Ein Artikel aus dem Hochschulmagazin Inside out – Herbst/Winter 2017

Vanille aus dem Trockner

Schrumpfende Produktion und steigende Preise – Vanille entwickelt sich gerade zum teuersten Gewürz weltweit. Clemens Brauer hat in seiner Masterarbeit die Effektivität seines selbstentwickelten Solartrockners für die Vanilleschotenernte in Mexiko untersucht.

Mit seinem Verfahren will er den Bauern eine nachhaltige Alternative zur aufwändigen Vanilleproduktion bieten – die außerdem den Gewinn steigern soll. Unterstützt wird er dabei von der Fakultät für Angewandte Naturwissenschaften.

Vanille Brauer Clemens Brauer hat einen Solartrockner entwickelt, mit dem Vanillebauern die Schoten einfacher trocknen können. (Bild: Costa Belibasakis/TH Köln)

Mit echter Vanille, der tiefgründigen Blume, wie die Azteken sie nannten, kennt sich Clemens Brauer mittlerweile bestens aus: wie die Pflanze bestäubt wird, wie ihre Kapseln heranwachsen, geerntet und getrocknet werden – Brauer kennt den kompletten Produktionsvorgang. Und der ist äußerst arbeitsintensiv. „Früher wusste ich nicht einmal, dass die Kapseln gar kein Aroma haben, wenn sie geerntet werden.“ Wie die Vanilleschote ihren einmaligen Duft und Geschmack erhält, hat Brauer bei Produzenten im mexikanischen Tamazunchale gelernt.

Im Ursprungsland der kostbaren Gewürzschote war der Student des Masters „Natural Resources Management and Development“ mittlerweile zwei Mal. An der Universidad Autónoma de San Luis Potosí, einem Kooperationspartner des Instituts für Technologie und Ressourcenmanagement in den Tropen und Subtropen (ITT), erhielt er das Angebot, den Vanilleanbau zum Thema seiner Abschlussarbeit zu machen. Konkret sollte er eine Möglichkeit suchen, wie das aufwändige Produktionsverfahren vereinfacht werden kann.

Vanille Mex Der Solartrockner bei den Vanillebauern von Tamazunchale im Einsatz. Für die Weiterentwicklung empfiehlt Brauer einen Trockner, der zweieinhalbmal so groß ist. (Bild: Clemens Brauer)

Für seine Untersuchungen lebte Brauer mehrere Wochen mit den Bauern der Kooperative Tlilicochitl zusammen. „Jede einzelne Blüte wird mit der Hand bestäubt“, erklärt der 38-Jährige. „Die Blüten öffnen sich nur an einem einzigen Tag. Den müssen die Bauern genau abpassen, denn ansonsten fallen die Blüten einfach ab, ohne dass sich eine Frucht hätte entwickeln können.“ Gelingt die Bestäubung, reifen innerhalb von fünf bis acht Monaten zwölf bis 25 Zentimeter lange Vanilleschoten heran, die bei der Ernte noch grün und geruchlos sind.

Baden, schwitzen und trocknen

Bis zu drei Monaten dauert es, bis die Schoten in der Sonne zu den uns vertrauten schwarzbraunen Stangen getrocknet sind, die zwischen den anderen Backzutaten in den Verkaufsregalen liegen. Zur weiteren Aromabildung müssen sie anschließend zwei bis drei Monate verpackt gelagert werden. Nach der Ernte werden die Schoten aber erst einmal blanchiert, nur so können sie später ihren einzigartigen Duft entfalten.

„Im heißen Wasser stirbt noch lebendes Gewebe ab und die enzymatischen Reaktionen zur Aromaentwicklung beginnen. Danach werden sie zum Aufwärmen in die Sonne gelegt. Anschließend wickeln die Bauern die Vanilleschoten in Wolldecken und bringen sie so zum Schwitzen. Diesen Vorgang wiederholen sie bis zu 30-mal“, sagt Brauer. 45 Grad Celsius sind zum Aufwärmen der Schoten ideal. Allerdings sind Wind, Bewölkung und Luftfeuchtigkeit problematisch für das Gewürz. „Wenn die Schoten sich nicht auf 45 Grad erwärmen lassen, können sie schimmeln. Andere, besonders gegehrte Schoten können platzen. Beides bedeutet einen hohen Ausschuss. Und wenn sie zu trocken werden, sinkt der Vanillingehalt in den Schoten“, beschreibt Clemens Brauer die sensible Prozedur.

Die Nachfrage nach natürlicher Vanille ist in den letzten Jahren enorm gestiegen. Länder wie Madagaskar und Indonesien, die rund 80 Prozent des weltweiten Bedarfs decken, kommen mit der Lieferung nicht mehr nach. Dürren und Stürme setzten den Produzenten zuletzt ebenfalls zu und zerstörten viele Plantagen. Derzeit zahlen Händler bis zu 600 US-Dollar für ein Kilogramm und damit mehr als für pures Silber. Vor fünf Jahren lag der Kilogrammpreis noch bei 20 Dollar.

Schneller und sicherer: der Solartrockner

Eine Verbesserung des mühsamen Trocknungsverfahrens bietet Brauers Solartrockner, den er in seiner Masterarbeit für die mexikanischen Vanillebauern entwickelt hat. Der sogenannte Solar Cabinet Dryer funktioniert wie ein Gewächshaus, das zugleich Wärme speichert, die Luft entfeuchtet und die Vanilleschoten besser vor dem Wind schützt. Brauers Untersuchungen zeigen, dass die Bauern mit dem Solartrockner Arbeitszeit einsparen können. „Ich habe meine Untersuchungen im Frühling durchgeführt, als das Wetter eigentlich schon ganz gut war. Die Trockenzeit verkürzte sich im Trockner bereits um ein Viertel im Vergleich zur herkömmlichen Sonnentrocknung“, sagt Brauer. Da die Erntezeit aber bereits im Dezember beginnt, erwartet er für die Wintermonate einen noch stärkeren Effekt.

Schnelligkeit ist das eine, doch die Vanillebauern wollten wissen, ob die Qualität der getrockneten Schoten und deren Vanillingehalt tatsächlich höher sind. Deshalb bat Brauer die Fakultät für Angewandte Naturwissenschaften um Hilfe. Und so strömte über mehrere Wochen angenehmer Vanilleduft durch das Analytiklabor am Hochschulstandort Leverkusen. Unter der Leitung von Prof. Dr. Matthias Hochgürtel analysierten die wissenschaftlichen Mitarbeiter Eva Rausch und Marcus Schief die Vanillestangen aus Tamazunchale und verglichen dabei die beiden Trocknungsmethoden.

Vanille F11 An der Fakultät für Angewandte Naturwissenschaften untersucht Eva Rausch den Vanillingehalt der Schoten. (Bild: Viola Gräfenstein)

„In unseren Untersuchungen ist der Vanillingehalt bei der Solartrocknermethode auf jeden Fall gleich und sogar leicht erhöht“, bestätigt Eva Rausch. Für langfristigere Aussagen müsste man noch einmal im großen Umfang testen. „Das Ergebnis unserer Analyse belegt die Anwendbarkeit des Trocknungsverfahrens. Ich sehe aus analytischer Sicht gute Chancen, dass sich der Trockner bei den Bauern durchsetzen könnte“, ergänzt Professor Hochgürtel, der das Projekt auch wegen seiner Nachhaltigkeit gerne unterstützt.


Lowtech-Projekt ist einfach zu warten

Nachhaltige Projekte sind dem Wirtschaftsingenieur Brauer wichtig, der sich nach einigen Jahren Berufserfahrung in der Fahrzeugbranche noch einmal für ein Studium entschied. Seine Wahl fiel auf den Master „Natural Resources Management and Development“ am ITT. Doch auch ökologisch sinnvolle Projekte haben ihre Tücken, weiß Brauer inzwischen. Von einem Solarprojekt in Simbabwe, an dem er beteiligt war, erreichen ihn immer wieder negative Rückmeldungen: „Mal funktioniert dies, dann etwas anderes wieder nicht an der empfindlichen Hightech. Ich wollte deshalb mal ein Lowtech-Projekt angehen.“

Sein Trockner ist ebenso einfach in der Produktion wie günstig: rund 200 Euro würde er kosten. „Die Anschaffung könnte sich langfristig auf jeden Fall für die Bauern lohnen, denn mit den Trocknern haben sie auch weniger Ausschuss“, bekräftigt er. In der Kooperative in Tlilicochitl sind alle Bauern Anteilseigner und deshalb am Gewinn beteiligt. Natürlich erhofft sich Clemens Brauer, dass die Mexikaner langfristig auf den Solar Cabinet Dryer umschwenken. Doch großen Einfluss hat er darauf nicht. Seine Masterarbeit, die am ITT von Prof. Dr. Ramchandra Bhandari betreut wurde, hat er gerade erfolgreich abgeschlossen. Eine dritte Reise nach Mexiko ist erst mal nicht mehr vorgesehen. Unter der Leitung von Dr. Humberto Reyes Hernández, der das Projekt der Vanilleproduktion initiiert hat, wollen die Kollegen an der Universität in San Luis Potosí jetzt untersuchen, wie der Solartrockner flächendeckend eingesetzt werden kann.

Text:
Viola Gräfenstein, Monika Probst

Februar 2018

Ein Artikel aus dem Hochschulmagazin Inside out – Herbst/Winter 2017


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