Typisch Mann, typisch Frau? Prof. Dr. Frank Linde
„Unsere Interessen sind stärker sozialisiert als unsere Fähigkeiten.“
Eigentlich liegt der Anteil der Studentinnen in der Fakultät für Informations- und Kommunikationswissenschaften bei knapp 74 Prozent. Doch im neu eingeführten Bachelorstudiengang Data and Information Science sind es gerade mal zehn Prozent. „Was bestimmt am Namen liegt“, meint Prof. Dr. Frank Linde, der an der Fakultät zu Informationsökonomie und diversitätsgerechtes Lehren und Lernen forscht.
Für ihn ist vor allem das Elternhaus prägend für die Berufswahl. Nicht nur durch das, was man sagt, sondern vor allem, was Eltern selbst vorleben. „Unsere Interessen sind stärker sozialisiert als unsere Fähigkeiten, die weitaus stabiler sind. Durch die Auseinandersetzung mit dem Stoff können sich unsere Interessen auch ändern.“ Sprich: Die Begriffe „Data“ und „Information Science“ suggerieren technische Inhalte und sind daher nach wie vor männlich konnotiert. Weshalb das Interesse der Frauen erst einmal deutlich geringer ist als an den Studiengängen Markt- und Medienforschung oder Bibliotheks- und Informationswissenschaften – obwohl man dort ebenfalls mit großen Daten- und Informationsmengen arbeitet.
In seinen Seminaren setzt Linde die Arbeitsgruppen möglichst heterogen zusammen, mixt Geschlecht und kulturelle Herkunft. Gerade zu Semesteranfang versucht er mit Fragen ein Gefühl für die Diversität der Studierenden zu bekommen. „Man kann diskriminierende oder interessierte Fragen stellen, also: Wer wohnt im Umkreis von 10 km, welche akademische Laufbahn haben die Eltern, wer spricht mehr als zwei Sprachen und wessen Erstsprache ist nicht Deutsch?“
Expertisezirkel Genderkompetenz
Linde ist Mitglied im Expertisezirkel Genderkompetenz unserer Hochschule. Dort arbeitet er gerade mit an einem Steckbrief über Gender-Phänomene und Tipps, diese aufzubrechen. Zum Beispiel, wie man heterogene Arbeitsgruppen zusammensetzt. Oder in Literaturverzeichnissen die Vornamen immer ausschreibt, um deutlich zu machen, wie viele Frauen wissenschaftlich forschen. „Gerade bei Artikeln, die kein soziales oder kulturelles Thema behandeln, denkt man doch automatisch an einen männlichen Autor. Es fehlt die Sichtbarkeit in den Details.“ Deshalb ist Linde auch für das sprachliche Gendern. „Ich will keine unleserliche Sprache, aber vielleicht sollten wir mal ein Jahr das Experiment der weiblichen Form ausprobieren, wie an der Uni Leipzig. Und dann schauen, wie es uns Männern dabei geht, ‚Herr Professorin‘ genannt zu werden. Das wäre sicher eine interessante Selbststudie.“
Juli 2019