Warum mehr Blitz-Weltrekorde gemessen werden

Blitze (Bild: Libor/Adobe Stock)

768 Kilometer Länge und 17,1 Sekunden Dauer: Die Weltorganisation für Meteorologie (WMO) hat vor Kurzem zwei neue Weltrekorde gemessen – den längsten und den am längsten andauernden Blitz. Prof. Dr. Christof Humpert vom Institut für Elektrische Energietechnik (IET) spricht im Interview über die Entstehung von Blitzen, die Rekorde und darüber, wie das Energiesystem vor Einschlägen geschützt ist.

Prof. Humpert, wie entstehen Blitze eigentlich?

Wenn feuchtwarme Luft von der Erdoberfläche schnell aufsteigt und auf die darüberliegenden kälteren Luftmassen trifft, entsteht Wasserdampf und schließlich eine Wolke. Darin bilden sich wiederum Wasser- und Eisteilchen. In einer Gewitterwolke entstehen starke Aufwinde, die die leichten Wasser- und Eisteilchen weiter nach oben treiben. Schwere Teilchen wie Graupel oder Hagel fallen entgegen der Aufwinde in der Wolke nach unten. Diese Bewegungen führen zu einer Polarisierung: Im oberen Teil der Wolke nimmt die positive Ladung zu, während sich an der Unterseite negative Ladungen ansammeln – so baut sich ein elektrisches Spannungsfeld auf, was sich schließlich in Form eines Blitzes entlädt. Solche elektrostatischen Entladungen können innerhalb einer Wolke, zwischen zwei Wolken – das sind so genannte Wolke-Wolke-Blitze – oder zwischen Wolke und Erdoberfläche – das nennt man Wolke-Erde-Blitze – entstehen.

Porträt Christof Humpert Prof. Dr. Christof Humpert (Bild: Michael Schuff/TH Köln)

Wie sind die Rekorde einzuordnen?

Bei den Rekordblitzen handelt es sich um Wolke-Wolke-Blitze, die in so genannten mesoskaligen konvektiven Systemen gemessen wurden. Diese bilden sich, wenn sich Gewitter zu einem großen über viele hundert Kilometer ausgedehnten Gewitterkomplex zusammenschließen. Das passiert vor allem dort, wo tropisch feuchtwarmes Klima herrscht oder in der Nähe von Bergregionen oder Küsten. So hat sich der 17,1 Sekunden andauernde Blitz über Uruguay und dem nördlichen Argentinien erstreckt. Der 768 Kilometer lange Blitz hat sich zwischen den US-Bundesstaaten Texas, Louisiana und Mississippi ausgebildet. Zum Vergleich: Die hierzulande auftretenden Wolke-Wolke-Blitze haben typischerweise eine Länge von fünf bis sieben Kilometern, Wolke-Erde-Blitze erstrecken sich über eine Länge von etwa ein bis drei Kilometern. Solche Dimensionen wie bei den Rekordblitzen werden in Deutschland und Europa nicht erreicht, weil es hier aufgrund des Klimas keine gewaltigen Gewitterkomplexe, sondern eher nur einzelne oder einige wenige zusammenhängende Gewitterzellen gibt.

Die Blitzrekorde häufen sich in den vergangenen Jahren – die vorherigen Rekordhalter wurden erst 2018 und 2019 gemessen. Gibt es immer mehr und stärkere Blitze?

Das könnte man angesichts der Dimensionen sowie der Häufung solcher Rekorde tatsächlich denken. Die zunehmende Anzahl an Rekordblitzen liegt allerdings daran, dass man jetzt verbesserte und neue Messinstrumente hat. 2017 und 2019 sind zwei neue Wettersatelliten in Betrieb gegangen – GOES 16 und GOES 17. Mit diesen kann ein Großteil der Erde und damit eben auch große Gewitterkomplexe mit ausgedehnten Wolke-Wolke-Blitze beobachtet werden, die man vorher nicht erfassen konnte. Daher werden nun Rekorde verzeichnet, die weit über das hinausgehen, was früher üblich war. Zuvor wurden solche Blitze innerhalb von Wolken von Satelliten erfasst, die deutlich niedriger geflogen sind und deshalb eher kleinere Ausschnitte sichtbar gemacht haben. Tatsächlich ist es so, dass man bisher nicht mehr Blitzaktivität – zum Beispiel durch den Klimawandel verursacht – festgestellt hat. In Deutschland zum Beispiel haben sich die Blitzeinschläge in den vergangenen 13 Jahren um mehr als die Hälfte reduziert.

Stichwort Blitzeinschläge: Wie gut ist unser Energiesystem eigentlich davor geschützt?

Das Energiesystem wird mit Hilfe von Blitzschutzsystemen geschützt. Diese sollen Personen, Gebäude und elektronische Geräte oder Komponenten bei einem Einschlag vor Schäden bewahren. In der Regel kommt dazu ein äußerer sowie ein innerer Blitzschutz zum Einsatz. Äußere Systeme sind Blitzableiter an Gebäuden, die den Blitz gezielt zur Erde ableiten. Dadurch werden Menschen, die sich darin befinden, sowie das Gebäude an sich geschützt. Damit auch die Technik unversehrt bleibt, bedarf es zudem eines inneren Systems – nämlich eines Überspannungsableiters. Mit diesen werden nicht nur technische Geräte und Komponenten in Häusern, sondern zum Beispiel auch Freileitungen geschützt, in die regelmäßig der Blitz einschlägt.

März 2022

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