Prof. Dr. Tagay betreut erfolgreich Promotion über Allokationsverfahren für Lebertransplantationen
Aktuell betreut Prof. Dr. habil. Sefik Tagay mehrere Doktorand*innen der Universität Duisburg-Essen. Am 09.12.2020 hatte seine Doktorandin Frau Jenny Latuske (Medizinerin) ihr Rigorosum. Ihre Promotion zum Thema „Frailty als ergänzender Parameter im Allokationsverfahren für Lebertransplantationen“ wurde insgesamt mit der Note „magna cum laude“ (1) bewertet.
2019 wurden in Deutschland 776 Lebertransplantationen durchgeführt. Häufigste Indikation dafür war das chronische Leberversagen bei einer Leberzirrhose. Auch bei akutem Leberversagen, etwa durch eine Vergiftung, oder bei bösartigen Tumoren kann eine Lebertransplantation notwendig werden. Die Lebertransplantation gehört seit den 1980er Jahren zur Behandlung von terminalen Lebererkrankungen weltweit zur Methode der Wahl. Zur Einstufung der Schwere der Lebererkrankung wird der MELD-Score (MELD = Model of End Stage Liver Disease) verwendet, bei der ausschließlich physische Parameter berücksichtigt werden, die im Blut (wie Bilirubin und Serumkreatinin) bestimmt werden können. Der MELD-Score ist ein Instrument zur Abschätzung der Mortalität von Patient*innen im Endstadium einer Leberzirrhose. Mehrere Studien zeigten bereits, dass es neben dem MELD- Score auch andere Faktoren gibt, die die Mortalität vor und nach einer Lebertransplantationen beeinflussen können. Der MELD- Score zur alleinigen Einschätzung für das Allokationsverfahren wird daher zunehmend kontrovers diskutiert. Ein bereits in der Geriatrie bestehendes Konstrukt der „Frailty“ (Gebrechlichkeit) nach Fried (2001) bietet einen Ansatzpunkt, bei dem neben der Sarkopenie (Muskelschwund), ungewollter Gewichtsverlust, subjektive Erschöpfung/Antriebslosigkeit sowie langsame Gehgeschwindigkeit und geringe körperliche Aktivitäten eine Rolle spielen. Der sogenannte Frailty-Index erlaubt eine klinische Einschätzung von Patient*innen unabhängig von deren MELD-Score. Ob Frailty für eine Priorisierung der Patient*innen auf der Warteliste oder gegen eine Listung der Patient*innen spricht, ist empirisch noch lückenhaft.
In dem Promotionsprojekt von Jenny Latuske wurden 114 LTX-Patient*innen im Alter von 18 bis 69 (M=50,48 Jahre, SD= 12,53) Jahren in der Klinik für Allgemein-, Viszeral- und Transplantationschirurgie des Universitätsklinikums Essen untersucht. Die Patient*innen wurden im Durchschnitt 3 Monate vor und 8 Monate nach der Lebertransplantation mit einer umfangreichen Testbatterie untersucht. Die Ergebnisse zeigen, dass der MELD- Score und die Ausprägung der Frailty nicht miteinander korrelieren, d.h. ein hoher MELD bedeutet nicht automatisch ein hohes Maß an Gebrechlichkeit. Zudem deutet sich an, dass gebrechlichere Patient*innen eine niedrigere körperliche und psychische Lebensqualität sowie eine stärkere Depressivität und Ängstlichkeit aufweisen. Insgesamt liefern die Ergebnisse Hinweise darauf, dass Frailty über den MELD-Score hinaus wichtige Informationen über den Erfolg einer Lebertransplantation und das Wohlbefinden der Patient*innen liefern kann. Nach dem aktuellen Allokationsverfahren müssen auch sehr gebrechliche Patient*innen aufgrund eines niedrigen MELD teilweise lange auf eine Lebertransplantation warten, was die Wartelistenmortalität sowie das Outcome nach der LTX negativ beeinflussen kann. Es sollte demnach über ein neues Allokationsverfahren nachgedacht werden, bei dem nicht nur Blutparameter eine Rolle spielen. Auf Grundlage dessen bietet sich die Möglichkeit, Interventionsprogramme für stark gebrechliche Patient*innen zu entwickeln, um die Mortalität vor und nach einer Lebertransplantation zu verringern. Im geriatrischen Setting zeigen solche Interventionen bereits erste Erfolge.
Dezember 2020