Tunnelbau unter der Stadt
Wenn neue Verkehrswege gebaut oder bestehende ersetzt werden sollen, kommt häufig der Tunnelbau ins Spiel; in Köln etwa bei der Diskussion um die Ost-West-Achse oder die neue Rodenkirchener Brücke. Wie wird ein Tunnel im innerstädtischen Bereich gebaut und welche Vorteile hat eine solche Lösung?
Ein Gespräch mit Prof. Dr. Christoph Budach, der am Institut für Baustoffe, Geotechnik, Verkehr und Wasser zum Themengebiet Geotechnik und Tunnelbau lehrt und forscht.
Herr Prof. Budach, alle politischen Diskussionen beiseite: Wie baut man eigentlich einen Tunnel im dicht bebauten innerstädtischen Bereich?
Im Lockergestein wie Sand und Ton hat sich der Einsatz von Schildvortriebsmaschinen durchgesetzt. Das sind große Bohrmaschinen, die einen Durchmesser von vier bis zu sogar 17 Metern haben können. Die Größe des Tunnelquerschnitts hängt wesentlich von der späteren Nutzung ab. Der Bohrkopf der Maschine ist mit Schneidwerkzeugen wie zum Beispiel Schälmessern und Rollenmeißel besetzt und dreht sich in den vor ihm anstehenden Boden. Damit dieser nicht in den Abbauraum der Schildmaschine einbricht, kann beispielsweise eine Stützflüssigkeit eingesetzt werden. Diese wird dann auch genutzt, um den Boden über Rohrleitungen abzutransportieren.
Das Schildvortriebsverfahren findet sehr häufig Anwendung, ob man nun unter einer Stadt oder unter freiem Gelände baut. Im innerstädtischen Bereich besteht zudem die Herausforderung, dass die Bestandsgebäude Keller oder Pfahlgründungen haben, die zu unterfahren sind, ohne dass es zu Beschädigungen kommt. Jedes neue Projekt soll üblicherweise so oberflächennah wie möglich sein, die geplante Lage in der Ebene und in der Tiefe wird jedoch durch die bestehende Infrastruktur maßgeblich beeinflusst.
Wie werden Tunnel abgesichert?
Eine Tunnelbohrmaschine kann je nach Ausstattung und Tunneldurchmesser insgesamt bis zu 200 Metern lang sein, von denen nur die ersten Meter auf den eigentlichen Bohrkopf fallen. Direkt dahinter befindet sich eine Stahlhülle, in deren Schutz die Tunnelwandung zusammengesetzt wird. Das Betonrohr des Tunnels besteht aus einzelnen Ringen, die etwa zwischen ein und zwei Meter breit sind. Und jeder Ring wiederum besteht aus bis zu sieben gebogenen, vorgefertigten Ringteilen, den sogenannten Tübbingen. Nachdem sich also die Maschine mit etwa 5 cm pro Minute um eine Ringlänge durch die Erde gegraben hat, stoppt sie kurz und in der Schutzhülle werden die Tübbinge zu einem Ring aneinandergefügt. Dieser zyklische Vorgang aus Vortrieb und Ringbau wird bis zum Erreichen des Tunnelendes fortgeführt. Ein Kilometer Tunnel besteht je nach Durchmesser und Ringteilung aus 2.500 bis 7.000 Tübbingen.
Wer das Konzept sehr einfach erklärt bekommen und auch sehen möchte, dem sei ein Beitrag der Sendung mit der Maus empfohlen, den ich auch immer mit meinen Studierenden des ersten Semesters des Masterstudiums Bauingenieurwesen schaue.
Tunnelbauprojekte wie die Ost-West-Achse oder ein unterirdischer Ersatz für die Rodenkirchener Brücke werden häufig mit hohen Kosten assoziiert. Warum kann diese Lösung trotzdem vorteilhaft sein?
Tunnelbau schafft direkte Verbindungen zwischen zwei Punkten und gleichzeitig Platz an der Oberfläche. Indem man unterirdisch Hindernisse überwindet, spart man oberirdisch Fläche ein, die für neue Nutzungen frei wird – Parks, Gebäude, städtische Infrastruktur. Zudem ist man unabhängig von der bereits definierten Streckenführung. Eine neue oberirdische Straßenbahn muss entlang der bestehenden Straßen verlaufen. Unterirdisch kann man Gebäude queren und Haltestellen bauen, um zum Beispiel bislang unerschlossene Bereiche zu erreichen und zu entwickeln. Ferner werden dadurch an der Oberfläche weniger Staus produziert und zuverlässige Abfahrtszeiten für meine neue U-Bahn begünstigt. Insgesamt entsteht also eine höhere Flexibilität.
Wie sieht die Zukunft des maschinellen Tunnelbaus aus und welche technischen Innovationen wünschen Sie sich?
Weltweit werden weiter zahlreiche Tunnelprojekte mit Tunnelbohrmaschinen geplant, etwa um neue U-Bahnlinien oder Verkehrswege zu realisieren. Dabei steht die Interaktion zwischen Baugrund und Tunnelbohrmaschine weiter im Fokus. Künftig wird zudem der Einsatz von Künstlicher Intelligenz an Bedeutung zunehmen, um die Vortriebe noch effizienter zu gestalten.
Aus ökonomischen und ökologischen Gründen wird die Nutzung des Aushubmaterials eine wichtige Rolle spielen. Wichtig sind deshalb Innovationen, die den Baugrund bzw. das Aushubmaterial, auch in Bezug auf die Interaktion mit der Tunnelbohrmaschine, bestmöglich beschreiben. Dies würde verschiedene Klassifizierungen und – ganz wichtig – eine hochwertige Verwertung des abgebauten Bodens ermöglichen. Daran wollen wir seitens des Lehr- und Forschungsgebiets Geotechnik und Tunnelbau mitarbeiten.
Wie ist das Thema bei Ihnen in Lehre und Forschung eingebunden?
In unserem Lehr- und Forschungsgebiet konzentrieren wir uns auf die Vortriebe und speziell auf die Interaktion zwischen Baugrund und Tunnelbohrmaschine. Unser Schwerpunkt ist das Lockergestein. In diesem Bereich haben wir seit 2019 bereits mehrere Lehrforschungsprojekte umgesetzt und arbeiten gerade an zwei großen Forschungsvorhaben.
Dabei untersuchen wir, wie der abzubauende Boden am besten beschrieben werden kann und was wir mit dem Ausbruchmaterial noch machen können. Denn beim Tunnelbau gewinnen wir große Mengen von Bodenmaterial, das aus unserer Sicht ein ganz wertvoller Rohstoff ist. Häufig wird das Material aber nur für die Verfüllung von alten Gruben genutzt. Wir sind daher auf der Suche nach höherwertigen Verwendungen anstatt einer oft minderwertigen Verwertung des Bodenmaterials.
Die Fragestellungen der maschinellen Vortriebe sind auch Teil der Lehre des Masterstudiengangs Bauingenieurwesen, wo wir im Modul „Geotechnik“ den maschinellen Tunnelbau im Lockergestein und ab dem kommenden Wintersemester das neues Modul „Rohrvortrieb und grabenlose Bauverfahren“ lehren.
Juli 2022