Soziale Innovationen durch die Corona-Pandemie
Am 26. November 2021 fand die virtuelle Tagung „Sozialpolitik in der Post-Pandemie – die Corona-Krise als Impuls für soziale Innovationen“ statt. Prof. Dr. Ragnar Hoenig vom Institut für Soziales Recht hat die Tagung gemeinsam mit Kolleginnen und Kollegen organisiert und spricht im Interview über sozialpolitische Ideen, die durch die Pandemiesituation entstanden sind.
In welchen Lebensbereichen hat die Corona-Pandemie für Veränderung gesorgt?
Mir fällt kein Bereich ein, der völlig unangetastet geblieben ist. Die Corona-Pandemie hat in allen Lebensbereichen von jetzt auf gleich zu so starken Veränderungen geführt, die es vielen Menschen schwergemacht haben sich umzustellen.
Wie stark waren die sozialen Bereiche betroffen?
Kaum ein Bereich war so stark betroffen wie die Soziale Arbeit, da es um die Arbeit mit und für Menschen geht. Beispiele sind die Pflege, Kindererziehung und Schule. Es gibt Bereiche in der Sozialen Arbeit, da kann man sich nicht ins Homeoffice zurückziehen. Man kann die Menschen mit ihren sozialen Problemen nicht einfach alleine lassen, nur, weil Pandemie ist. Erst in der Pandemie ist vielfach deutlich geworden, wie wichtig die Soziale Arbeit ist. Auch über die Bezahlung in diesen Berufen haben wir zuvor nicht so laut gesprochen wie jetzt.
Welche Veränderungen gab es in der Sozialpolitik?
Wir haben 2020 in den Sozialgesetzen unglaublich viele Änderungen gehabt. Der Gesetzgeber hat beispielsweise während der Pandemie bei den existenzsichernden Leistungen – also bei Hartz IV, Arbeitslosengeld II und Grundsicherung – auf die Prüfung von Vermögen verzichtet, weil er befürchtet hat, dass es durch die Pandemie einen erheblichen Anstieg von Menschen gibt, die langzeitarbeitslos und auf existenzsichernde Leistungen angewiesen sind. Damit sollte den Behörden das Prüfen erleichtert werden. Spannende Fragen sind: Was hat das gebracht und hat der Staat dadurch tatsächlich auf viel Geld verzichtet? Müssen wir überhaupt zu der Vermögensanrechnung bei existenzsichernden Leistungen zurückkehren? Denn die Menschen, die existenzsichernde Leistung beziehen, haben in aller Regel kein Vermögen, das vorrangig eingesetzt werden muss.
Welche Impulse haben sich ergeben?
Im Hochschulbereich haben wir durch die digitale Lehre ganz neue Instrumente wie zum Beispiel Zoom erhalten. Das gab es zwar vorher schon, aber weder Lehrende noch Studierende hatten so breite Erfahrungen damit. Da gilt es Bilanz zu ziehen und sich zu überlegen, wie wir mit den digitalen Instrumenten umgehen, wenn wieder Präsenzlehre wie unter normalen Zeiten möglich ist.
Ein weiteres Beispiel ist die Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Wie klappt das eigentlich, wenn es tatsächlich drauf ankommt? Da haben wir erschreckende Hilferufe von Familien gehört, die gesagt haben, wir bekommen Kindererziehung und Homeoffice nicht unter einen Hut. Die Frage ist, inwieweit haben wir da gewissermaßen ein Zurückfallen in alte Rollenmuster erlebt, da oft die Frau zu Hause bleibt und Homeoffice macht, weil die Kita geschlossen ist, während der Mann trotzdem noch aus dem Haus gehen und seine Arbeit im Büro erledigen kann. Da muss man einen kritischen Blick zurückwerfen und sich fragen, ob wir in den vergangenen 30 Jahren alte Rollenmuster überwunden haben.
Worum geht es bei der Tagung am 26. November?
Überall gab es Ideen, wie man mit den neuen Lebensbedingungen umgeht. Wir beschäftigen uns damit, was eigentlich mit den Erfahrungen passiert, die wir in der Pandemie gemacht haben. Was haben die Lösungen gebracht, die sich nicht nur der Gesetzgeber ausgedacht hat, sondern auch die Praxis der Sozialen Arbeit, zum Beispiel die Wohlfahrtsorganisationen und die Träger von sozialen Leistungen. Ziel der Veranstaltung ist es, zu schauen, wie man die Instrumente für die Zukunft nutzbar machen kann.
Dafür wurden vier Bereiche ausgewählt: Zum Bereich Studium und Lehre hält Prof. Dr. Sefik Tagay vom Institut für Geschlechterstudien einen Vortrag über die Kölner Pandemie-Studie. Prof. Dr. Sigrid Leitner vom Institut für Sozialpolitik und Sozialmanagement spricht über Vereinbarkeit von Erwerbs- und Sorgearbeit. Andrea Kirchmann von der Universität Tübingen referiert über die Beratung, Betreuung und Begleitung von Langzeitleistungsbeziehenden. Außerdem beleuchtet Prof. Dr. Helmut Brand von der Universität Maastricht den öffentlichen Gesundheitsdienst.
Dezember 2021