Ein Artikel aus dem Hochschulmagazin inside out #61 (2022)

Wo die Chemie stimmt

Angekommen am neu errichteten Campus Leverkusen möchte die Fakultät für Angewandte Naturwissenschaften nicht nur architektonisch sichtbar sein. Ihr Dekan, Prof. Dr. Matthias Hochgürtel, über die kurz- und langfristigen Ziele der Fakultät und ihre Forschungsstärken.

Die Planungen starteten zwar schon vor über einem Jahr, aber vor allem die letzten sechs Monate waren für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Fakultät für Angewandte Naturwissenschaften besonders arbeitsintensiv: Parallel zum Lehrbetrieb musste der Umzug vorbereitet werden, mit allem, was unweigerlich dazugehört, also auch dem Ausmisten. Was wird eingepackt, was nicht mehr gebraucht? Akten und Büroausstattung sind dabei noch der geringste Aufwand, denn es mussten sämtliche Chemikalien und Gefahrenstoffe in den Laborräumen geprüft und katalogisiert werden. Neben der zerbrechlichen Ausstattung hunderter Glaskolben, Pipetten und Reagenzgläser mussten rund 800 Laborgeräte vom Süden in den Norden von Leverkusen verfrachtet werden. Einige Aufbauten konnten demontiert, andere, wie beispielsweise eine schwere Tablettiermaschine, mussten in einem Stück durch die Flure und Aufzüge befördert werden. Alleine der Umzug der Labore dauerte drei Wochen – und ging dabei doch etwas schneller als geplant.

Neues Stadtquartier mitgestalten

12 Jahre war der CHEMPARK die Interimsadresse der Fakultät. Direkt eingebettet ins Herz der chemischen Industrie, bedeutete der Standort neben kurzen Wegen zu den Kooperationspartnern aber auch etliche Hürden für all jene, die eben nicht Teil des CHEMPARKs sind. Durch die hohen Sicherheitsauflagen war es Besucherinnen und Besuchern nicht möglich, einfach mal spontan und unangemeldet vorbei zu schauen. Und auch für die Studierenden war es zwar bequem, für ihre Praxisprojekte bei Unternehmen nur ein paar Meter weiter zum nächsten Gebäude zu gehen. Dafür sind beispielsweise Freizeitaktivitäten mit Alkohol und Grillen im CHEMPARK streng untersagt und auch sonst gab es kaum eine Möglichkeit, ein studentisches, offenes und auch gemütliches Campusflair zu etablieren. Das soll sich jetzt auf dem Campus Leverkusen in der Neuen Bahnstadt Opladen ändern. Eingebettet in das neue Stadtviertel mit Wohn- und Gewerbeflächen, ist der Campus nicht mehr hermetisch abgeriegelt, sondern öffentlich zugänglich. Das hat natürlich auch Nachteile, den bislang waren Einbrüche oder Vandalismus lediglich Ärgernisse, die der Dekan Prof. Dr. Matthias Hochgürtel von seinen Kolleginnen und Kollegen anderer Standorte unserer Hochschule kennt: „Jetzt müssen wir beobachten, wie sich das Zusammenleben in einem Stadtteil entwickeln wird, der sich noch im Aufbau befindet.“ Die Studierenden tragen dabei eine gewisse Mitverantwortung. Denn sie haben u. a. mit Library Learning Lounge einen großen Bereich im Erdgeschoss, den sie eigenständig bespielen können und der neben der Bibliothek auch Sitz der Fachschaft ist. „Bereits vor Corona haben wir den sogenannten StudiPunkt eingeführt, wo Tutorinnen und Tutoren vor Ort für Beratung und Unterstützung aller Art für die anderen Studierenden da waren“, sagt Hochgürtel. „Wir ermöglichen jetzt lange Öffnungszeiten für diesen Bereich und hoffen, dass die Studierenden diese entsprechend nutzen und auch selbst ein Auge darauf werfen werden, wer sich in ihrem Campus aufhält.“

Prof. Dr. Matthias Hochgürtel (Bild: TH Köln)

 Der Campus Leverkusen soll deutschlandweit eine Adresse und erleb- und nahbar werden.”

Prof. Dr. Matthias Hochgürtel lehrt und forscht u. a. zu Pharmazeutischer Chemie und Analytik, Drug Discovery Technologien und maritimen Naturstoffen. Seit 2012 ist er Dekan der Fakultät für Angewandte Naturwissenschaften.

Offene Wohlfühl-Atmosphäre schaffen

An der Architektur aus Beton und Glas gefällt Matthias Hochgürtel die helle und offene Gestaltung. Auch die Hörsäle sind durch Glaswände nach bis zu drei Seiten einsehbar. Diese größere Sichtbarkeit erhofft sich der Dekan perspektivisch auch im übertragenen Sinne für den Campus. Während der Zeit im CHEMPARK sei die Fakultät in der Stadt und Region vielleicht etwas unter dem Radar gelaufen. Das soll sich in den kommenden Jahren ändern. Der Campus Leverkusen soll deutschlandweit eine Adresse sein, wo die Chemie stimmt, er soll erlebund nahbar werden für Studieninteressierte, Bürger*innen sowie Forschungspartner. „Wir sind sehr gut und individuell aufgestellt in den Forschungskomplexen Green Chemistry, industrielle Synthesechemie und Umweltanalytik, außerdem bei der (bio-)chemischen Verfahrenstechnik sowie der Pharmazeutischen Technologie und Wirkstoffforschung. Darüber hinaus haben wir uns etabliert im Bereich Arzneimittelzulassung und Market Access – da hier bei den kooperierenden Firmen Geheimhaltungspflichten bestehen, ist eine öffentliche Sichtbarkeit in diesem Bereich aber nicht so gut möglich.“

Kleine Einheit, kurze Wege, Synergieeffekte

Einen weiteren Vorteil sieht Hochgürtel darin, dass die Fakultät mit 14 Professor*innen und 53 wissenschaftlichen Mitarbeitenden eine vergleichsweise kleine Einheit darstellt. „Das bedeutet auch, dass wir verschiedene Laborgeräte, Versuchsanlagen und Labore gemeinsam nutzen müssen. Aber dieser Umstand schafft Synergieeffekte. Wir sind quasi wie eine Biotech- Firma mit kurzen Wegen aufgestellt. Und die räumliche Nähe ist uns wichtig. Waren unsere Labore bisher über sechs Stockwerke verteilt, arbeiten wir jetzt alle gemeinsam auf einer Ebene.“

Nominell wachsen möchte Matthias Hochgürtel daher nicht. Viel mehr hofft er darauf, dass die Fakultät durch den neuen Campus regional besser wahrgenommen wird, sie bei den zukünftigen Studierenden nachgefragt bleibt und sich auch internationale Kooperationspartnerschaften entwickeln. Doch das ist erst der zweite, mittelfristige Schritt. In den nächsten Monaten geht es erst einmal darum, richtig anzukommen im neuen Heim, zu schauen, ob alles soweit funktioniert.

Zwar erfolgte im Mai die technische Übergabe, aber faktisch ist noch der Bau und Liegenschaftsbetrieb des Landes NRW der Gebäudebetreiber. Um dieses Kapitel abzuschließen und endlich ein neues aufzuschlagen, müssen jetzt die bestehenden Mängel behoben, notwendige Änderungen durchgeführt und das Gebäude wirklich vollständig übergeben werden. Im Laufe des kommenden Wintersemesters wird sich, so Hochgürtels Hoffnung, alles zurechtruckeln.

November 2022

Ein Artikel aus dem Hochschulmagazin inside out #61 (2022)


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