Unkaputtbare Gifte

Thilo Schmülgen/TH Köln (Bild: Thilo Schmülgen/TH Köln)

Im Forschungsinstitut STEPs untersucht Doktorand Matthias Balsam die Auswirkungen von Glyphosat und Tierdesinfektionsmitteln auf Biomasse.

Glyphosat im deutschen Bier! Als diese Meldung Anfang des Jahres in die Medien kam, teilte sich das öffentliche Lager in jene, die sich bestätigt sahen, dass unsere Lebensmittel mit viel zu vielen Giftstoffen belastet sind und solche, die die Nachricht als Hysterie abtaten – denn die Dosis im Bier sei gering und der Konsum deshalb nicht gesundheitsgefährdend. Was Matthias Balsam in der folgenden Debatte um die EU-Wiederzulassung des Pestizids ärgerte, ist die Verharmlosung des als krebserregend verdächtigten Pflanzenschutzmittels: "Wenn es so leicht abgebaut wird, wie Studien berichten, die einen weiteren Einsatz befürworten, warum kann man es in jeder Urinprobe nachweisen? Das Mittel übersteht ja sogar den Vergärungsprozess des Bierbrauens."

Matthias Balsam, Doktorand an der Fakultät für Angewandte Naturwissenschaften, weiß, dass seine Untersuchungen nicht das Potenzial für ein bundesweites Medienecho haben wie die Bierstudie des Umweltinstituts München. Dafür berühren sie nicht den unmittelbaren Alltag der Bundesbürger. Doch seine Forschungsarbeit ist ein Baustein in einer Reihe von Untersuchungen, in welcher Form und Bandbreite anthropogene Stoffe – also jene, die der Mensch in die Umwelt bringt – auf diese Einfluss nehmen. Über viele Wege gelangen Mittel wie Glyphosat in den ökologischen Kreislauf und damit ins Trinkwasser. Vom Kleinkind bis zum Greis gerät jeder mit dem meistverwendeten Pflanzenschutzmittel der Welt in Kontakt. In Deutschland landen rund 5.000 Tonnen Glyphosat jährlich auf den Äckern, das sind 15 Prozent der gesamten Pestizidmenge.

Der Chemiker Balsam geht in seiner Doktorarbeit der Frage nach, welchen Einfluss Glyphosat und bestimmte Tierdesinfektionsmittel in einer Biogasanlage auf die verschiedenen Mikroorgansimen haben und ob man bestimmte Frühwarnmechanismen erkennen kann. Dazu hat er in Mikroreaktoren Testreihen mit verschiedenen Konstellationen durchgespielt. Jede
Versuchsreihe dauert gut einen Monat. Und bis man eine vernünftige Testreihe aufgebaut hat, dauert es wiederum ein bis zwei Monate. Seit 2014 beschäftigt Balsam sich mit Glyphosat. Seine Erkenntnis: Es hat einen Effekt auf die Biologie der Biomasse. Vereinfacht lässt sich sagen, dass zu viel Glyphosat die Biologie tötet; dann lässt sich aus der Biomasse kein Biogas mehr erzeugen.

Unkräuter passen sich an

Allerdings treten diese Effekte erst bei einer Dosierung von 50 Millimol pro Liter auf. In Europa kommen solche Werte außerhalb des Labors nicht zu Stande. Ob sie in Ländern wie den USA oder Argentinien erzielt werden, in denen Glyphosat in Mengen ausgebracht wird, die mittlerweile die Arbeiter in der Landwirtschaft gesundheitlich belasten, kann Balsam nicht verbindlich sagen.
Dennoch sieht er keinen Grund, den Einfluss des Mittels zu verharmlosen und es in Europa weiterhin zuzulassen, wie jetzt durch die EUKommission geschehen. "Natürlich können wir mit Bio alleine nicht die Welt ernähren. Aber die Verbreitung der Monokulturen hat weitreichende Auswirkungen. Sie bedrohen die Artenvielfalt und laugen die Böden aus. Mittlerweile hat sich in Amerika superresistentes Unkraut entwickelt, das nur mit großen Mengen Glyphosat bekämpft werden kann – wenn überhaupt."

Eine Entwicklung, die in Europa noch nicht eingetreten ist. Dennoch gehen auch hier die Meinungen über eine weitere Zulassung des Mittels weit auseinander. Es zeigt sich dabei nicht nur ein Interessenkonflikt in Politik und Wirtschaft, sondern auch in der Wissenschaft. Die verschiedenen nationalen und internationalen Behörden und Einrichtungen bewerten die Karzinogenität von Glyphosat unterschiedlich und empfehlen entsprechend verschiedene Grenzwerte.

Raus aus dem Labor

Interessenkonflikte in der Wissenschaft hat Matthias Balsam bemerkt, als seine Untersuchungen bei einigen Kollegen nicht nur auf positive Rückmeldungen stießen. "Es gibt Leute, die meine Arbeit in Frage stellen." Solche Reaktionen hört man nicht gerne. Doch gerade Tagungen sind für Balsam interessant, um eine direkte Rückmeldung für seine Arbeit zu bekommen. "Wer nur im Labor sitzt, verpasst etwas und kann nur über Publikationen seine Ergebnisse bekannt machen – was deutlich aufwändiger ist, als einen Tagungsbeitrag zu verfassen."

Als Promovierendensprecher des Forschungsinstituts STEPs (Sustainable Technologies and Computational Services for Environmental and Production Processes) ist er einer von 25 Doktorandinnen und Doktoranden, die im Institut von Abwasser- bis zur Verfahrenstechnik forschen. Besonders den interdisziplinären Blickwinkel, der sich durch die Zusammenarbeit eröffnet, schätzt Balsam an STEPs. "Aus meiner Sicht als Chemiker stellen sich andere Fragen als sie ein Verfahrenstechniker oder Biologe an meiner Arbeit hat. Das sind manchmal interessante Perspektiven."

Seine Untersuchungen zu Glyphosat hat er mittlerweile abgeschlossen. Auch wenn sie keine dramatischen Ergebnisse gebracht haben, wie man es sich als Forscher manchmal erhofft, wünscht sich Balsam einen sensibleren Umgang mit den industriellen Giftstoffen. "Nach 40 Jahren Einsatz wäre es sinnvoll, das Mittel für zehn Jahre auszusetzen, damit sich die Böden erholen können. In den Ohren der Hersteller wird das wahrscheinlich naiv klingen, aber die tragen ja auch nicht die Folgekosten für Gesundheit und Umwelt."

Text: Monika Probst

November 2016

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