Promotion: Den Fälschern auf der Spur

Mit raffinierten Tricks stellen Kunstfälscher Meisterwerke her, die es nie gegeben hat. Die US-Amerikanerin Samantha Skelton will in ihrer Promotion u.a. untersuchen, wie sich echte und imitierte Alterungsspuren auf zeitgenössischen Gemälden genau unterscheiden.

In der Öffentlichkeit wurde der Fall Wolfgang Beltracchi dargestellt als filmreifes Gentleman-
Gaunerstück eines sympathischen Kunstfälschers. Auktionshäuser und Sammlern hat es vor allem eins gekostet: viel Geld. Denn bei der Begutachtung der Echtheit angeblich verschollener Gemälde von Max Ernst oder Heinrich Campendonk hatte man sich ausschließlich auf die kunsthistorische Analyse verlassen und über lange Zeit keine naturwissenschaftlichen Untersuchungen hinzugezogen.

Ich finde es spannend, in einem internationalen Netzwerk zu lernen, wie man forscht (Samantha Skelton)

Die Enthüllung der Beltracchi-Fälschungen war ein Erdbeben in der Kunstwelt, das im Nachhinein auch sein Gutes hat. Künstler, Museen, Kunsthistoriker, Auktionshäuser und Kunsttechnologen müssen sich nun stärker auseinandersetzen mit den Tücken des Kunstmarktes. Denn der ist voll von vermeintlich verschollenen oder bisher unbekannten Werken. Das EU-Projekt New Approaches in the Conservation of Contemporary Art will die Interkation zwischen den einzelnen Interessensgruppen unterstützen – nicht nur innerhalb Europas.

Samantha Skelton Samantha Skelton (Bild: privat)

Samantha Skelton ist für ihre Promotion von Houston, Texas, nach Köln gezogen. In dem Projekt sieht sie für sich eine große Chance: „Ich finde es spannend, in einem internationalen Netzwerk zu arbeiten und gemeinsam zu lernen, wie man forscht.“ Nach einem Bachelor der Kunstgeschichte hat sie einen Master in Konservierungswissenschaften an der University of Delaware absolviert. Jetzt widmet sie sich der Rolle ihres Fachgebiets bei der Authentifizierung moderner und zeitgenössischer Kunst. Denn ganz so einfach ist es nicht, wie das Gerichtsurteil im Fall Beltracchi glauben lässt.

Justiz fordert einheitliche Standards
In juristischen Auseinandersetzungen über Echtheit oder Fälschung von Gemälden werden Gutachterinnen und Gutachter nach den Standardmethoden einer naturwissenschaftlichen Untersuchung gefragt. „Die gibt es bisher nicht“, sagt Prof. Dr. Gunnar Heydenreich, der Samantha Skeltons Arbeit am Institut für Restaurierungs- und Konservierungswissenschaft (CICS) betreut. „Und wenn es sie geben und diese öffentlich gemacht werden würden, wäre das fatal: Fälscher könnten ihre Arbeiten genau auf diese Untersuchungen hin anpassen.“ Wolfgang Beltracchi tat das ebenfalls: Er fertigte seine Fälschungen so an, dass sie einer Prüfung unter anderem durch die Röntgenanalyse standhalten sollten. Er ließ angeblich sogar Farben von einem Labor prüfen, bevor er sie verwendete. Bilder aus der Renaissance oder dem Barock sind leichter zu analysieren. In früheren Jahrhunderten wurden die Farben noch individuell von Hand gemischt. Mit teilweise giftigen Substanzen, die in dieser Modifi kation schon seit Jahrzehnten nicht mehr im Handel sind. Eine Analyse mit einer Raman- oder Röntgenfluoreszenzanalyse bringt hier oft bereits die Täuschung ans Licht.

Gebacken oder natürlich gealtert?
Doch je jünger die Epoche, umso schwieriger wird ein eindeutiges Urteil. Denn seit den
1940/50er Jahren werden Farben und Materialien industriell in großem Maßstab gefertigt. Sie sind für alle frei verfügbar und damit schwerer unterscheidbar. „Man kann jetzt ein Gemälde von 1984 kopieren – vom Alterungsprozess abgesehen haben sich die heutigen Farben gegenüber den damaligen kaum geändert“, sagt Samantha Skelton. Doch wie lässt sich feststellen, ob das Bild echt oder im Backofen entstanden ist?

Man muss zum Profiler werden. Im Sherlock-Holmes-Stil wird sie die verschiedenen Techniken
ausprobieren, um künstliche Alterungsprozesse herzustellen. Ob man trotzdem Unterschiede zu den Originalen nachweisen kann? Um zu klären, wie sich Öle, Pigmente und Malgründe echt und künstlich verändern, wird Samantha Skelton eng mit zwei US-amerikanischen Museen zusammenarbeiten: dem Brooklyn Museum und dem Fine Arts Museums of
San Francisco. Beide bieten Fallbeispiele an, bei denen die üblichen Vorgehensweisen der Echtheitsprüfung fehlgeschlagen sind.

Neben der Studie zu den aktuellen Untersuchungsmethoden will Skelton auch die Rolle
der Kunsttechnologen und Restauratoren in dem Untersuchungsprozess defi nieren. Fakt ist, dass man sich vor Gericht auch nicht alleine auf naturwissenschaftliche Materialanalysen stützen kann. „Wir können zwar häufig belegen, warum ein Gemälde nicht aus der besagten Zeit stammt“, sagt Heydenreich. „Aber es könnte durchaus sein, dass der Künstler sein Werk später überarbeitet, signiert und datiert hat. Ernst Ludwig Kirchner beispielweise hat seine älteren Bilder oft nachträglich verändert.“

Der Sumpf des internationalen Kunstfälschermarkts kann also nur trocken gelegt werden,
wenn Händler, Galerien, Kunsthistoriker und Restauratoren bei den Untersuchungen an einem Strang ziehen. Das Auktionshaus Lempertz zumindest hat aus den Erfahrungen gelernt. Als Projektpartner unterstützt es Samanta Skeltons Promotionsarbeit.

EU fördert Konservierungswissenschaften
Mit rund 3,8 Millionen Euro fördert die EU die Konservierungswissenschaften: Im Marie-Curie-Innovations-Ausbildungsprogramm New Approaches in the Conservation of Contemporary Art (NACCA) forschen europaweit 15 Doktorandinnen und Doktoranden gemeinsam an neuen Lösungen zu Erhaltung, Präsentation und Authentizität moderner und zeitgenössischer Kunst. Mit 516.000 Euro werden zwei Doktorandinnen bei Prof. Dr. Gunnar Heydenreich am Institut für Restaurierungs- und Konservierungswissenschaft gefördert: Marta Garcia Celma und Samantha Skelton. Es ist bereits das vierte Marie-Curie-Ausbildungsnetzwerk, an dem die TH Köln beteiligt ist.

Text: Monika Probst

September 2016

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