Promotion: Mit Mathe die Welt verändern

Samineh Bagheri (Bild: Thilo Schmülgen/TH Köln)

Samineh Bagheri hat schon als Masterstudentin am Campus Gummersbach Preise abgeräumt. Jetzt arbeitet die aus dem Iran stammende Informatikerin an ihrer Promotion. Und die dreht sich, wie immer bei ihr, um die Optimierung von Prozessen in der Industrie.

Ein böhmisches Dorf ist für die meisten Menschen wohlvertrautes Terrain, verglichen mit der
Welt, in der Samineh Bagheri arbeitet. Mithilfe mathematischer Modelle einen selbstlernenden Algorithmus entwickeln, der hochkomplexe Optimierungsprobleme dramatisch vereinfacht?
Die junge Wissenschaftlerin hat das schon als Masterstudentin getan und dafür unter anderem den Preis des Deutschen Akademischen Austauschdienstes für herausragende ausländische Studierende gewonnen. Jetzt arbeitet Bagheri an ihrer Promotion. „Die wird noch etwas theoretischer“, sagt sie fast entschuldigend.

Das Internet, Google – hinter all diesen Dingen steckt eine mathematische Struktur.

Das Thema aber ist eng verwandt mit ihrer bisherigen Forschungsarbeit, und die hat durchaus einen Bezug zur Praxis, den jeder nachvollziehen kann. Wenn beispielsweise ein Autohersteller ein neues Modell entwickelt, bei dem das Chassis leichter werden, aber mindestens genau so sicher wie der Vorgänger sein soll, dann kann er die unterschiedlichsten Prototypen herstellen und vor die Wand fahren. Dass solche Crashtests teuer sind, ist klar.

Billiger wird es, wenn man die Unfälle mit verschiedenen Auto-Designs nur virtuell simuliert.
„Solche Simulationen sind normalerweise sehr zeitaufwendig. Für die Evaluation eines einzigen Designs braucht man etwa 24 Stunden, und ursprünglich waren Millionen Evaluationen notwendig“, erklärt die Informatikerin.

Samineh Bagheri Samineh Bagheri (Bild: Thilo Schmülgen/TH Köln)

Bisherige Verfahren haben die Gesamtdauer eines solchen Tests auf etwa einen Monat reduziert. „Das ist okay, aber das kann noch besser werden“, sagt Bagheri. Dass es noch besser wird, ist Ziel der weiteren Studien, bei denen sie eng mit Prof. Dr. Wolfgang Konen zusammenarbeitet. Er hatte auch schon ihre Masterarbeit betreut und dabei das außerordentlich hohe Niveau ihrer Leistungen kennengelernt.

Nun also arbeitet sie am Institut für Informatik und treibt die Dissertation voran, die sie im September 2015 begann und die in gut drei Jahren fertig sein soll. In weiteren Studien will die junge Iranerin die Vor- und Nachteile ihres selbstlernenden Algorithmus identifizieren. Dabei entwickelt sie neue Ideen nicht nur mit Prof. Konen, sondern auch mit internationalen Kollegen, mit denen sie alle zwei Wochen per Skype konferiert.

Die Basis für all das ist eben Mathematik. Ein Fach, das die Informatikerin immer begeistert hat: „Das Internet, Google – hinter all diesen Dingen steckt eine mathematische Struktur Mathematik erklärt die Natur, und mit Mathematik können wir die ganze Welt verändern!“ Die Idee von der weiteren Karriere ist recht klar: In der Forschung bleiben. An welchem Ort dieser Welt, ob an einer Hochschule oder einem unabhängigen Institut, ist für Samineh Bagheri nachrangig. Hauptsache, sie kann dort auf ihrem Fachgebiet weiterarbeiten.

„Mein Thema ist ein hot topic in den USA, aber auch in Europa, vor allem der Schweiz und Deutschland“, sagt die Forscherin, die schon als Kind einen wohl eher ungewöhnlichen Berufswunsch für ein kleines Mädchen im Iran hatte: „Ich wollte Astronautin werden!“

Im Iran hatte sie keine Probleme, wie man sie sich hier zu Lande dem Klischee nach vorstellen mag. Sie konnte die Schule abschließen und studieren, ohne irgendwelche Hindernisse. Nur später auf dem Arbeitsmarkt und im Berufsleben mit Männern, da hätte es wahrscheinlich doch Probleme gegeben, meint die junge Frau. Umso mehr wünscht sie sich, dass mehr Mädchen als bisher im Iran eine akademische Laufbahn einschlagen können und sich für technische Berufe entscheiden. Schließlich sei ja auch Fakt: „Bei den Aufnahmeprüfungen sind die Mädchen oft die Besten!“

In ihrem Heimatland, wo sie ihr Studium im Jahr 2011 zunächst mit dem Bachelor in „Electrical Engineering“ abschloss, engagierte sie sich auch für Kinder und benachteiligte Einwanderer aus Afghanistan. Seit vier Jahren ist sie nun selbst eine Einwanderin in Deutschland. Eine, die sich sehr wohlfühlt. „Ich kannte natürlich Gummersbach nicht. Aber ich fand den Masterstudiengang hier sehr gut, und deshalb bin ich hergekommen. Alles ein bisschen zufällig, aber es ist sehr, sehr toll.“

Text: Werner Grosch

September 2016

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