Regenwald in Brasilien nachhaltig wiederherstellen
TH Köln und lokaler Partner entwickeln Trainingsprogramm zur Wiederbewaldung
Der Regenwald an der Ostküste Brasiliens ist nicht nur besonders artenreich, sondern auch massiv bedroht. Die brasilianische Gesetzgebung fordert daher seine Wiederbewaldung. Um das zu unterstützen, entwickeln die TH Köln und die lokale Umweltorganisation REGUA seit Anfang 2024 Schulungskurse für die vielfältigen Zielgruppen vor Ort – mit Erfolg: Bisher wurden mehr als 130 Zertifikate ausgestellt.
Pressemitteilung 1/2025
vom 9.1.2025
Der brasilianische Atlantische Küstenregenwald ist eines der artenreichsten Ökosysteme der Erde. Durch historische Rodungen, Ausweitung und Intensivierung der Landwirtschaft sowie Urbanisierung sind allerdings nur noch rund 12 Prozent der ursprünglichen Waldfläche vorhanden. „Das ist zu wenig, um die Biodiversität und wichtige Ökosystemleistungen wie Wasserversorgung, Klimaregulierung und Schutz vor Naturgefahren wie Überschwemmungen, Hangrutschungen und Dürren zu gewährleisten“, sagt Projektleiter Prof. Dr. Udo Nehren vom Institut für Technologie- und Ressourcenmanagement in den Tropen und Subtropen (ITT) der TH Köln. Zwar verpflichte die brasilianische Regierung Landbesitzer*innen je nach Bundesstaat mindestens 20 bis 80 Prozent ihrer Flächen wieder zu bewalden, die Resultate seien bislang aber unzureichend.
Hier setzt das Vorhaben „REPLÂNTICA“ von ITT und REGUA im Bundesstaat Rio de Janeiro an: Das Projektteam entwickelt und optimiert bis Dezember 2026 sechs verschiedene Schulungskurse, welche kostenfrei angeboten werden. Die Kurse sind auf die jeweilige Situation und die individuellen Bedürfnisse der Zielgruppen Landbesitzer*innen, lokale Bevölkerung, Frauen, Studierende, Regierung/Behörden und NGOs zugeschnitten. Jeder Kurs besteht aus drei Modulen. In diesen geht es um theoretische und praktische Fähigkeiten zur ökologischen Wiederherstellung von Waldgebieten und anderen Ökosystemen, die Bewertung und Verwaltung von durchzuführenden Maßnahmen zur Renaturierung und um Kooperationen sowie Finanzierungsmöglichkeiten. Die Kurse starten auf lokaler Ebene im Einzugsgebiet des Flusses Guapiaçu und werden über die Dauer des Projekts angepasst, um interessierte Akteur*innen über das Einzugsgebiet hinaus zu erreichen.
Galerie
Das Projekt REPLÂNTICA wird im ökologischen Reservat REGUA an den Ausläufern der Bergkette Serra do Mar im brasilianischen Atlantischen Regenwald umgesetzt. (Bild: REGUA)
Im September 2024 fand in REGUA der Kick-off-Workshop des Projekts REPLÂNTICA für lokale und bundesstaatliche Umwelt- und Finanzbehörden, Universitätsangehörige mit Fokus Wiederbewaldung, lokal bis national operierende Nichtregierungs-Organisationen, lokale Firmen, Landbesitzer*innen und alle mit einem Interesse an Wiederbewaldung statt. (Bild: Marcio Mendes)
Projektleiter Prof. Dr. Udo Nehren vom Institut für Technologie- und Ressourcenmanagement in den Tropen und Subtropen (ITT) der TH Köln beim Kick-off-Workshop. (Bild: Marcio Mendes)
Die Vision, den Guapiaçu-Regenwald zu retten, veranlasste Raquel und Nicholas Locke im Jahr 2001 zur Gründung von REGUA. Seitdem wächst das Waldgebiet wieder und das REPLÂNTICA-Projekt ermöglicht es, das seither entstandene wertvolle praktische Know-how wissenschaftlich zu ergänzen und als Grundlage für die Kurse aufzubauen. Nickolas Locke, Präsident von REGUA, leitet das REPLÂNTICA-Projekt auf brasilianischer Seite, und Raquel Locke, Vizepräsidentin von REGUA, unterstützt das Projekt bei der Pflege der lokalen Netzwerke. (Bild: Vitor Marigo)
v.l. Prof. Dr. Claudia Moster (Federal Rural University of Rio de Janeiro), Micaela Locke (Projektkoordinatorin Brasilien, REGUA), MSc. Aline D. de Azevedo (Forstingenieurin, REGUA) und Dr. Claudia Raedig (Projektkoordinatorin Deutschland, ITT) bei der symbolischen Pflanzung einer erst kürzlich wissenschaftlich beschriebenen Obstbaumart, der Guapiaҫu-Kirsche, die in den REGUA-Wäldern entdeckt wurde. (Bild: Marcio Mendes)
Verständnis, Wissen und Engagement fördern
„Mit den Schulungskursen wollen wir Verständnis fördern und Wissen vermitteln, das von den Teilnehmer*innen dann als Multiplikator*innen weitergegeben werden kann“, erklärt Dr. Claudia Raedig, Projektkoordinatorin des ITT. So soll langfristig ein Bewusstsein entstehen für die Bedeutung der biologischen Vielfalt und die Ökosystemleistungen des Atlantischen Regenwaldes. Weiterhin werden Möglichkeiten aufgezeigt, wie durch das eigene Handeln degradierte Flächen wiederhergestellt werden können. „Die Zertifikate eröffnen den Absolvent*innen der Kurse darüber hinaus weitere Beschäftigungsmöglichkeiten im Bereich der Renaturierung – zum Beispiel bei einer Umweltorganisation oder Initiative vor Ort, in einer eigenen Baumschule, als Parkranger oder als Guide für Tourist*innen“, so Raedig.
Bislang hat für jede Zielgruppe ein Schulungskurs stattgefunden und 136 Teilnehmer*innen haben die Kurse bereits erfolgreich durchlaufen. In weiteren Schritten werden die Kurse wiederholt und deren Konzepte anhand des Feedbacks der Teilnehmer*innen angepasst. Am Ende der Projektlaufzeit soll ein kostenfreies Handbuch entstehen, mit dessen Hilfe andere Organisationen oder Initiativen weltweit vergleichbare Kurse anbieten können.
Ein weiteres wichtiges Ziel des Projekts ist neben der Entwicklung und Optimierung der Schulungskurse auch die Vernetzung. Dazu wurde das „Partizipative Netzwerk für ökologische Wiederherstellung“ ins Leben gerufen. In sogenannten Matchmaking-Veranstaltungen werden Kursteilnehmer*innen mit dem privaten Sektor zusammengebracht, damit diese sich gegenseitig bei der Durchführung von nachhaltigen Renaturierungsaktivitäten unterstützen und Hindernisse bei der Wiederbewaldung überwinden können. Im Rahmen dieser Partnerschaften sollen beispielsweise Setzlinge einheimischer Baumarten, Werkzeuge, Düngemittel, Arbeitskraft, Wissen oder Land zur Verfügung gestellt und aktiv für die Wiederbewaldung eingesetzt werden.
Über das Projekt
Das Transferprojekt „Aufbau von Kapazitäten für die Wiederherstellung von Wäldern: Schutz von Biodiversität und Klima in der Mata Atlântica“ („REPLÂNTICA“) wird von Prof. Dr. Udo Nehren vom Institut für Technologie- und Ressourcenmanagement in den Tropen und Subtropen (ITT) der TH Köln geleitet. Projektpartner ist die lokale Umweltorganisation Reserva Ecológica de Guapiaçu (REGUA). Das Vorhaben wird vom Programm IKI Medium Grants der Internationalen Klimaschutzinitiative (IKI) über einen Zeitraum von drei Jahren mit knapp 800.000 Euro gefördert. Die IKI fördert seit 2020 Nord-Süd-Kooperationen, die zusammen mit zivilgesellschaftlichen Akteur*innen vor Ort innovative Beiträge zur Umsetzung des Pariser Klimaschutzabkommens und des Übereinkommens über die biologische Vielfalt leisten. Verantwortet wird die IKI vom Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, nukleare Sicherheit und Verbraucherschutz, dem Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz sowie dem Auswärtigen Amt.
Januar 2025