Wie die deutsche Gründungsszene gestärkt werden kann
Nach einer Hochphase während der Corona-Pandemie kamen deutsche Start-ups im Jahr 2023 deutlich schwieriger an Geld. Die Folge: Es gab weniger Neugründungen und die Zahl der Insolvenzen stieg. Prof. Dr. Torsten Oletzky von der Fakultät für Wirtschafts- und Rechtswissenschaften spricht im Interview über mögliche Ursachen und erklärt, welche Maßnahmen wieder zu mehr Gründungen führen könnten.
Prof. Oletzky, wie finanzieren sich Start-ups?
Es gibt mehrere Möglichkeiten. Am Anfang steht häufig das sogenannte Bootstrapping, also die Eigenfinanzierung. Wenn Gründende noch kein vorzeigbares Produkt haben, müssen sie zunächst auf ihre eigenen finanziellen Ressourcen zurückgreifen oder erhalten Geld von Freunden oder der Familie. Wenn die Geschäftsidee ausgereift ist, können sie sich um öffentliche Gelder aus Förderprogrammen bemühen oder ihr Konzept privaten Geldgeber*innen, sogenannten Business Angels, präsentieren. Diese stellen relativ unbürokratisch Summen im fünf- und manchmal auch im sechsstelligen Bereich zur Verfügung und fungieren zudem als Berater*innen. Weiteres Geld können junge Unternehmen von Risikokapitalgebern, den Venture-Capital-Gesellschaften, erhalten. Das ist allerdings mit mehr Verwaltungsaufwand und mehr Controlling verbunden. Deswegen macht dies auch erst bei größeren Summen ab circa 500.000 Euro in den späteren Finanzierungsrunden Sinn. Wenn es sehr gut läuft, dann können sie in einem weiteren Schritt an die Börse gehen, um sich zu finanzieren. So weit kommen allerdings nur wenige.
Was sind mögliche Gründe für die derzeitigen Finanzierungsprobleme?
Es lassen sich mehrere Faktoren nennen, welche hier eine Rolle spielen. Erstens hat sich das Kapitalmarktumfeld in den letzten zwei bis drei Jahren deutlich verändert. Die Zinsen sind gestiegen und Investor*innen haben damit wieder mehr Alternativen. Sie müssen nicht auf risikoreiche Anlageformen wie die Risikokapitalfinanzierung von Start-ups ausweichen, um eine Rendite oberhalb der Inflationsrate zu verdienen. Weiterhin sehen die Investoren jetzt, wo der Markt reifer geworden ist, nicht mehr nur Chancen, sondern vermehrt auch Risiken. Etwa acht oder neun von zehn Start-ups sind nicht erfolgreich und diese Geschichten des Scheiterns sieht man heute viel stärker als noch vor zehn oder 15 Jahren, als mehr investiert wurde. Das führt zu einem vorsichtigeren Anlageverhalten. Drittens erkennen auch Gründungsinteressierte, dass es nicht jedes Start-up schafft. Das könnte dazu führen, dass auch sie in der Idee vom eigenen Unternehmen die Risiken deutlicher sehen. Und viertens beeinflusst der demografische Wandel die derzeitige Lage: Weil die Jahrgänge immer kleiner werden, konkurrieren Arbeitgeber verstärkt um junge Leute und machen mit lukrativen Angeboten Festanstellungen teilweise attraktiver als das Gründen.
Wie sieht es in anderen Ländern aus?
Man kann durchaus beobachten, dass die Gründungskultur in anderen Ländern ausgeprägter ist als in Deutschland – zum Beispiel im Feld der InsurTechs, mit dem ich mich in meiner Arbeit intensiv beschäftige. Diese Start-ups aus dem Versicherungswesens sind in Ländern wie Frankreich oder Großbritannien aktuell besser aufgestellt. Dort und insbesondere in den USA ist es für Gründende viel einfacher, an eine externe Finanzierung zu kommen. Das liegt unter anderem daran, dass es hierzulande mehr Regulierung gibt, die potenzielle Investor*innen abschrecken kann. Zudem ist die Mentalität in diesen Ländern meiner Meinung nach eine andere: Das Streben nach Selbstständigkeit und Reichtum ist vor allem in den USA viel positiver besetzt als in Deutschland, wo Motive wie Arbeitsplatzsicherheit oder Work-Life-Balance tendenziell bedeutsamer sind – und das verträgt sich nun mal nicht immer gut mit dem Arbeitsalltag von Gründenden.
Welche Maßnahmen könnten wieder zu mehr Gründungen führen?
Dafür müsste man wohl an mehreren kleineren Stellschrauben drehen. Eine Option wäre es, Risikokapital etwa durch direkte Förderung oder steuerlich Anreize attraktiver zu machen. Ein bereits existierendes Beispiel dafür ist ein Programm des Bundesamts für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (BAFA). Fördernde erhalten hier einen Zuschuss von 20 Prozent und wenn sie das Start-up mindestens fünf Jahre lang unterstützen, verzichtet das BAFA auf seinen Anteil. Darüber hinaus sollte man natürlich auch auf der Seite der Gründenden ansetzen – und da sehe ich vor allem auch die Hochschulen in der Verantwortung. Wir müssen zum einen Interesse an der Unternehmensgründung wecken und Studierenden zum anderen die Fähigkeiten vermitteln, die es dafür braucht. Das geht zum Beispiel über hochschulweite Angebote, wie wir sie an der TH Köln mit dem Gateway Gründungsservice und dem StartUpLab@TH Köln schon haben, sowie über spezifische Lehrveranstaltungen und Kurse in den Fakultäten.
Februar 2024