gespräche mit verschiedenen Fachkundigen anstanden. Den Abschluss bildeten die Vorbereitung und Durchführung einer Podiumsdiskussion, wobei die Planung und Organisation vollkommen in studentischen Händen lag. Bei der Ansprache und Suche nach Gesprächspartner*innen haben die Dozentinnen - Prof. Dr. Friederike Waentig und Melanie Dropmann vom Kooperationspartner Ruhr Museum Essen - geholfen.
Am ersten Tag lag der Fokus auf der Recherche und dem Gespräch mit Ulrike Fischer Dipl.-Rest. von den Bayerischen Staatsgemäldesammlungen Doerner Institut. Sie hatte die Aufgabe am 25.08.2022 die Hände der beiden Aktivisten vom Rahmen des Bildes „Bethleheminischer Kindermord“ von Rubens zu lösen und berichtete über den Ablauf und ihre Erfahrungen.
Am nächsten Morgen kam die Technische Einsatzeinheit (TEE) der Bereitschaftspolizei Köln in die Hochschule und stand für Fragen der Studierenden zur Verfügung. Bei den Aktionen der Letzten Generation im Museum handelt/e es sich um Hausfriedensbruch und Sachbeschädigung, womit das Museum zu einem Tatort wird/wurde. Die Polizei hat auch hier die Aufgabe gefahrenabwehrend und strafverfolgend tätig zu werden. Dies erfolgt beispielsweise durch Absperrung des Bereichs, der Aufnahme der Personalien von Tatverdächtigen und Zeugen sowie beweissichernde Maßnahmen. Darüber hinaus können in Abstimmung mit dem Hausrechtsinhaber die Aktivist*innen von der Wand oder dem Objekt gelöst werden, sofern dies nicht durch den Verantwortlichen oder einem von ihm Beauftragten geschehen kann.
Ob und wer die Aktivist*innen von Kunstwerken löst, wurde in den bisher bekannten Fällen diskutiert. Die Restauratorin in München erhielt den Auftrag der Polizei die Mitglieder der Letzten Generation von dem vergoldeten Rahmen abzulösen. Im Gespräch mit den Studierenden stellten die drei Polizist*innen ihre Tätigkeiten und Aufgaben vor, erläuterten ihr Vorgehen und beantworten geduldig und ausführlich alle Fragen der Studierenden. Wie schon durch das Gespräch am Tag vorher erhielten die Studierenden einen umfangreichen Einblick in eine Tätigkeit, die für die Polizei inzwischen eingeübt und fast schon Routine ist, für Restaurator*innen aber eine bisher unbekannte, neue Aufgabe darstellt.
Am zweiten Nachmittag stellte sich Dr. Frank Kerner vom Ruhr Museum den Fragen der Studierenden, die wissen wollten, welche Möglichkeiten ein stellvertretender Museumsleiter hat, den Klimaschutz zu berücksichtigen und Energie zu sparen.
Die Beschäftigung mit den Medien und die drei Blickwinkel der verschiedenen Berufe wurden analysiert, die Gedanken geordnet und diskutiert. Es ging jetzt darum eine Podiumsdiskussion vorzubereiten und zu klären, wer überhaupt das Zielpublikum sein soll, wie groß oder klein die Anzahl der Zuhörenden sein soll und überhaupt: Wie organisiere ich eine solche Diskussion? Hier erhielten die Studierenden Unterstützung durch Annika Franck, Wissenschaftsjournalistin und Mitglied des WDR Quarks Teams. Sie arbeitete mit den Studierenden, ordnete Gedanken und bereitete gemeinsam mit allen das Podium vor.
Am dritten Tag standen vormittags Rollenspiele an, damit die Studierenden sich auf dem Podium und in die neue Situation einfinden konnten. Der Nachmittag war zum Ausruhen, damit alle um 16:00 h entspannt und munter an der Podiumsdiskussion teilnehmen. Die Studierenden Franziska Eber und Hanna Krumm waren die studentischen Mitglieder auf dem Podium und diskutieren mit Britany Winners von der Letzen Generation und Dr. Beate Reifenscheid, Direktorin des Museum Ludwig Koblenz. Annika Franck moderierte und führte durch die Diskussion, die sachlich und ruhig verlief trotz gegensätzlicher Meinungen auf dem Podium. Nach zwei Stunden war alles vorbei, die Studierenden erleichtert und erschöpft. Drei Tage intensiver Auseinandersetzung lagen hinter ihnen, den einen Lösungsweg haben sie nicht gefunden, aber sie nehmen viele Anregungen und Erfahrungen zum Nachdenken mit.
März 2024