Neue Methode für nachhaltige multifunktionale Hydroperoxide aus Distelöl
Wie können pflanzliche Botenstoffe nachhaltig hergestellt werden? Im Rahmen seiner Promotion an der Fakultät für Angewandte Naturwissenschaften bei Prof. Dr. Ulrich Schörken hat sich Valentin Gala Marti mit sogenannten Reaktionskaskaden befasst. Im Interview erzählt er, wie sich mit diesen Hydroperoxide industriell einsetzbar machen lassen.
Wie erklären Sie Ihr Thema Ihren Nachbarn?
Während meiner Promotion habe ich an Reaktionskaskaden gearbeitet. Dabei handelt es sich um eine Abfolge von Reaktionen, um einen Grundstoff über mehrere Schritte in das Zielprodukt umwandeln. Ein Beispiel für solche Kaskaden sind sogenannte Eintopfreaktionen. Wie beim Kochen werden auch hier nach und nach Zutaten hinzugegeben. Im Rahmen meiner Arbeit habe ich eine solche Eintopfreaktion entwickelt. Ziel war es, Distelöl zu spalten und die enthaltene Linolsäure mit Sauerstoff reagieren zu lassen. So entstehen sogenannte Hydroperoxide, die in der Industrie unter anderem zur Herstellung von Lacken und Klebstoffen, zum Bleichen von Farbstoffen oder als Backhilfsmittel verwendet werden. Dazu habe ich Enzyme verwendet – winzige Biomaschinen, die die einzelnen Reaktionen herbeiführen.
Was haben Sie herausgefunden?
Im Verlauf meiner Promotion habe ich eine neue nachhaltige Reaktionskaskade bestehend aus drei Enzymen (Lipase, Lipoxygenase und Katalase) entwickelt, die Distelöl in Hydroperoxide umwandelt. Daneben konnte ich zeigen, dass die Reaktionskaskade nicht nur die derzeit höchsten bekannten Ausbeuten liefert, sondern auch die Menge der benötigten Enzyme im Vergleich zu anderen Arbeiten stark reduziert.
Es war mir möglich, Teile der Reaktionskaskade auf einen Träger zu binden und dadurch die Enzyme mehrfach wiederzuverwenden. Zusammen mit Anna Coenen, einer weiteren Promovendin bei Prof. Schörken, habe ich die Reaktionskaskade um das Enzym Hydroperoxid Lyase erweitert, so dass direkt Duftstoffe mit grüner Note entstehen.
Was begeistert Sie an Ihrem Thema?
Begeistert an meinem Thema hat mich insbesondere die Vielfalt der eingesetzten Enzyme. Jedes dieser Enzyme hat ganz eigene Charakteristika und benötigt ganz eigene Reaktionsbedingungen. Dabei entstehen zwangsläufig Zielkonflikte, die ein vorsichtiges Austarieren aller Reaktionspartner nötig machen. Aufgrund der großen Bandbreite an möglichen Lösungen und Anpassungen infolge dieser Zielkonflikte habe ich aus einer Vielzahl an verfahrenstechnischen und chemischen Ansätzen wählen können. Insbesondere die Navigation innerhalb dieser Konfliktlinien, das stete Ausprobieren, das auch nach Jahren das ständige Wundern über eine solch „simple“ Reaktion, hat mir den größten Kopfschmerz und die größte Freude gebracht.
Wie kann es mit Ihren Ergebnissen weitergehen?
Eigentliches Ziel war es eine kostengünstige und biobasierte Alternative zu schaffen, um Polymerzwischenstufen herzustellen. Im Rahmen der Laborarbeit hat sich aber bald herauskristallisiert, dass sich ein Schwenk zur Herstellung von Duftstoffen für diese Art von Reaktionskaskade eher anbietet, als weiter die Richtung eines Einsatzes in der Polymersynthese zu verfolgen. Um die Arbeit fortzuführen, bietet sich auch das sogenannte „protein engineering“ der Enzyme an. Dabei werden mit molekularbiologischen Methoden verbesserte Versionen der Enzyme produziert. Daneben kann die Kaskade, die aus zurzeit drei Enzymen besteht, um weitere Enzyme erweitert werden, um komplexere Reaktionswege beschreiten zu können.
Mai 2023