Wie sieht die Zukunft der Landwirtschaft aus?

Ein Renedering, das eine Vision eines zukünftigen landwirtschaftlichen Fahrzeuges darstellt (Bild: Monopoly 919/Adobe Stock)

Autonome Sämaschinen und ein optimierter Ernteplan durch Künstliche Intelligenz: In den kommenden Jahrzehnten könnte sich viel tun in der Landwirtschaft. Prof. Dr. Wolfgang Kath-Petersen und Prof. Dr. Till Meinel vom Institut für Bau- und Landmaschinentechnik sprechen im Interview über Zukunftstechnologien.

Wie könnte eine hochtechnisierte Landwirtschaft in zehn bis 20 Jahren aussehen?

Kath-Petersen: Es könnte zum Beispiel leichte und autonome Geräte geben, die ressourcen-, wasser- und bodenschonend auf dem Feld unterwegs sind. Diese würden zahlreiche Messdaten sammeln und mit Hilfe von Künstlicher Intelligenz bei der Planung und Durchführung vieler Arbeitsschritte helfen – etwa beim Ausbringen von Saatgut, Dünger und Pflanzenschutzmitteln oder bei der Bestimmung des optimalen Erntezeitpunkts. Im Stall findet sich solche autonome Technik schon heute: Kühe werden etwa aufgefordert, den Melkroboter aufzusuchen, um dort gemolken zu werden. Sämtliche tierrelevanten Daten – etwa Bewegungsprofile im Stall, Körpertemperatur oder Leistungsdaten – werden individuell erhoben und sind jederzeit abrufbar.

Meinel: Diese Entwicklung hin zu kleineren Maschinen könnte ergänzt werden durch Methoden wie das Controlled Traffic Farming. Dadurch lassen sich Bodenschäden reduzieren. Ziel ist die Rückkehr zu einer naturnahen Bodenbewirtschaftung. Das wird immer wichtiger, da der Bedarf an Lebensmitteln in den nächsten Jahrzehnten durch die wachsende Weltbevölkerung weiter zunehmen wird. Die Landwirtschaft muss daher in ausreichender Menge produzieren und dafür sind nachhaltige Strategien unverzichtbar.

Prof. Dr. Till Meinel Prof. Dr. Till Meinel (Bild: Thilo Schmülgen/TH Köln)

Welche Potenziale haben Automatisierung und Digitalisierung?

Meinel: Automatisierte Landmaschinen entlasten Maschinenbediener*innen von monotonen Aufgaben, verbessern die Präzision und sparen somit Ressourcen und Kosten. Digitale Daten ermöglichen zudem eine durchgehende Dokumentation der Lebensmittelproduktion vom Feld oder Stall bis hin zu den Verbraucher*innen. Dadurch entsteht ein großes Potenzial für die weitere Prozessoptimierung der Landwirtschaft sowohl im Stall als auch auf dem Feld.

Kath-Petersen: Kleine autonome Geräte können bodenschonender arbeiten als die großen, die heute unterwegs sind. Die aktuelle Größe ist der Leistungsfähigkeit geschuldet, die der Großbetrieb braucht, um den Pflanzenbau zu planen. Viele kleine autonome Geräte können in Schwärmen allerdings auch ein hohes Leistungspotenzial entfalten – ohne den Faktor Arbeitskosten.

Wo sehen Sie Herausforderungen?

Kath-Petersen: Es gibt mit Robotern zur Unkrautbekämpfung heute bereits autonome Konzepte auf dem Feld. Um die Technik allerdings auf andere Arbeitsbereiche zu übertragen, braucht es die notwendigen Zulassungen und rechtlichen Rahmenbedingungen.

Meinel: Große Hürden gibt es zudem bei der Datenkompatibilität und bei den Schnittstellen digitaler Systeme. Die Aufbereitung der schnell wachsenden verfügbaren Datenmengen für praktisch anwendbare Entscheidungshilfen für Landwirt*innen steht noch am Anfang. Darüber hinaus müssen zuverlässige und bezahlbare Sensoren entwickelt werden.

Prof. Dr. Wolfgang Kath-Petersen Prof. Dr. Wolfgang Kath-Petersen (Bild: Thilo Schmülgen/TH Köln)

Welche Innovationen beschäftigen die Landwirtschaft aktuell?

Kath-Petersen: Es gibt zwei wesentliche Trends: Zum einen sollen die Kulturen im Feld gegenüber den Trockenperioden im Frühsommer robuster werden. Zum anderen soll gleichbleibender Ertrag mit weniger chemischem Pflanzenschutz und weniger Nährstoffversorgung erreicht werden. Dazu wenden sich Landwirt*innen intensiver dem Boden zu und versuchen ihn zum Beispiel widerstandsfähig zu machen und ihn mit viel organischer Substanz zu versorgen.

Meinel: Beispiele dafür sind unsere Projekte 3D-Saat und PUDAMA. 3D-Saat beschäftigt sich mit der Entwicklung eines mobilen Bodenfeuchtesensors. Dieser soll dazu dienen, die Aussaat auch unter trockenen Klimabedingungen optimal zu gestalten. Bei PUDAMA wurde eine neue Technik entwickelt, um granulierten Dünger bei der Maisaussaat punktgenau auszubringen. Ohne Ertragseinbußen lassen sich so zwischen 25 und 50 Prozent Dünger einsparen.

Beflügeln gesetzliche Anforderungen wie Verbote von Pflanzenschutzmittel die Entwicklung technischer Lösungen?

Meinel: Politische Entscheidungen vor allem im Bereich bestimmter Subventionen können eine lenkende Wirkung bei der Maschinenentwicklung haben. Ansonsten beflügelt vor allem der internationale Wettbewerb, in dem landwirtschaftliche Betriebe stehen, die Entwicklung neuer Landmaschinentechnik. Industrie und Landwirt*innen erarbeiten gemeinsam technische Lösungen, die effizientere und kostengünstigere Produktionsverfahren ermöglichen.

Kath-Petersen: Die Notwendigkeit, sich mit alternativen Lösungen zu beschäftigen, entsteht häufig durch eine Vielzahl von Gründen. Beim Thema Pflanzenschutz sind es nicht nur die Verbote der jeweiligen Mittel. Viele Herbizide haben ihre Wirkung verloren und die Pflanzen haben Resistenzen entwickelt. Neue chemische Mittel kommen von der Industrie nur sehr zögerlich. Daher bieten viele etablierte Hersteller im Bereich der Bodenbearbeitung und Aussaat mit Hack- und Striegeltechnik mittlerweile technische Systeme an, durch die der Einsatz von chemischen Schutzmitteln reduziert werden kann. An einer solchen Lösung haben wir zum Beispiel auch im Forschungsprojekt Grinder gearbeitet.

März 2023

Ein Beitrag von

Marcel Hönighausen

Team Presse und Öffentlichkeitsarbeit


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