Rechtsextremismus, Neue Rechte und Rechtspopulismus in den Arbeitsfeldern der Sozialen Arbeit
Ca. 100 Teilnehmer*innen verschiedener Hochschulen und Einrichtungen der Sozialen Arbeit haben sich am 16.09.2020 im Rahmen einer Online-Tagung zu den Fragen ausgetauscht, inwieweit es Versuche der Neuen und extremen Rechten gibt, Einfluss auf die Soziale Arbeit zu nehmen. Zu der Fachtagung hatte das Institut für interkulturelle Bildung und Entwicklung der TH Köln eingeladen.
Nachdem die Fachtagung „Rechtsextremismus, Neue Rechte und Rechts-populismus in den Arbeitsfeldern der Sozialen Arbeit“ am 12. März 2020 aufgrund der Corona-Pandemie ausfallen musste, konnte sie nun am 16. September 2020 in einem digitalen Format nachgeholt werden.
Zu den Teilnehmenden zählten zahlreiche Vertreter*innen aus Hochschulen, Studierende sowie Mitarbeitende in verschiedenen Kontexten der Sozialen Arbeit, darunter Jugendämter, Wohlfahrtsverbände, Jugendeinrichtungen oder Beratungsstellen. Durch die Mischung der verschiedenen Professionen und die große Reichweite der Tagung – die Teilnehmenden kamen aus ganz Deutschland – wird deutlich, welch großer Bedarf besteht, sich auszutauschen, vernetzen und gemeinsam darüber zu reflektieren, in welcher Weise auch die Soziale Arbeit ein Einfallstor für neurechte und extrem rechte Akteur*innen sein kann und wie sie sich auf institutioneller, individueller und professionsspezifischer Ebene dagegen zur Wehr setzen kann.
Die Moderatorin Berena Yogarajah führte den gesamten Tag durch die verschiedenen Vorträge, Austauschgruppen und Arbeitsgruppen und bündelte die wesentlichen Erkenntnisse zum Ende des Tages.Ausgangspunkt der Tagung bildet die Feststellung, dass seit einigen Jahren in Deutschland wie in ganz Europa ein Erstarken extrem rechter Positionen zu beobachten ist. Weil Soziale Arbeit immer in gesellschaftliche Entwicklungen eingebunden ist und aus diesen hervorgeht, stellt sich die Frage, ob sich auch im sozialen Bereich bereits Angebote oder Einflussnahmen des Rechtsextremismus, der Neuen Rechten oder des Rechtspopulismus finden. Nach einem einleitenden Grußwort durch Dekan Prof. Dr. Gerd Sadowski bildete ein Vortrag von Christoph Gille (HS Koblenz) und Birgit Jagusch (TH Köln), den inhaltlichen Auftakt der Tagung, in dem die wesentlichen Erkenntnisse aus einem explorativen Forschungsprojekt zur „Neuen Rechten in der Sozialen Arbeit“ vorgestellt wurden. Eine zentrale Erkenntnis besteht darin, dass es landesweit in sehr unterschiedlichen Handlungsfeldern der Sozialen Arbeit Landnahmeversuche gibt und Akteur*innen bzw. Einrichtungen der Sozialen Arbeit in ihren Tätigkeiten angegriffen werden. Weiterhin wurde in der Studie deutlich, dass Rassismus das zentrale Narrativ ist, das viele der Angriffe kennzeichnet
Nach einer Nachfragerunde folgten die Vorträge von Younes Alla und Nils Wenzler (TH Köln) zu „Schwerpunkte, Entwicklungen und Herausforderungen der Mobilen Beratung gegen Rechtsextremismus in NRW“ und von Stephan Bundschuh (HS Koblenz) und Michael Müller (DJI) zum Thema „Förderung von Sensibilität gegenüber rassistischen und verwandten Ausgrenzungsmustern in Kindertageseinrichtungen in Rheinland-Pfalz“. In Hinblick auf die Arbeit der Mobilen Beratungen lässt sich bilanzieren, dass die Auswertung der Beratungsanfragen ein Spannungsfeld offenbart, das sich zwischen den Polen „Krisenintervention“ – „Bedarf an Input und Wissensvermittlung“ – sowie „Aufbau langfristiger Netzwerke und Organisationsentwicklung“ aufspannt. Gleichzeitig offenbart sich die zentrale Rolle der MBR in NRW als Ansprechpartner*innen, die wertvolle Beiträge in der Arbeit gegen die extreme Rechte leisten.
Für die Studie über Ausgrenzungsmuster in Kindertageseinrichtungen kann festgehalten werden, wie wichtig die Weiterentwicklung von Konzepten und Materialien zur diskriminierungssensiblen und rassismuskritischen Pädagogik in Kitas ist, um Kompetenzen der Fachkräfte zu verstärken und insbesondere auch die Erfahrungen von Rassismus und Diskriminierung ernst zu nehmen.
Downloads
- Bundschuh/Müller Forschungsbericht (pdf, 3 MB)
- Strategien der neuen Rechten in der sozialen Arbeit – Konsequenzen für die Praxis (pdf, 416 KB)
- Die Neue Rechte in der Sozialen Arbeit in NRW (pdf, 2 MB)
- Gesellschaftliche Bedrohung von Rechts (pdf, 8 MB)
- Die Neue Rechte in der Sozialen Arbeit in NRW - PP (pdf, 637 KB)
- Gesellschaftliche Bedrohung von Rechts (pdf, 5 MB)
- Menschenfeindliche Haltungen unter Studierenden der Sozialen Arbeit (pdf, 1 MB)
Die Vorträge stehen auf dieser Seite als Videos sowie die Präsentationen/Studien als Download zur Verfügung.
Im Anschluss an die Vorträge diskutierten die Teilnehmenden in Murmelgruppen zu den Kernaussagen und Implikationen in ihren eigenen unterschiedlichen Handlungsfeldern.
Nach der Mittagspause hatten die Teilnehmenden am Nachmittag Gelegenheit, sich zu fünf Schwerpunktthemen vertieft in Kleingruppen auszutauschen. Die Themen lauteten
- „Strategien der Neuen Rechten in der Sozialen Arbeit - Konsequenzen für die Soziale Arbeit“ mit Stephan Woßmann (AK Ruhr),
- „Studierende mit menschenfeindlichen Einstellungen“ mit Julia Besche (HS Holzminden),
- „Arbeit mit rechtsorientierten Jugendlichen“ mit Thomas Schirmer (VIR),
- „Perspektiven von, durch extrem rechte Gewalt betroffene Menschen: Konsequenzen für die Soziale Arbeit“ vorgetragen und moderiert von Jennifer Shamu und Fabian Reeker (Opferberatung Rheinland) und „Rassismus und Frühpädagogik“ mit Stephan Bundschuh und Michael Müller.
Die Arbeitsgruppen waren durchweg geprägt von informativen Präsentationen, einem interessiertem Miteinander und hochaktuellen Debatten.
Die in der abschließenden Runde geäußerten Wünsche nach Vernetzung und der rege Austausch der Teilnehmer*innen zeigen, wie wichtig solche Fachtagungen für die Professionsentwicklung der Sozialen Arbeit sind. Die Fachtagung kann hierbei nur den Auftakt darstellen und konnte eine Hilfestellung zum Weiterdenken in den unterschiedlichsten Bereichen der Praxis bieten. Die Fakultät für Angewandte Sozialwissenschaften begrüßt das Signal der Teilnehmenden, sich auch weiterhin mit Fragen der Instrumentalisierung Sozialer Arbeit durch die Neue und extreme Rechte auseinanderzusetzen und nach Lösungen zu suchen. Im Rahmen von Lehrveranstaltungen, Vorträgen innerhalb der Reihe Diversity Welcome oder auch weiteren Fachtagungen werden in den nächsten Monaten Themen vertieft und weiter behandelt.
Bericht: Corinna Schwab/Birgit Jagusch
September 2020