Warum Influencer als authentisch wahrgenommen werden
Authentizität ist für Influencer ein hohes Gut. Je glaubwürdiger sie sich präsentieren, desto mehr Menschen folgen ihnen. Aber wie authentisch sie eigentlich wirklich? Prof. Dr. Amelie Duckwitz vom Institut für Informationswissenschaft spricht im Interview über Glaubwürdigkeit, Selbstinszenierung und darüber, was Skandale einzelner Influencer für die Branche bedeuten.
Prof. Duckwitz, was macht Influencer eigentlich aus?
Influencer sind Menschen, die sich durch selbsterstellte Inhalte in den Sozialen Medien inszenieren, über eine bestimmte Reichweite verfügen und einen gewissen Einfluss auf die Menschen haben, die ihnen folgen. Man kann sie auch als digitale Meinungsführerinnen und -führer bezeichnen. Sie gelten in ihrer spezifischen Zielgruppe als besonders glaubwürdig. Das liegt daran, dass sie in der Lage sind, eine parasoziale Beziehung zu ihren Followern zu führen. Eine solche Beziehung kann als einseitige Freundschaft zwischen einer Person und einem Influencer betrachtet werden. Dieser wird dabei als realer Freund wahrgenommen – dabei kennt er den Follower kaum. Bestärkt wird diese Dynamik insbesondere dadurch, dass Influencer meist eine gewisse soziale Nähe zu den ihnen folgenden Menschen haben. Sie sind ihnen in bestimmten Eigenschaften ähnlich und agieren daher als Vorbild.
Und das sorgt dann dafür, dass sie als authentisch wahrgenommen werden?
Genau. Und diese Authentizität stellt auch ein wesentliches Merkmal ihres Erfolges dar – und das obwohl Inhalte in der Regel hochgradig inszeniert sind. Warum ist das so? Im Rahmen eines Forschungsprojekts zu Influencern in der Verkehrssicherheitskommunikation konnten wir herausfinden, dass Follower sehr wohl unterscheiden können zwischen der privaten und der beruflichen Rolle von Influencern. Sie gestehen es ihnen zu, dass sie sich aufgrund ihrer Professionalität in gewissem Maße inszenieren müssen. Aber dadurch, dass sie neben Produktplatzierung und Werbung gleichzeitig viel aus ihrem Alltag zeigen – mal ungeschminkt, mal mit Freunden oder Familienmitgliedern – führt das über einen längeren Zeitraum hinweg zu einer gewissen inhaltlichen Konsistenz und damit zu einer wahrgenommenen Authentizität.
Wann überreizen Influencer das „erlaubte“ Maß an Inszenierung?
Das kann man nicht pauschal beantworten, aber in der Regel muss schon sehr stark mit der inhaltlichen Konsistenz gebrochen werden. Bei vielen digitalen Meinungsführerinnen und -führern, die im Bereich Nachhaltigkeit aktiv sind oder eine gesunde Lebensweise vorleben möchten, kommt es hin und wieder zum Beispiel vor, dass sie bei widersprüchlichen Verhaltensweisen beobachtet werden. Das ist natürlich bei aller Glaubwürdigkeit, die Influencer genießen, ein Problem für das eigene Image und erfordert eine Rechtfertigung oder Entschuldigung. Je nachdem wie die Beziehung zu den Followern ausgeprägt ist, reicht das schon aus, um die Wogen zu glätten. Bei härteren Brüchen ist das schon schwieriger und erfordert eine gute Krisenkommunikation.
Was bedeuten größere Skandale einzelner Influencer für die Branche?
Es gibt zwar immer wieder solche Fälle – mal in kleinerem, mal in größeren Ausmaß –, ich glaube aber nicht, dass dadurch das Influencer-Marketing in seinen Grundfesten erschüttert werden wird. Es gibt Influencer, die zum Beispiel Greenwashing betreiben, ihre Reichweite und ihren Einfluss hauptsächlich für die eigene Bereicherung nutzen oder Steuerflucht begehen. Ebenso gibt es aber auch sehr ehrliche und reflektierte Personen, die als digitale Meinungsführerinnen und -führer auftreten. Ich denke, dass sich der Markt da langfristig selbst bereinigen wird – das gehört zum Prozess der Professionalisierung einer Branche dazu. Zudem gibt es immer mehr Möglichkeiten, sich professionell begleiten und beraten zu lassen, zum Beispiel beim Bundesverband für Influencer Marketing oder bei privaten Influenceragenturen. Diese Angebote bereiten im Optimalfall darauf vor, etwa in Bezug auf die eigene Authentizität konsistent zu agieren.
Mai 2022