Versichert um jeden Preis?
Wetterextreme werden intensiver und werden sich in Zukunft häufen. Dadurch können enorme Schäden entstehen. Prof. Dr. Dirk-Carsten Günther vom Institut für Versicherungswesen über die Möglichkeiten, Haus und Hof abzusichern, die Versicherungsdichte in Deutschland und ob eine Versicherungspflicht zielführend ist.
Welche Möglichkeit gibt es, sich gegen Naturkatastrophen zu versichern?
Es gibt die private Wohngebäudeversicherung, mit den klassischen Risiken wie unter anderem Feuer, Sturm und Rohrbruch. Dann gibt es schon seit vielen Jahren die Möglichkeit einer Zusatzversicherung in Form einer erweiterten Elementarschadenversicherung. Nur mit dieser sind Hochwasser und Starkregenereignisse versichert, aber beispielsweise auch Erdsenkung, Erdbeben und Schneedruck.
Waren die Menschen in NRW und Rheinland-Pfalz gegen eine solche Katastrophe versichert?
Ein klares Nein. Man spricht von einer Versicherungsdichte, also wie viel Prozent eine Versicherung haben. In der Gebäudeversicherung liegt die Dichte bei rund 95 Prozent. Aber nur ungefähr 46 Prozent der Häuser sind gegen Elementarschäden versichert. Das ist eine katastrophal niedrige Zahl. Die Dichte ist in der Rechtsschutzversicherung dieselbe. Das ist skurril. Die durch eine Rechtsschutzversicherung gedeckten Kosten eines Prozesses vernichten nicht die eigene wirtschaftliche Existenz – aber bei einer Überschwemmung reden wir über einen Totalverlust.
Wie viel kostet die zusätzliche Elementarschadenversicherung?
Der Preis hängt zum einen davon ab, wie hoch der Wert des Hauses ist, und zum anderen unterscheiden sich die Preise der über 150 Versicherungsunternehmen. Der Grund, warum so wenige Gebäudeeigentümerinnen und -eigentümer die Versicherung abschließen, ist jedoch nicht, dass die Prämie unbezahlbar ist. Diese Zusatzversicherung kostet ungefähr die Hälfte einer normalen Gebäudeversicherung.
Warum haben dann so wenige eine Elementarschadenversicherung?
Ich denke, dass bei manchen Gebäudeeigentümern die Sensibilität fehlt, vielleicht auch, weil sie denken, sie wären nicht gefährdet. Sie haben nicht im Blick, dass auch Regenfälle allein, ohne Fluss in der Nähe, schon zu Überschwemmung auf dem eigenen Grundstück führen können. Hinzu kommt eine gewisse Bequemlichkeit. Viele haben seit Jahren eine Wohngebäudeversicherung und denken gar nicht daran, noch eine Elementarschadenversicherung abzuschließen.
Kann jedes Haus gegen Elementarschäden versichert werden?
Es gibt Risiken, die Versicherungen nicht annehmen, etwa bei einem Haus direkt am Fluss, wo quasi auf der Hand liegt, dass es überschwemmt wird, und sich nicht die Frage stellt, ob, sondern wann es zu einem Versicherungsfall kommt. Der Gesamtverband der Deutschen Versicherungen sagt, dass 99 Prozent aller Häuser gegen Überschwemmungsereignisse versichert werden können. Diese Zahl wird von Verbraucherschützern bestritten. Aber unabhängig davon, ob diese Zahl zutrifft – wir haben eine riesengroße Differenz: 46 Prozent, die gegenwärtig eine Elementarversicherung haben, zu jedenfalls 90 Prozent + X, die eine Elementarschadenversicherung abschließen können, aber es aus welchen Gründen auch immer nicht tun.
Wie steht es um Schadenpräventionen?
Ich denke, der Gesichtspunkt der Schadenprävention wird viel wichtiger werden. Das bedeutet, dass Versicherer nur Risiken abschließen, bei denen der Versicherungsnehmer etwas für die Schadenvorsorge tut. Man kann mit relativ simplen baulichen Mitteln Schäden reduzieren, gerade bei Neubauten wird das zum Teil schon gemacht. Das fängt damit an, dass im Erdgeschoss und Kellerbereich ein Bodenbelag gewählt wird, der auch mal unter Wasser stehen kann, oder spezielle Fenster, durch die das Wasser nicht so leicht eindringt. Die Kosten für solche Maßnahmen müssen Gebäudeeigentümerinnen und -eigentümer selber tragen.
Braucht es Ihrer Meinung nach eine Versicherungspflicht für Elementarschäden?
Ich finde, es gibt gute Argumente sowohl dafür als auch dagegen. Eine Pflichtversicherung wäre sicher ein Vorteil für die Eigentümerinnen und Eigentümer, die sich nicht versichern können, weil ihr Haus direkt am Fluss steht. Zudem spricht dafür, dass Menschen dann nicht auf den Staat angewiesen wären, sondern einen Anspruch gegenüber ihrem Versicherer haben. Steuerzahler werden dadurch entlastet. Die Frage ist dabei, wie die Pflicht ausgestaltet werden soll. Gibt es eine Voll- oder Mindestdeckung? Dass es grundsätzlich möglich ist, zeigen andere Länder wie Frankreich oder die Schweiz. Andererseits ist eine Pflicht ein großer Eingriff in die Privatautonomie, insbesondere, weil viele keine Elementarschadenversicherung abschließen, obwohl sie könnten. Ein für mich ganz großer Nachteil ist der Gesichtspunkt der Schadenpräventionen. Wenn sich alle versichern müssen, wieso soll jemand noch etwas tun und Geld in die Hand nehmen, um Schäden zu verhindern? Und warum sollen die Versicherungsnehmer, bei denen das Risiko extrem gering ist, dass es zu einem Schaden kommen wird, zwangsweise eine Versicherung abschließen? Sie würden die Versicherungsnehmer quersubventionieren, die sich bewusst entschieden haben, in einem gefährdeten Bereich zu bauen.
Wird man sich in Zukunft noch gegen die Auswirkungen der Klimakrise versichern können?
Stand heute sind die Schäden durch die Wetterextreme für die Versicherer noch bezahlbar. Auch wenn einzelne Versicherer, die im Hochwassergebiet eine große Anzahl von Häusern versichert haben, sehr viel Schadenzahlung erbringen und ihnen das richtig weh tut, können sie das machen, ohne pleite zu gehen. Das Versicherungssystem in Deutschland in der Sachversicherung ist richtig stabil. Aber in den nächsten Jahren, genauer gesagt Jahrzehnten, wird es mehr und mehr Wetterextremereignisse durch die Klimaerwärmung auch in Deutschland geben, die Schadenwahrscheinlichkeit wird spürbar ansteigen. Es stellt sich die Frage, wie die Versicherer mittel- und langfristig damit umgehen.
März 2022