Neuroplastizität-induzierende Wirkstoffe: Prophylaxe und Therapie von Depressionen und Demenz
Depressionen entwickeln sich immer mehr zu einer Volkskrankheit. In seiner Promotion erforscht der InnovAGe Promovend Henrik Weber deshalb die „Synthese und Strukturwirkbeziehung von Neuroplastizität-induzierenden Substanzen“ in der Arbeitsgruppe „Medizinische Chemie“ von Prof. Dr. Sherif El Sheikh.
Eine aktuelle Studie zur Diagnoseprävalenz depressiver Störungen zeigt, dass mittlerweile jeder sechste Deutsche an einer depressiven Störung leidet. Dabei finden sich Depressionen unabhängig vom Geschlecht und dem Alter in sämtlichen Bevölkerungsgruppen und sind häufige Begleiterscheinungen von neurodegenerativen Erkrankungen wie Alzheimer, Parkinson oder Huntington.
Pathophysiologisch betrachtet gehen Depressionen mit einer Reduktion des Gehirnvolumens einher, welche entweder durch Neurodegeneration oder eine Reduktion der Neurogenese bestimmter Hirnareale bedingt ist. Aktuelle Forschungsergebnisse deuten zudem darauf hin, dass vor allem eine veränderte Neuroplastizität – die Fähigkeit des zentralen Nervensystems, sich veränderten Anforderungen anzupassen – eine der ausschlaggebenden Ursachen von Depressionen ist.
„Obwohl das Spektrum an möglichen pharmazeutischen Behandlungsmöglichkeiten depressiver Erkrankungen sehr groß ist, führt die medikamentöse Behandlung mit den klassischen Antidepressiva nur bei jedem dritten Patienten zum Erfolg. Zudem ist der Wirkeintritt verzögert, so dass es Wochen dauern kann, bis eine Besserung für die Patienten zu beobachten ist. Der größte Nachteil liegt aber sicherlich in der Tatsache, dass es sich bei der Behandlung mit klassischen Antidepressiva um einen indirekten Wirkmechanismus handelt. Hier werden neurophysiologische Prozesse angestoßen, die zu einer Anpassung des Gehirngewebes führen, was letztlich in einer Erhöhung der synaptischen Plastizität resultiert. Dieser Vorgang benötigt allerdings eine gewisse Zeit. Die Entwicklung und Synthese schnellwirkender Substanzen, deren Wirkmechanismus direkt bei der physiologischen Ursache von Depression ansetzt und die Neuroplastizität positiv beeinflusst, stellt damit einen wichtigen und innovativen Schritt für die Behandlung depressiver Patienten dar“, sagt der Nachwuchsforscher Henrik Weber über die Relevanz seines Promotionsprojekts.
In seiner Arbeit hat er sich deshalb bislang vor allem mit der Synthese verschiedener Neuroplastizität-induzierender Substanzen beschäftigt, um eine Substanzbibliothek zu erstellen, anhand derer er Struktur-Wirkbeziehungsanalysen durchführen kann. Dabei lag sein Fokus vor allem darauf, eine schnelle und einfache Syntheseroute zu entwickeln, die später auch für die Industrie interessant ist. Erste in vitro Untersuchungen im Zellsystem konnten zeigen, dass einige der von ihm synthetisierten Substanzen ein hohes Wirkstoff-Potential besitzen und einen positiven Einfluss auf die Neuroplastizität haben. Mit Hilfe weiterer Assays und der Analyse der Struktur-Wirkbeziehung werden die von ihm identifizierten Kandidaten nun weiterentwickelt und untersucht.
Der gesellschaftliche Mehrwert liegt für den Wissenschaftler bei seiner Arbeit direkt auf der Hand: „Depressionen sind sehr stark verbreitet, allein deshalb ist es wichtig, sich mit der Behandlung der Ursache dieser Krankheit auseinanderzusetzten. Außerdem stehen Depressionen mit Alterserkrankungen in Zusammenhang. Es konnte gezeigt werden, dass die Wahrscheinlichkeit an Demenz zu erkranken deutlich steigt, wenn Depressionen in der Vorgeschichte nachzuweisen sind. Eine optimale Behandlung, um diesem direkt von Beginn an entgegenzuwirken, ist damit auch für die alternde Gesellschaft von großer Wichtigkeit.“
Juli 2019