Wasser optimal nutzen
Rund 200 Millionen Menschen leben im Nilbecken – 2025 werden es wohl doppelt so viele sein. Dabei ist schon heute in den Anrainer-Staaten Sudan und Ägypten das Wasser knapp.
Durchschnittlich stehen dort einem Menschen pro Jahr weniger als 1.000 Kubikmeter Wasser für die Nahrungsmittelerzeugung, den Haushalt, die Warenproduktion und zum Trinken zur Verfügung. Zum Vergleich: In Deutschland liegt der entsprechende Wert für gebrauchtes und verschmutztes Wasser bei rund 1.400 Kubikmetern.
Das Bevölkerungswachstum, der Klimawandel und wirtschaftliche Veränderungen könnten das Wasserproblem im Nilbecken künftig weiter verschärfen. "In dieser Situation ist es besonders brisant, dass das flussaufwärts gelegene Äthiopien Staudämme bauen und künftig mehr Wasser nutzen will", sagt Prof. Dr. Lars Ribbe, Geschäftsführender Direktor des Instituts für Technologie und Ressourcenmanagement in den Tropen und Subtropen (ITT) und Sprecher des Forschungsschwerpunkts IWRM. Das Kürzel steht für Integriertes Wasserressourcenmanagement. Nach dem weltweit anerkannten Leitbild des IWRM sollen die Nutzer mit Wasser so umgehen, dass der wirtschaftliche und soziale Wohlstand maximiert wird, ohne die Ökosysteme zu gefährden und künftige Generationen einzuschränken. Um das zu erreichen, sollte sich das Wassermanagement räumlich an Flusseinzugsgebieten orientieren und nicht an Landes- oder Verwaltungsgrenzen.
In einem ihrer Projekte setzen sich die Forscherinnen und Forscher des Schwerpunkts IWRM mit der Situation im östlichen Teil des Nilbeckens auseinander, in enger Kooperation mit Wissenschaftlern aus Äthiopien, dem Sudan und Ägypten. Anstatt Wassermengen zuzuteilen, wollen die Forscherinnen und Forscher jede Form der Wassernutzung in wirtschaftliche Kategorien übersetzen – die Voraussetzung, um mit dem genutzten Wasser eine möglichst hohen ökonomischen Wert für die Bewohner des gesamten Nilbeckens zu schaffen. So lassen sich Lösungsmodelle entwickeln, von denen letztlich alle Menschen in der Region profitieren – egal, in welchem Land sie leben, und unabhängig davon, ob sie Bauern, Händler oder Arbeiter sind.
Das Erkenntnisinteresse der am IWRM beteiligten Wissenschafterinnen und Wissenschaftler gilt nicht nur dem Nil; sie bringen ihre Kompetenz auch in vielen anderen Projekten in den unterschiedlichsten Regionen der Welt ein. "Und weil es uns sehr wichtig ist, aktuelle Forschungsthemen direkt in die Lehre einfließen zu lassen, haben wir mit dem Forschungsschwerpunkt IWRM auch einen gleichnamigen Masterstudiengang aufgebaut", sagt Ribbe. Nach einer Vorbereitungsphase absolvieren die Studierenden das erste Semester an der Universität von Jordanien in Amman und das zweite Semester am ITT in Köln. Daran schließen sich ein Praxissemester mit einem Forschungsaufenthalt in einem arabischen Land und die Masterarbeit an. Jährlich entstehen im Mittel 16 solcher Arbeiten.
An den Erkenntnissen partizipiert inzwischen ein internationales Hochschulnetzwerk. Denn der Kölner Schwerpunkt IWRM ist federführend am Kooperationsprojekt Center for Natural Resources and Development (CNRD) beteiligt, das elf Hochschulen auf vier Kontinenten einbindet und vom Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung gefördert wird. Die Partner erstellen derzeit IWRM-Module mit Lehrmaterialien – Präsentationen, Videos, Publikationen – zu ihren jeweiligen Spezialgebieten. Die anderen Mitglieder des CNRD können diese online abrufen und für ihre Lehrveranstaltungen nutzen. Auf diese Weise werden nicht nur neueste Forschungsergebnisse transportiert, sondern auch Know-how in der Curriculumentwicklung und einer zeitgemäßen Lehre.
Text: Dr. Frank Frick
August 2014