Regeneratives Wirtschaften und sozial-ökologischer Wandel: Stipendiat*innen präsentieren Ergebnisse
Braunalgen als Ressource statt Plage, Optimierung der Nachhaltigkeit beim Igus Bike sowie gemeinschaftlich genutzte Ressourcen als Ansatz für ein neues Gemeinwesen – neun Studierende der TH Köln und der Hochschule Bonn-Rhein-Sieg (H-BRS) haben zum Abschluss des Stipendiums „Regeneratives Wirtschaften und sozial-ökologischer Wandel“ ihre Ergebnisse vorgestellt.
Das Stipendienprogramm ist eine gemeinsame Initiative der beiden Hochschulen sowie des VDI Kölner Bezirksvereins e.V. und der Organisationsberatung rethinking organisations. Die Gothaer Stiftung und der VDI unterstützten das Projekt mit jeweils 15.000 Euro.
„Die Studierenden haben sich neben dem Studium über mehrere Monate intensiv mit ihrem Thema auseinandergesetzt. Durch den interdisziplinären Austausch, das Denken in Prozessketten und den Praxisbezug der Aufgabenstellung haben sie erste Kenntnisse im Projektmanagement und in der angewandten Forschung erworben“, sagt Prof. Dr. Sigrid Leitner vom Lehrstuhl für Soziale Arbeit/Sozialpolitik der TH Köln.
Prof. Dr. Stefanie Meilinger vom Internationalen Zentrum für Nachhaltige Entwicklung der Hochschule Bonn-Rhein-Sieg ergänzt: „Alle geförderten Teams haben eindrucksvoll gezeigt, wie wertvoll die Integration unterschiedlicher fachlicher Perspektiven aus den Ingenieur-, Wirtschafts- und Sozialwissenschaften für die Bearbeitung eines komplexen Themas ist. Eine gemeinsame Arbeitssprache zu finden, unterschiedliche Herangehensweisen zusammenzuführen und daraus einen Lösungsweg zu entwickeln – diese Kompetenzen werden im weiteren Studium und vor allem im Berufsleben sehr hilfreich sein.“
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Zum Abschluss des Stipendiums „Regeneratives Wirtschaften und sozial-ökologischer Wandel“ präsentierten die drei Studierendenteams ihre Ergebnisse. Das Stipendienprogramm ist eine gemeinsame Initiative der TH Köln und der Hochschule Bonn-Rhein-Sieg sowie des VDI Kölner Bezirksvereins e.V. und der Organisationsberatung rethinking organisations. (Bild: Hochschule Bonn-Rhein-Sieg/Pascal Schröder)
Ein Team beschäftigte sich mit der Materialentwicklung, der Ökobilanz und der gesellschaftlichen Akzeptanz des Igus Bikes. Das Fahrrad besteht komplett aus Kunststoff, rund 50 Prozent der Bauteile werden derzeit aus recyceltem Kunststoff hergestellt. (Bild: Hochschule Bonn-Rhein-Sieg/Pascal Schröder)
Braunalgen – von der Plage zum Rohstoff
Das erste Team stellte seine Potenzialanalyse zur Nutzung von Braunalgen in der Karibik vor. Ausgehend von der Betrachtung der sozialen, politischen und wirtschaftlichen Risiken sowie der Chancen, die sich aus der Algenschwemme für die betroffenen Länder ergeben, entwickelten die Studierenden eine Prozesskette: von der Ernte der Algen über die Aufbereitung und Produktgewinnung sowie den Verkauf bis hin zur energetischen Nutzung der Restbiomasse. Dabei wurden die spezifischen Herausforderungen in allen Prozessschritten erläutert und abschließend Empfehlungen in vier Bereichen formuliert: Förderung der gesellschaftlichen Akzeptanz durch Öffentlichkeitsarbeit, Stärkung der regionalen Kooperation, Intensivierung der internationalen Zusammenarbeit und Schaffung nachhaltiger Kapazitäten zur Sammlung, Aufbereitung und Lagerung der Algen.
Igus Bike: Materialentwicklung, Ökobilanz und gesellschaftliche Akzeptanz
Das zweite geförderte Studierendenteam beschäftigte sich mit dem Igus Bike. Das Fahrrad besteht nahezu vollständig aus Kunststoff, die Hauptkomponenten werden derzeit zu 50 Prozent aus recyceltem Material hergestellt. Zunächst widmete sich das Team der Materialentwicklung, um die Recyclingquote zukünftig weiter steigern zu können. Hierfür wurde unter anderem eine Materialdatenbank mit geeigneten Kunststoffen für den Verbau im Rahmen des Fahrrads angelegt. Mit Hilfe des so genannten Life Cycle Assessment betrachteten die Studierenden die Ökobilanz, indem sie die Kohlendioxid-Emissionen über den gesamten Lebenszyklus analysierten und die Werte des Igus Bikes mit denen eines typischen Fahrrads aus Aluminium und Stahl verglichen. Abschließend wurden die Einstellungen, Meinungen und Bedenken der Zielgruppe gegenüber Fahrrädern aus recyceltem Kunststoff in acht qualitativen Interviews und durch eine quantitative Befragung mit 130 Interview-Partner*innen untersucht. Zentrale Ergebnisse: Bedenken wurden hinsichtlich der Stabilität und Haltbarkeit geäußert. Als positive Aspekte wurden die Nachhaltigkeit des Materials und das auffällige Design genannt. Die entscheidenden Kaufkriterien sind Preis, Qualität, Stabilität, Design und Gewicht.
Gemeinwesen neu denken
Das dritte Studierendenteam setzte sich mit Commons – gemeinschaftlich genutzten Ressourcen wie Wikipedia, Wälder, Energieerzeugung und -nutzung oder öffentlicher Raum auseinander. Im Mittelpunkt stand die Frage, wie die Perspektive der Commons zukunftsfähige Kooperationen zwischen der öffentlichen Hand und selbstorganisierten Initiativen fördern kann. Einen möglichen Ansatz dazu erarbeitete die Projektgruppe mit dem Konstrukt der Commons-public-partnerships als Rechtsinstrument. Im Rahmen von Interviews mit vier lokalen Gruppen aus Köln, Bonn und Bergisch Gladbach sowie Mitarbeitenden der Stadt Köln erhielten die Studierenden praxisorientierte Einblicke in die Chancen und Herausforderungen von potenziellen Kooperationen. Um die Akteure zu vernetzen und den Austausch zu fördern, organisierte das Projektteam eine Veranstaltung mit rund 30 Teilnehmenden. Weitere Maßnahmen zur Wissensvermittlung waren die Teilnahme am diesjährigen „Tag des guten Lebens“ in Köln sowie die Einrichtung eines eigenen Instagram-Kanals (www.instagram.com/meinsbeziehungsweisedeins/).
Stipendienprogramm dauerhaft etablieren
„Die positiven Erfahrungen bei den Studierenden, den betreuenden Professor*innen der beiden Hochschulen sowie bei den beteiligten Partnern aus Wirtschaft, Kommunen und internationalen Organisationen bestärken uns in dem Wunsch, das Stipendium auch zukünftig durchzuführen. Dazu sind wir im Austausch mit neuen potenziellen Förderern“, erklärt Suanne Weisheit, Mentorin des Stipendiums und Gründerin von rethinking organisations.
Über das Stipendium
Die neun Stipendiat*innen erhielten jeweils 500 Euro monatlich, die Förderdauer betrug sechs Monate. Die Projektgruppen wurden von Professor*innen beider Hochschulen begleitet. Seitens der TH Köln waren Wissenschaftler*innen der Lehrstühle Landmaschinentechnik, Soziale Arbeit und Kreislaufwirtschaft beteiligt. Die Forscher*innen der H-BRS sind an den Lehrstühlen Digitalisierung/KI und Nachhaltige Ingenieurwissenschaften angesiedelt. Der VDI Bezirksverein Köln und rethinking organisations engagieren sich im Bereich Kreislaufwirtschaft und die Gothaer Stiftung unterstützt Forschung und Lehre zu gesellschaftlich relevanten Entwicklungen wie Klima- und Umweltschutz.
Dezember 2024