Typisch Mann, typisch Frau? Prof. Dr. Margot Ruschitzka
„Ich glaube nicht, dass Männer immer nur geschmeidig durchs Leben gehen. Sie sind aber vielleicht eher bereit, sich neu zu definieren.“
In ihren Mathematikvorlesungen für die Studiengänge Fahrzeugtechnik und Mechatronik sucht Prof. Dr. Margot Ruschitzka derzeit vergeblich eine Studentin. Das Interesse für Ingenieurberufe sei bei vielen Frauen einfach nicht vorhanden. Über die Gründe kann Ruschitzka nur spekulieren: Gut möglich sei das gängige Klima und die Erwartungshaltung ständiger Verfügbarkeit, durch die viele Frauen Ingenieurberufe als wenig attraktiv wahrnehmen. Vielleicht fehlt es ihnen aber auch an klaren, persönlichen Zielen.
Seit 22 Jahren lehrt und forscht Margot Ruschitzka an der TH Köln, und leitet mit ihrem Mann Prof. Dr. Christoph Ruschitzka das CAD CAM Center Cologne am Institut für Fahrzeugtechnik. Mit acht wissenschaftlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern beraten sie Unternehmen bei der Integration virtueller Technologien in der Prozessentwicklung. Seltener als erhofft ergibt sich für Margot Ruschitzka dabei die Möglichkeit, eine Studentin oder Absolventin gezielt zu fördern. Nicht, weil sie nicht die erforderliche Leistungsstärke mitbringen. Vielmehr hätten die wenigen Frauen, die sich für ein Ingenieurstudium entscheiden, im Gegensatz zu ihren Kommilitonen meist keine berufliche Lebensplanung, die über das Studium hinausgehe.
„Wir müssen uns viel offensiver um Diversität bemühen“
„Dabei kann man als Ingenieurin vielfältiger und internationaler arbeiten als beispielsweise mit einem BWL- oder Informatikstudium. Gerade bei der anstehenden digitalen Transformation und den sich daraus bedingenden ethischen Anforderungen brauchen wir Fachkräfte mit empathischen Kompetenzen. Ich will diese Eigenschaft nicht ausschließlich Frauen zusprechen. Aber wir müssen uns viel offensiver um Diversität bemühen, damit nicht immer die gleichen Stereotypen und Sichtweisen eine Branche beherrschen.“
In den 1980er Jahren, während ihres Studiums der Mathematik und Informatik an der RWTH Aachen, lag der Frauenanteil bei rund 20 Prozent. Ähnlich war es später in der Industrie, wo Ruschitzka unter anderem als Berechnungsingenieurin und Prokuristin arbeitete. „Ich habe mich immer an den Rahmenbedingungen orientiert und mich kaum damit beschäftigt, ob ich aufgrund meines Geschlechts anders behandelt werde. Das hätte meine Energien nur von meinen eigentlichen Interessen und Zielen abgelenkt.“ Natürlich würde man als Frau in einer Runde schwerer Gehör finden, das hätte sich in den vergangenen 30 Jahren nicht geändert. Wenn man sich nicht wie ein Chamäleon anpasse, sondern den Schneid habe, andere Parameter zu setzen und auch Weiblichkeit zu zeigen, würde man täglich Pionierarbeit leisten – was ihr zwar Spaß macht, wofür sie allerdings auch Gegenwind kassiert hat. „Aber das ist in meinen Augen kein Gender-Problem, sondern symptomatisch für unsere Gesellschaft und für die wissenschaftlichen Strukturen, die Diversität noch nicht leben. Ich glaube nicht, dass Männer immer nur geschmeidig durchs Leben gehen. Sie sind aber vielleicht eher bereit, sich neu zu definieren.“
Für Ruschitzka ist die niedrige Frauenquote gerade in der Fahrzeugindustrie ein deutsches Phänomen – blickt sie sich auf internationalen Tagungen um oder in die Führungsetagen amerikanischer Automobilkonzerne. Ein familiäres Vorbild für MINT-Berufe hatte sie übrigens nicht. Sie war die erste Akademikerin in ihrer Familie. Geweckt wurde ihr Interesse mit 15 Jahren, als sie das Segelfliegen begann. Viele der anderen Segelflieger waren Ingenieure, man duzte sich altersunabhängig, wartete und schraubte gemeinsam an den Flugmaschinen. Für Ruschitzka ist es daher wichtig, bereits im Schulunterricht neue Akzente zu setzen bei Themen wie Entrepreneurship und Programmierung. „Auch wenn die Digital Natives mit Smartphones aufgewachsen sind, die Distanz zur Digitalisierung ist immer noch sehr groß.“
Juli 2019