Wie Edge Computing die Datenverarbeitung verbessern kann

Leading edge multicolored circuit board  (Bild: klss777 | Adobe Stock)

Um die weltweit zunehmende Menge an Daten zu verarbeiten, wird bislang auf große Rechenzentren und zentrale Cloud-Kapazitäten gesetzt. Prof. Dr. Matthias Böhmer und der wissenschaftliche Mitarbeiter Jannik Blähser vom Cologne Institute for Digital Ecosystems haben sich im Rahmen einer Studie jetzt mit einer dezentralen Methode zur Datenverarbeitung beschäftigt.

Im Interview sprechen sie über die Vorteile und Möglichkeiten des so genannten Edge Computing.

Prof. Böhmer, Herr Blähser, was ist Edge Computing?

Jannik Blähser Jannik Blähser (Bild: privat)

Blähser: Grundsätzlich ist damit die dezentrale Datenverarbeitung am Rande des Netzwerks gemeint. IT-Ressourcen wie Rechenleistung und Speicherkapazität werden nicht entfernt in einer zentralen Cloud zur Verfügung gestellt, sondern im lokalen Netz. Sie werden also möglichst nah an den datengenerierenden Endgeräten, dem Netzwerkrand, bereitgestellt. Dadurch muss zum Beispiel ein autonom fahrendes Fahrzeug keine Berechnung über ein hunderte Kilometer entferntes Rechenzentrum durchführen.

Böhmer: Über mobile Daten lassen sich größere Datenmengen, wie sie etwa beim autonomen Fahren oder im Kontext von Industrie 4.0 anfallen, weder effektiv in die Cloud laden noch in Echtzeit auswerten. Edge-Methoden entlasten die Cloud und ermöglichen aufgrund ihrer Nähe eine geringere Latenz, also eine geringere Antwortzeit. Im lokalen Netz beträgt die Latenz in der Regel unter einer bis hin zu wenigen Millisekunden. Bei einer Anfrage an entfernte Rechenzentren liegt die Dauer in der Regel in einem mittleren zweistelligen bis dreistelligen Bereich von Millisekunden. Hier sprechen wir also von einem Faktor 10 bis 100 bei der Latenz. Das wiederum ist insbesondere bei zeitkritischen Anwendungen relevant, beispielsweise der echtzeitnahen Steuerung von Produktionsprozessen.

Prof. Dr. Matthias Böhmer Prof. Dr. Matthias Böhmer (Bild: privat)

Welchen Beitrag haben Sie im Rahmen der Studie geleistet?

Böhmer: Unsere Aufgabe war es, die aktuellen technischen Möglichkeiten sowie die Entwicklungspotenziale von Edge Computing herauszuarbeiten und einen Überblick über das Thema im Allgemeinen zu liefern. So haben wir etwa diskutiert, welche verschiedenen Spielarten dieses Ansatzes es gibt und wo sie sich unterscheiden. Viele aktuelle Lösungen im Edge Computing sind technologisch gar nicht viel anders als Cloud Computing, nur eben viel lokaler wie beispielsweise im eigenen Rechenzentrum. Wirklich spannend wird es aber, wenn man die technologische Grenze weiter verschiebt und etwa auch IoT-Komponenten, also Komponenten des Internet of Things, integriert. Also noch weiter an den Rand geht. Die Kolleginnen und Kollegen vom eco-Verband der Internetwirtschaft e.V. haben unsere wissenschaftliche Grundlage dann um einige interessante Interviews aus der Praxis ergänzt und relevante Anwendungsfälle und Geschäftsstrategien extrahiert.

Stehen Edge und Cloud im Gegensatz zueinander?

Blähser: Es entsteht häufig der Eindruck, dass diese beiden Punkte einen Gegensatz bilden. Es ergibt allerdings wenig Sinn, diese Ansätze getrennt voneinander zu betrachten und sich nur zu fragen, wo man jetzt besser rechnet. Vielmehr sollte man beides als Teil eines gemeinsamen Edge-Cloud-Kontinuums ansehen. Das bedeutet, dass sich Edge und Cloud nicht konträr gegenüberstehen, sondern sich ergänzen. Edge Computing kommt zum Einsatz, um Nachteile von Cloud Computing auszugleichen.

Böhmer: Am effizientesten ist es, nicht nur den Edge- oder den Cloud-Ansatz zu verfolgen, sondern Rechenleistung und Speicherkapazität dort zur Verfügung zu stellen, wo es punktuell am sinnvollsten ist. So könnte eine intelligente IT-Landschaft insbesondere im industriellen Kontext in Zukunft zum Beispiel bemerken, dass für bestimmte Steuersignale eine kürzere Latenz benötigt wird und die Datenverarbeitung dementsprechend von der Cloud an den Rand des Netzwerks verlagern.

Welche Hürden gibt es bei der Entwicklung eines solchen Systems?

Blähser: Durch den dezentralen Ansatz ist das Umfeld im Edge Computing äußerst heterogen. Das heißt wir haben unterschiedliche Hardware, Netzanbindungen, Betriebssysteme und so weiter. Diese Heterogenität macht die Entwicklung eines Systems deutlich komplexer als die Entwicklung eines Systems in einer homogenen Cloud-Umgebung.

Wie wird das Thema an der TH Köln erforscht?

Blähser: Im Innovation Hub Bergisches RheinLand beschäftigen wir uns in einem eigenen Handlungsfeld intensiv mit Edge Computing. Dabei geht es vor allem darum, herausfinden, wo solche Systeme angewendet werden können und welche Vorteile sie mitbringen. Darüber hinaus befassen wir uns mit der Frage, wo die Berechnung und Speicherung von Daten am besten stattfindet. Unser Ziel ist es, ein System zu entwickeln, das diese Frage selbst beantworten kann.

Böhmer: In dem Handlungsfeld arbeiten wir auch an einem eigenen Prototyp, der so genannten ECCO-Box. Dabei handelt es sich um eine Komponente, die wir nahe an unseren Maschinen platzieren und dann unter anderem nutzen, um diese über ihre lokalen Schnittstellen anbinden zu können. Die ECCO-Box stellt Rechenkapazität zur Verfügung und dient als Kontrollsystem für die Maschinen sowie als lokaler Speicher für Sensordaten. Im Rahmen der DigitalXchange-Konferenz, die der Innovation Hub am 17. September organisiert, werden wir dazu einen Vortrag halten und das Thema Edge Computing diskutieren.

Weitere Informationen:
Die Studie „Geschäftspotenziale und Geschäftsmodelle für Edge-Investitionen“ wurde vom German ICT + Media Institute (GIMI) aus Köln beauftragt. Beteiligt waren der eco Verband der Internetwirtschaft, welcher sich auf die Geschäftsmodelle und -potenziale im Rheinischen Revier konzentriert hat, sowie das Cologne Institute for Digital Ecosystems, welches einen technischen Beitrag zum Management von Edge-Lösungen im Verhältnis zu Cloud-Lösungen beigesteuert hat.

zur Studie

zur DigitalXchange Konferenz

Innovation Hub Bergisches RheinLand

August 2022

M
M