Stellungnahme der Fakultät zum öffentlichen Infragestellen von Geschlechterforschung
Auf Initiative des Instituts für Geschlechterstudien IFG weist die Fakultät für Angewandte Sozialwissenschaften in einer Stellungnahme auf die Bedeutung von Geschlecht als kritische Analysekategorie sozialer Ungleichheit für Forschung und Lehre hin und stellt sich entschieden gegen das Infragestellen der wissenschaftlichen Geschlechterforschung von rechtspopulistischer und konservativer Seite.
An der Fakultät für Angewandte Sozialwissenschaften mit ihren Lehr- und Forschungsschwerpunkten in der Sozialen Arbeit und der Kindheitspädagogik und Familienbildung sind kritische Perspektiven auf Geschlecht als einer zentralen Kategorie sozialer Ungleichheit und einer gesellschaftlichen Normierungen unterliegenden Dimension von Identität fester Bestandteil der Forschungs- und Lehraktivitäten. Im Rahmen unseres Verständnisses als inklusive Fakultät ist uns ein anerkennender Umgang mit geschlechtlicher und sexueller Vielfalt ein zentrales Anliegen. Die Kompetenz, einengende und benachteiligende Aspekte von Geschlecht zu erkennen, zu reflektieren und den Klient*innen angemessene gendersensible Interventionen zur Erweiterung von Handlungsoptionen zur Verfügung zu stellen, betrachten wir als wesentlichen Bestandteil von Professionalität in sozial- und kindheitspädagogischen Handlungsfeldern.
Geschlecht und Sexualität sind Kategorien, die in einschlägigen Forschungsdiskussionen als bedeutsam für die Analyse sozialer Ungleichheit, individueller Entwicklungs- und Handlungsspielräume sowie gesellschaftlicher Verhältnisse erachtet werden – ebenso wie die Kategorien Klasse, race, Ethnizität, Religion, Alter, Beeinträchtigung und weitere Zuschreibungen. Sozialwissenschaftliche Forschung untersucht diese sowohl in ihrer relativen Eigenständigkeit wie ihrer wechselseitigen Bedingtheit und Verwobenheit. Sie betrachtet diese Kategorien in ihrer historisch-gesellschaftlichen Gewordenheit und Veränderbarkeit. Damit geht sie auf wissenschaftliche Distanz zu einem Alltagsverständnis, in dem Kategorien wie Geschlecht und Sexualität, aber auch race oder Ethnizität häufig als ‚natürlich’ oder selbstverständlich gegeben vorausgesetzt werden. Aus dieser wissenschaftlich begründeten Perspektive werden geläufige Alltagsvorstellungen von naturgegebener Zweigeschlechtlichkeit und Heterosexualität kritisch beleuchtet und hinterfragt.
Geschlechterforschung, die in den 1970er Jahren mit der Frauenforschung ihren Anfang genommen hat, verfügt über eine lange Tradition an der heutigen Fakultät für Angewandte Sozialwissenschaften. Ein Ergebnis davon war die Gründung und wissenschaftliche Begleitung des zweiten deutschen Frauenhauses durch Sozialpädagogikstudent*innen und Lehrende der damaligen Fachhochschule Köln. Heute ist die Auseinandersetzung mit Inhalten der Geschlechterforschung fest verankert in den Wahlpflicht-, Schwerpunkt- und Projektmodulen des Bachelorstudiengangs „Soziale Arbeit“, im Modul „Human- und sozialwissenschaftliche Vertiefungen“ des Bachelorstudiengangs „Pädagogik der Kindheit und Familienbildung“ und nicht zuletzt im gemeinsam mit der Universität zu Köln und in Kooperation mit der Hochschule für Musik und Tanz Köln getragenen Masterstudiengang „Gender & Queer Studies“. Darüberhinaus stellt sie eine wichtige Querschnittaufgabe in den Masterstudiengängen „Pädagogik und Management in der Sozialen Arbeit“ und „Beratung und Vertretung im Sozialen Recht“ dar.
Wir weisen das fortgesetzte Infragestellen der Geschlechterforschung, wie sie nicht nur von rechtspopulistischer und rechtsextremistischer Seite, sondern auch im bürgerlichen Feuilleton zu vernehmen sind, entschieden zurück. Unsere Solidarität gilt den Kolleg*innen der Geschlechterforschung, die aufgrund ihrer wissenschaftlichen Arbeit und ihrer gesellschaftlichen Interventionen Angriffen ausgesetzt sind.
Januar 2018