VREUNDE bleiben
Wie können Freundschaften mit geografischer Distanz weiterhin eng verbunden bleiben? Das gerade gestartete Verbundprojekt VREUNDE will mehr über das Funktionieren langer Freundschaften herausfinden und eine Toolbox mit hybriden Kommunikationsmitteln entwickeln.
Freundschaften sind große Verlierer der Corona-Pandemie. Eine repräsentative Umfrage in Deutschland hat ergeben, dass bei einem Drittel der Befragten die Beziehungen zu Freunden seit der Pandemie weniger eng sind. Zudem erschweren im Alltag die geografischen Distanzen, im engen Austausch zu bleiben und die gute Verbundenheit, zum Beispiel aus der gemeinsamen WG-Zeit, zu halten. Neben dem persönlichen Treffen oder dem Telefonat prägen mobile und soziale Medien unser Kommunikationsverhalten: Kurznachrichten über Messengerdienste, geteilte Fotos, Status-Updates und Likes sind allerdings relativ oberflächlich und nicht dazu entworfen, um tiefgehende Möglichkeiten des Austauschs, wie ein Telefonat oder ein physisches Treffen zu ersetzen.
„In der gemeinsam verbrachten Zeit etablieren Freundschaften gemeinsame Praktiken, die sich über Messengers nicht aufrechterhalten lassen. Medien ergänzen sich oft lediglich, statt sich zu ersetzen“, sagt Dr. Matthias Böhmer, Professor für Informatik, Mobile und Verteilte Architekturen am Campus Gummersbach. „Es gibt bisher kaum Forschungsergebnisse zur Nutzung von dinglich-digitalen Medien in Freundschaftsgruppen. Deshalb wollen wir gerade für Freundschaften, die mit fortschreitendem Lebensweg eine geografische Distanz aufgebaut haben, Lösungen entwickeln, wie die Menschen ihre Freundschaften mit ihren etablierten sozialen Praktiken in hybriden Räumen weiter aufrechterhalten können.“
Das Team des Forschungsprojekts VREUNDE: Ewelina Dobrzalski (ART+COM), Carolin Lehmann (IWM), Sabine Huschke (TH Köln), Jens Erasmi (ART+COM), Jürgen Geuter (ART+COM), Prof. Dr. Matthias Böhmer (TH Köln), Vimal Seetohul (TH Köln), Dominik Deimel (TH Köln), Prof. Dr. Stefan Bente (TH Köln), Prof. Dr. Christian Kohls (TH Köln), Sonja Utz (TH Köln), Nick Crisci (TH Köln), Prof. Dr. Irma Lindt (TH Köln). (Bild: TH Köln, Monika Probst)
950.000 Euro Fördermittel vom BMBF
Dazu ist das Verbundprojekt VREUNDE gestartet, in Langform: „Verbundenheit zu guten Freunden über Distanz mittels physisch-digitaler Interaktions- und Kommunikationsräume erhalten“. Neben vier Professorinnen und Professoren des Cologne Institute for Digital Ecosystems der TH Köln sind daran beteiligt die Stiftung Medien in der Bildung - Leibniz-Institut für Wissensmedien, Tübingen (IWM) sowie die Berliner Designagentur ART+COM. Das Forschungsprojekt wird mit rund 950.000 Euro finanziert durch das Bundesministerium für Bildung und Forschung.
Die Forscherinnen und Forscher wollen herausfinden, wie gute Freunde mit sozialen Praktiken ein Gefühl der Verbundenheit im physischen Raum erzeugen, und wie sich diese Muster in einen hybriden Raum über Distanz transferieren lassen. Dabei sollen Konzepte für ein spielerisches, gemeinsames Handeln entwickelt werden. Das können die Manipulation von Objekten wie Magneten am WG-Kühlschrank sein, oder auch Brettspiele, die über die Distanz gemeinsam gespielt werden können. Die Nutzerinnen und Nutzer sollen dabei die Möglichkeit haben, die neuen Tools selbst gestalten zu können.
Alternative zu starren Kommunikationsformen
Genau hier liegt der innovative Ansatz von VREUNDE: Während bei den etablierten digitalen Medien die User*innen in starre Kommunikationsformen gepresst werden, soll der zu entwickelnde Interaktionsbaukastens es ermöglichen, individuelle Gewohnheiten und Rituale beizubehalten. „In Messengern oder Videochats müssen wir immer mit einer hohen Aufmerksamkeit und oft synchron kommunizieren,“ sagt Matthias Böhmer. „Diese Werkzeuge sind auf eine exklusive Aufmerksamkeit konzipiert. Sie unterbrechen mit Notifications meine aktuelle Tätigkeit und lassen sich nicht nebenläufig bedienen. Deshalb sind sie auf die Bedürfnisse spezifischer beiläufiger Kommunikation nicht anpassbar. Das wollen wir ändern.“
Auch der Bedarf nach hybriden Unternehmensräumen wird in den kommenden Jahren zunehmen. Hier sehen die Verbundpartner mit ihren Untersuchungen neue Lösungsmöglichkeiten. Ein weiteres Anwendungsszenario ist die Umsetzung von musealen Ausstellungen, die zunehmend über räumliche Grenzen hinausgehen, beispielweise durch eingebundene Live-Videos.
Juli 2023