Fakultät für Angewandte Sozialwissenschaften

TH Köln
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Prof. Dr. Birgit Jagusch

Angewandte Sozialwissenschaften
Institut für Migration und Diversität (MIDI)

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Politische Bildung migrantisierter Jugendlicher: Expertise zum 16. Kinder- und Jugendbericht

Prof*in Dr. Birgit Jagusch konnte im Rahmen der Erstellung einer Expertise zum Thema „Politische Jugendbildung in und durch Vereine von jungen Menschen mit Migrationsgeschichte“ zu den Ergebnissen des 16. Kinder- und Jugendberichts, der unter dem Motto „Förderung demokratischer Bildung im Kindes- und Jugendalter“ steht und am 11.11.2020 von Bundesministerin Giffey vorgestellt wurde, beitragen.

Der über 600 Seiten starke Bericht bündelt die Erkenntnisse zu Fragen der (politischen) Partizipation, Demokratiebildung und verschiedenen Formen jugendlichen Engagements. Kern des 16. Kinder- und Jugendberichts ist die Untersuchung der Frage, in welcher Weise und in welchen Formen sich junge Menschen beteiligen, Praxen demokratischer Bildung ausüben und welchen Stellenwert politische Bildung für junge Menschen hat. Dabei legt der Bericht auch einen Fokus auf Aspekte von Diversität und Heterogenität im Kontext politischer Bildung. In diesem Kontext ist eine zentrale Fragestellung, in welcher Weise sich junge Menschen mit Migrationsgeschichten und junge Menschen of Color beteiligen, eigene Wege des Engagements finden und welche Hürden dem Engagement entgegen stehen.

 16. Kinder- und Jugendbericht Förderung demokratischer Bildung im Kindes- und Jugendalter 16. Kinder- und Jugendbericht Förderung demokratischer Bildung im Kindes- und Jugendalter (Bild: BMFSFJ)

Hier setzt die Expertise von Prof.*in Dr. Birgit Jagusch ein und exploriert die Beiträge von Vereinen von jungen Menschen mit Migrationsgeschichten und jungen Menschen of Color (VJM) zur außerschulischen politischen Bildung in Deutschland. Die Expertise wurde in Auftrag gegeben durch die Sachverständigenkommission zur Erstellung des 16. Kinder- und Jugendberichts. Ziel ist es, exemplarisch erste Einblicke in die Beiträge, die durch junge Menschen mit Migrationsgeschichten bzw. BPoC und im institutionalisierten Kontext durch Vereine von jungen Menschen mit Migrationsgeschichten (VJM) für die politische Jugendbildung gegeben werden, zu skizzieren. Die Expertise bezieht sich insofern einzig auf das Feld der außerschulischen Jugendarbeit und den dort versammelten Aktivitäten und betritt aufgrund der Tatsache, dass zu diesem Themenfeld bislang keinerlei Vorarbeiten vorliegen, seien es wissenschaftliche Studien oder Praxisforschungsprojekte, Neuland. In einer postmigrantischen Gesellschaft ist es notwendig, die Ein- und Ausschlüsse innerhalb der Arenen der außerschulischen Jugendarbeit und politischen Bildung zu betrachten und nach Wegen zu suchen, wie Barrieren und Exklusionen verhindert werden können. Wie, wo und womit werden junge Menschen unter diversitätsspezifischen Gesichtspunkten von der politischen Jugendbildung erreicht und wer ist bislang noch nicht ausreichend berücksichtigt? Wie verändern sich die Themen und inhaltlichen Schwerpunkte der politischen Jugendbildung in einer postmigrantischen Gesellschaft? Wie kann es gelingen, Diversitätssensibilität von einer deklamatorischen Rhetorik in der Praxis der politischen Jugendbildung zu verankern? Welche Träger von Maßnahmen und Angeboten der politischen Jugendbildung existieren aktuell in Deutschland und wie werden diese in den Fachdiskursen auf wissenschaftlicher und politischer Ebene anerkannt, gesehen und gehört? Dies sind nur einige der Fragen, die sich aus einer diversitätssensiblen Perspektive an die politische Jugendbildung stellen. 

Auf Basis einer Dokumentenanalyse, die mittels inhaltsanalytischer Verfahren ausgewertet wurde, lassen sich bilanzierend 5 Punkte zusammenfassen:

  • VJM sind Träger von Maßnahmen der Politischen Jugendbildung aber die vielfältige Projektelandschaft spiegelt sich noch nicht im Fachdiskurs wider
  • Die Praxis der politischen Jugendbildung ist ein Indikator für die Weiterentwicklung politischer Jugendbildung in der postmigrantischen Gesellschaft
  • Kooperationen sind ein guter Weg um an den Strukturen der politischen Jugendbildung zu partizipieren
  • Empowerment und Repräsentation sind zentrale Motive jugendpolitischen Engagements der VJM
  • Die thematischen Schwerpunkte der Projekte stellen dominante Narrative die junge Menschen mit Migrationsgeschichten und BPoC stereotypisierend, defizitorientiert oder als nicht dazugehörig markieren, kritisch infrage

Aus der Expertise ergeben sich abschließend einige Fragen, die für Politik, Wissenschaft und Praxis der politischen Jugendbildung Impulse für die weitere Auseinandersetzung mit dem Thema liefern können:

  • Wie können VJM noch stärker als eigenständige Träger der politischen Jugendbildung gefördert werden?
  • Wie kann eine Balance gefunden werden zwischen der notwendigen und wertvollen Kooperation zwischen verschiedenen Akteuren, die wichtige Synergien hervorbringt und der gleichzeitig notwendigen Suche nach Wegen, die eigenständige strukturelle Verankerung von VJM in den jugendpolitischen Arenen und Gremien zu stärken?
  • Wie kann sich die Sichtbarkeit der Leistungen von VJM im Kontext politischer Jugendbildung erhöhen?
  • Wie können die inhaltlich-theoretischen Impulse, die durch die Arbeit der VJM im Kontext etwa der historisch-politischen, rassismuskritischen oder demokratiepädaogischen politischen Jugendbildung gesetzt werden, stärker in die Fachdiskurse auf wissenschaftlicher wie politischer Ebene einfließen?
  • Wie kann der Wunsch der VJM nach Repräsentation und Sichtbarkeit nachhaltig gestärkt werden?
  • Wie können Anerkennung und Wertschätzung nicht nur auf einer rein deklamatorischen sondern faktischen Ebene umgesetzt werden?

Abschließend kann für die Expertise das Fazit gezogen werden, dass die außerschulische politische Jugendbildung in der postmigrantischen Gesellschaft eine Erweiterung der Repräsentations- und Partizipationspraxen braucht. Es ist notwendig, sich sowohl hinsichtlich der Träger als auch der Themen politischer Jugendbildung, den Realitäten der postmigrantischen Gesellschaft anzupassen. Die VJM zeigen exemplarisch auf, wie etwa Erinnerungspädagogik in der postmigrantischen Gesellschaft konturiert sein kann, wie rassismuskritisches Empowerment Teil des Kanons politischer Jugendbildung werden kann oder wie wichtig es auch ist, bei Themen wie Umweltbildung oder politischer lnstitutionenkunde auf das Know How und die Expertise der jungen Menschen mit Migrationsgeschichten zu rekurrieren. Hier gilt es, den VJM Anerkennung entgegen zu bringen und die Arenen der jugendpolitischen Bildung auch für Repräsentationspraxen der VJM zu öffnen.

Die Ergebnisse der Expertise sind in die entsprechenden Kapitel des KJR eingeflossen. Demnächst erscheint die Expertise unter: https://www.dji.de/ueber-uns/projekte/projekte/geschaeftsfuehrung-16-kinder-und-jugendbericht.html

Literatur: Jagusch, Birgit (2020): Politische Bildung in und durch Vereine von jungen Menschen mit Migrationsgeschichte (VJM), Köln

November 2020

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