Prof. Dr. Gesche Joost – Vordenkerin und Gestalterin der digitalen Transformation

Wer in Deutschland nach ExpertInnen für die Entwicklung der digitalen Gesellschaft sucht, kommt an Prof. Dr. Gesche Joost nicht vorbei. Die Alumna der Köln International School of Design ist Professorin für Designforschung an der Universität der Künste Berlin und darüber hinaus in vielfältiger Weise in Wissenschaft und Forschung, in der Wirtschaft und auch in Politik und Gesellschaft engagiert.

Porträt Gesche Joost Prof. Dr. Gesche Joost (Bild: privat)

Das Thema Digitalisierung zieht sich wie ein roter Faden durch Gesche Joosts Leben. Als Kind einer Schriftsetzerfamilie bekam sie hautnah mit, wie ihre Eltern den Familienbetrieb auf „digital“ umstellten – seinerzeit noch mit raumgroßen Maschinen. Und so erlebte die junge Gesche, wie ein echtes Handwerk ganz neu erfunden wurde. Die Wahl des Studiums erfolgte dann in der Familientradition, aber bereits unter den neuen, digitalen Vorzeichen: Die gebürtige Kielerin schrieb sich zum Studiengang Grafikdesign an der TH Köln ein. Hier bekam sie an der Köln International School of Design (KISD) bereits im ersten Semester und mehr oder weniger zufällig die Gelegenheit, Webseiten zu programmieren. Mit einer guten Portion Selbstvertrauen und fachlichem Können gründete Gesche Joost mit einer Kommilitonin ein Zwei-Frauen-Startup und hatte bald namhafte Firmen als Kunden. Das Studium hat sie natürlich ebenfalls erfolgreich absolviert. Die erste Station ihrer akademischen Laufbahn war für Gesche Joost prägend: „Wir waren in der KISD eine eingeschworene Gemeinschaft, die Profs waren toll und vermittelten uns nicht nur Fachwissen, sondern auch Selbstbewusstsein. Noch heute bin ich mit vielen KommilitonInnen und Lehrenden eng vernetzt, auch wenn viele über die Welt verstreut leben.“ Nach ihrem Diplom im Jahr 2001 studierte sie Rhetorik an der Universität Tübingen und promovierte dort über die „Grundzüge der Filmrhetorik“.

Arbeit in der Werkstatt Im Design Research Lab der Universität der Künster Berlin (Bild: privat)

Seit 2005 leitet Gesche Joost das „Design Research Lab“, eine Forschungseinrichtung, die es vorher so in Deutschland noch nicht gegeben hat: Interdisziplinär und mit internationalen Partnern entwickelt sie Forschungs- und Lehrprojekte zu den Themen Mensch-Maschine-Interaktion, zu Gender- und Diversity-Aspekten in der Technologie-Entwicklung sowie zur sozialen Nachhaltigkeit und gesellschaftlichen Partizipation. „Der Mensch soll immer im Mittelpunkt unserer Forschung stehen: Wie kann Technologie so eingesetzt werden, dass sie die Lebensbedingungen für uns verbessert?“, sagt Gesche Joost, die seit 2010 als Professorin für Designforschung an die Universität der Künste Berlin berufen wurde, wo seitdem auch das „Design Research Lab“ angesiedelt ist. Daneben ist Gesche Joost wissenschaftliche Direktorin am Deutschen Forschungszentrum für Künstliche Intelligenz, und leitet dort den Forschungsbereich “Interaktive Textilien”, der Dinge entwickelt wie vernetzte Pullover, die ihre TrägerInnen vor Rückenschmerzen schützen. „Das klingt heute noch wie Zukunftsmusik, aber in nicht allzu ferner Zukunft wird so etwas im Alltag eingesetzt“, erläutert sie die Perspektiven ihrer Arbeit.

Die erfolgreiche Forschung auf Gebieten, die auch heute noch für viele Menschen „Neuland“ sind, erfuhr schon früh Anerkennung: So wurde Gesche Joost 2006 als einer der „100 Köpfe von Morgen“ im Rahmen der Initiative der Bundesregierung „Deutschland – Land der Ideen“ ausgezeichnet, im Jahr 2009 erhielt sie den Nachwuchs-Wissenschaftspreis des Regierenden Bürgermeisters von Berlin. Die Bundesregierung sowie mehrere Landesregierungen berät sie zu Fragen der Digitalisierung und Zukunftsfähigkeit. Auch mit der Wirtschaft ist Gesche Joost über Aufsichtsratmandate verbunden, etwa bei SAP, der Unternehmensgruppe ottobock und der Direktbank ING Deutschland. Sie ist Vorsitzende der Deutschen Gesellschaft für Designtheorie und -forschung e.V. und Vorstandsmitglied der Studienstiftung des deutschen Volkes.

Ein besonderes Anliegen ist Gesche Joost die Arbeit der gemeinnützigen Gesellschaft Calliope, die sie 2016 mitgegründet hat: „Unser Ziel ist es, dass alle Kinder schon ab der Grundschule kreativ und spielerisch lernen, wie die digitale Welt funktioniert.“, so Gesche Joost. Der Calliope Minicomputer ist inzwischen an mehr als 1.000 Schulen in ganz Deutschland im Einsatz, die Software ist als Open Source frei im Netz verfügbar. Da stellt sich die Frage: Wie bringt man das alles unter einen Hut? „An Schlaf lasse ich es nicht fehlen“, sagt Gesche Joost mit einem Schmunzeln: „Natürlich gibt es überall Brückenschläge zwischen den verschiedenen Themenfeldern. Aber vor allem geben mir die Dinge, die ich mache, Energie und die Aufgaben beflügeln mich.“

Mai 2021

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