Regionalen Öko-Strom ausbauen: Simulator für 100 Prozent Erneuerbare Energien entwickelt

Dr. Eberhardt Waff enschmidt ist Professor für Elektrische Netze und Einfluss von Erneuerbaren Energien und Mitglied im interdisziplinären Cologne Institute for Renewable Energy (CIRE) (Bild: privat)

Riesige Off shore-Windparks an der Nord- und Ostsee produzieren in Zukunft den Strom für die Industrie in den südlichen Bundesländern – sieht so tatsächlich unser Atomausstieg aus?

Unter diesen Voraussetzungen kalkuliert die Deutsche Energie-Agentur (dena),  dass die jetzigen Hochspannungsleitungen nicht mehr reichen werden, um den Strom bundesweit zu transportieren. Sie fordert einen Ausbau der Trassen um bis zu 3.600 Kilometer. Die Ergebnisse der dena-Studien sind umstritten – nicht nur bei Umweltverbänden. Prof. Dr. Eberhard Waffenschmidt kann den Voraussetzungen, die in der Studie gemacht werden, ebenfalls nicht zustimmen.

Letztlich, so der Experte für Elektrische Netze, gehe es bei diesen Plänen darum,  den Kohlestrom weiter auszubauen. Viel sinnvoller ist für den Energieexperten die Frage, wie unser Stromnetz zukünftig aussehen soll, um komplett auf erneuerbaren Strom umstellen zu können. Statt riesiger Trassen setzt er auf eine zellulare Netzstruktur, d. h. auf eine regionale Stromerzeugung und -versorgung.

Im Simulator lassen sich unterschiedliche regionale Szenarien entwickeln für eine Stromversorgung auf der Basis von100 Prozent erneuerbarer Energien.
Im Simulator lassen sich unterschiedliche regionale Szenarien entwickeln für eine Stromversorgung auf der Basis von100 Prozent erneuerbarer Energien. (Bild: Eberhard Waffenschmidt)

Windparks in Bayern simulieren
"Es sind in allen Regionen Deutschlands ausreichend Kapazitäten vorhanden, um  erneuerbaren Strom zu produzieren. Je nach Region unterscheidet sich lediglich der optimale Mix." Um das auch empirisch zu prüfen und zu sehen, ob die bisherige Struktur des Stromnetzes angepasst werden muss, hat Waffenschmidt über mehrere Studierendenprojekte ein Simulationstool entwickelt, den "Simulator für 100 Prozent Erneuerbare Energien".

Entgegen der gängigen Meinung, der Norden sei besonders windreich während im Süden viel öfter die Sonne scheine, liegen die sonnenreichsten Orte in  Deutschland tatsächlich direkt an der Nord- und Ostseeküste. Um genauer zu prüfen, welche meteorologischen Gegebenheiten in den einzelnen Regionen vorliegen, bietet der Simulator die Jahresdaten für die Einspeisung von Photovoltaik, Wind, Niederschlag (Laufwasser) und Biomasse, zeitlich aufgelöst in 15-Minuten-Rastern (Referenzjahr 2011).

Im gleichen Intervall verfügbar sind die Jahresprofile der 32 Regierungsbezirke,  also deren Verbrauchs- und Einspeisedaten. Alle Daten kann man skalieren und dadurch verschiedene Szenarien entwickeln. Wie viel Öko-Strom kann man bei den jetzigen Wetterverhältnissen in einer bestimmten Region maximal erzeugen? Wie viel könnte man produzieren, wenn in Bayern zukünftig dreimal so viele Windräder installiert würden wie heute? Oder wenn die Zahl der Solaranlagen deutlich steigt? Und was wäre, wenn die regionalen Netze miteinander verbunden wären, um Überschüsse und Engpässe gegenseitig auszugleichen?

Öffentliche Diskussion fördern
2011 stammten rund 20 Prozent des verbrauchten Stroms aus erneuerbaren Energien. "Man kann leider noch nicht sagen, ob die Stromleitungen die fünffache Kapazität tragen können. Im nächsten Schritt wollen wir die Leistungsflüsse dem tatsächlichen Stromnetz zuordnen."
Ebenfalls eingebaut ist dagegen bereits ein vereinfachtes Energiespeichermodell.  Das Simulationstool bietet allerdings keine automatische Optimierung der Regionen, diese Kalkulation muss der Anwender noch selbst vornehmen.

"Es ist schwierig, detaillierte Studien nachzuvollziehen, wenn ein Großteil der Datengrundlagen nicht öff entlich verfügbar ist", sagt Waffenschmidt. Mit dem Simulationstool will er Fachleuten die keinen Datenzugang haben eine breitere öffentliche Diskussion ermöglichen. Deshalb steht der Simulator kostenfrei zum Download zur Verfügung.

Text: Monika Probst

Juni 2017

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