Nachhaltigkeit in der Unternehmensstrategie von Non-Profit-Organisationen

Mit dem Thema „Nachhaltigkeit in der Unternehmensstrategie von Non-Profit-Organisationen am Beispiel der Diakonie Michaelshoven“ schloss Anna-Lena Willmes ihren Bachelor of Science in Betriebswirtschaftslehre an der TH Köln ab. Prof. Dr. Kai Thürbach betreute die Abschlussarbeit gemeinsam mit Prof. Uwe Ufer Vorstand der Diakonie Michaelshoven.

Die Abschlussarbeit untersucht die Integration von Nachhaltigkeit in die Unternehmensstrategie der Diakonie Michaelshoven, um nicht nur den gesetzlichen Anforderungen der EU im Bereich der Nachhaltigkeitsberichterstattung gerecht zu werden, sondern auch tatsächlich wirksam und messbar nachhaltig zu sein. Mithilfe einer strategischen Analyse, die unter anderem auf einer Umfrage innerhalb der Diakonie Michaelshoven basiert, konnten konkrete Handlungsempfehlung abgeleitet werden. Diese Handlungsempfehlungen lauten Klarheit, Kommunikation und Kultur mit Blick auf das Thema der Nachhaltigkeit in Unternehmensstrategien.

1950 gegründet, hat sich die Diakonie Michaelshoven zu einem der größten Träger sozialer Dienstleistungen im Raum Köln mit rund 3000 hauptamtlichen und 650 ehrenamtlichen Mitarbeitenden entwickelt. Die Diakonie Michaelshoven agiert in vielfältigen Bereichen für und mit Menschen in allen Altersklassen, beispielsweise in der Kinder- und Jugendhilfe, der Behindertenhilfe, der Altenhilfe und der Berufsförderung. Die Diakonie Michaelshoven legt Wert auf eine gelungene Verbindung von sozialem und wirtschaftlichem Denken, wobei der Fokus stets auf dem Menschen liegt. Die Diakonie Miachelshoven wolle die Ergebnisse der Arbeit praktisch nutzen, so Prof. Uwe Ufer.

In Köln arbeiten verschiedene Akteure an klimaschonenden, sozialen und nachhaltigen Ansätzen. Das Ziel der neuen Initiative „Impact.Cologne“ ist es, eine zentrale Anlaufstelle mit und für die Wirtschaft in der Region zur Entwicklung einer nachhaltigen Zukunft aufzubauen. Die Gateway Hochschulen Köln mit »Fit for Invest« gehören zu den Gründungsmitgliedern. Die Kölner Hochschulen sowie das Gateway Gründungsnetz e.V. waren in den Prozess von Beginn an involviert und unterstützen mit Themen aus Forschung, Lehre und Transfer sowie mit Beratungsleistungen für nachhaltige Transformations-Prozesse und grüne Gründungen.

Anna-Lena Willmes Anna-Lena Willmes mit Prof. Uwe Ufer, Diakonie Michaelshoven (Bild: Anna-Lena Willmes)

Was war das Ziel und die Vorgehensweise Ihrer Untersuchung?

Anna-Lena Willmes: Das Ziel der Untersuchung lag darin, Handlungsempfehlungen für die Integration von Nachhaltigkeit in die Unternehmensstrategie der Diakonie Michaelshoven zu entwickeln. Um dieses Ziel zu erreichen wurden zuerst die theoretischen Grundlagen zu den Themenfeldern Nachhaltigkeit, Unternehmensstrategien und Non-Profit-Organisationen erläutert. Die Durchführung einer Umfrage bildete u.a. die Basis für die strategische Analyse, die in Form einer SWOT- sowie einer Wesentlichkeitsanalyse durchgeführt wurde. Mithilfe dieser Analyse konnten die aktuellen Nachhaltigkeitsprioritäten der Diakonie Michaelshoven identifiziert werden. Die Ergebnisse der Analysen wurden schlussendlich in Form von Handlungsempfehlungen zusammengefasst.

Wie sind Sie auf das Thema Ihrer Bachelorarbeit gekommen?

Anna-Lena Willmes: Bevor das Thema meiner Bachelorarbeit feststand, habe ich viel Zeit damit verbracht darüber nachzudenken, worüber ich schreiben könnte. Klar war mir zuerst nur, dass ich im Schwerpunkt Unternehmensführung und Organisationsentwicklung schreiben möchte und dass ein sozialer/nachhaltiger Bezug vorhanden sein soll. Die Grundidee zu meinem Thema ergab sich, als meine Chefin, mehr oder weniger zwischen Tür und Angel gefragt hat, ob ich nicht über die Nachhaltigkeitsberichterstattung, zu der auch die Diakonie Michaelshoven in der Zukunft verpflichtet sein wird, schreiben möchte. In Zusammenarbeit mit Prof. Dr. Thürbach und Prof. Ufer bin ich dann recht schnell zu meiner endgültigen Fragestellung gelangt. Hier hatte ich ein spannendes Themenfeld gefunden, das zu meinen Anforderungen passt und noch dazu in der Praxis hochrelevant ist.

Welche wichtigen Erkenntnisse konnten Sie gewinnen?

Anna-Lena Willmes: Eine besonders wichtige Erkenntnis war, dass Nachhaltigkeit unbedingt als relevant für die Unternehmensstrategie wahrgenommen werden muss. Passiert dies nicht, kann keine zielgerichtete Auseinandersetzung stattfinden. Weiterhin wichtig war die Erkenntnis, dass die Diakonie Michaelshoven in Sachen Nachhaltigkeit besser aufgestellt ist, als es zuerst den Anschein macht.
Ein gutes Beispiel dafür wie diese beiden Erkenntnisse zusammenhängen, ist der Umstand, dass eine solide Ressourcenbasis im Bereich Nachhaltigkeit zwar vorhanden ist, diese Ressourcen aufgrund der fehlenden strategischen Auseinandersetzung aber nicht vollständig ausgeschöpft werden können.

Gibt es konkrete Maßnahmen, die Sie auf Basis Ihrer Arbeit empfehlen würden?

Anna-Lena Willmes: Die entwickelten Handlungsempfehlungen beinhalten konkrete Maßnahmen. 1. Klarheit: Es sollten konkrete Ziele für relevante Nachhaltigkeitsthemen festgelegt und Kennzahlen entwickelt werden, die sowohl für die Wirkungsmessung, als auch für die Nachhaltigkeitsberichterstattung wichtig sind. 2. Kommunikation: Unternehmensintern sollten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter über strategische Kursanpassungen informiert werden, um die Relevanz von Nachhaltigkeit zu verdeutlichen. Eine gute Kommunikation ist außerdem wichtig, um einen Kulturwandel (Punkt 3) anzustoßen. 3. Kultur: Verankerung von Nachhaltigkeit in der Unternehmenskultur, beispielsweise über interaktive Workshops, Fortbildungen oder feste Ansprechparterinnen und Ansprechpartner.

Wird die Diakonie etwas konkret umsetzen können?

Anna-Lena Willmes: Im zeitlichen Verlauf kann die Diakonie Michaelshoven in allen drei Handlungsempfehlungen tätig werden. Derzeit liegt der Fokus darauf Kennzahlen und Methoden zu entwickeln, um der anstehenden Berichtspflicht gerecht zu werden. Besonderes Augenmerk liegt dabei auch auf der Wirkungsmessung im Zeitverlauf. Dazu wird auf Grundlage bereits vorhandener Daten die Ausgangslage erfasst, anhand derer dann Ziele und Maßnahmen festgelegt werden können. Perspektivisch sollten dann sowohl die Kommunikation, als auch der Kulturwandel angepasst und angestrebt werden.

Was hat Sie überrascht bzw. mit welchen Ergebnissen hätten Sie nicht gerechnet?

Anna-Lena Willmes: Dadurch, dass die Diakonie Michaelshoven ein Sozialunternehmen ist und sich bis dato nicht strategisch mit dem Thema Nachhaltigkeit auseinandergesetzt hat, habe ich zu Beginn meiner Recherchen damit gerechnet, dass hauptsächlich das soziale Alltagsgeschäft an sich als nachhaltig bezeichnet werden kann. Um Nachhaltigkeit greifbarer zu machen, habe ich in meiner Arbeit eine Einteilung in die Bereiche Ökonomie, Ökologie und Soziales vorgenommen und diese drei Teilbereiche mithilfe der 17 Ziele für nachhaltige Entwicklung inhaltlich gefüllt. So konnte ich feststellen, dass neben dem sozialen, besonders der ökologische Bereich bereits gut ausgeprägt ist (Photovoltaikanlagen, Secondhand Kaufhäuser, Nistkastenaktionen, Landwirtschaft mit Hofladen, Urban Gardening in Wohngruppen etc.). Dem steht wiederum entgegen, dass in meiner Umfrage 80 % der Befragten der Meinung waren, dass der ökologische Teilbereich der Nachhaltigkeit derzeit am wenigsten Beachtung findet. Die Diskrepanz zwischen den tatsächlichen Bemühungen und dem, was davon überhaupt wahrgenommen wird, zeigt sehr eindrücklich, wie wichtig eine strategische Betrachtung und auch Kommunikation von Nachhaltigkeit ist.

Wo besteht aus Ihrer Sicht weiterer Forschungsbedarf?

Anna-Lena Willmes: Weiterer Forschungsbedarf besteht darin, dass innerhalb der Diakonie Michaelshoven die strategische Analyse erweitert wird. Die Durchführung einer SWOT-Analyse durch eine Einzelperson ist nicht ratsam, da verschiedene Perspektiven und besonders die Diskussionen über verschiedene Ansätze wichtige Erkenntnisse liefern können. Ebenfalls sollte die durchgeführte Umfrage ausgeweitet werden, wobei dann auch externe Stakeholder abgefragt werden sollten. Das kann auch eine fokussierte Entwicklung von relevanten Kennzahlen zur Erfolgsmessung erleichtern.

Wie hat die Zusammenarbeit mit der Diakonie Michaelshoven als Praxispartner im Rahmen Ihrer Arbeit funktioniert?

Anna-Lena Willmes: Die Zusammenarbeit mit der Diakonie Michaelshoven hat sehr gut funktioniert. Dadurch, dass ich während des Schreibprozesses bereits fest angestellt und somit häufig vor Ort war, hatte ich immer die Möglichkeit auf kurzem Wege Unterstützung durch Prof. Ufer zu bekommen. Die Hilfsbereitschaft der Kolleginnen und Kollegen bzgl. meiner Umfrage war sehr hoch, sodass ich sehr schnell alle Daten zur Auswertung zur Verfügung hatte und mich auf den Schreibprozess konzentrieren konnte. Besonders bemerkenswert fand ich die Tatsache, dass meine Bachelorarbeit auch bei Kolleginnen und Kollegen auf echtes Interesse gestoßen ist und mich einige von ihnen aktiv darum gebeten haben, diese nach der Fertigstellung lesen zu können – das hat mir in schwierigen Schreibphasen geholfen.

Was können Sie Ihren Kommilitoninnen und Kommilitonen generell für Tipps geben, die auch eine Praxisarbeit schreiben möchten?

Anna-Lena Willmes: Holt euch regelmäßig Feedback und habt keine Scheu, insbesondere eure (Zweit-)Prüferinnen und Prüfer im Unternehmen bei Fragen oder Zweifeln anzusprechen. Von den fachlichen und unternehmensspezifischen Kenntnissen der Zweitprüferinnen und Prüfern könnt ihr nur profitieren. So kommt ihr eurem Ziel näher und es kann direkt verhindert werden, dass ihr euren Kurs aus den Augen verliert. Wenn die Möglichkeit besteht, nutzt auch unbedingt die Erfahrungen und den Wissensschatz eurer Kolleginnen und Kollegen, sowohl aus der eigenen, als auch aus fachfremden Abteilungen. Dies gibt euch einen differenzierten Blick auf das Unternehmen und bietet auch den Vorteil, dass ihr neue Kolleginnen und Kollegen persönlich kennenlernt und euer berufliches Netzwerk erweitern könnt.

Nachhaltigkeit, Soziale Innovation und verantwortliche Unternehmensführung sind Leitmotive an der TH Köln und werden in den wirtschaftswissenschaftlichen Studiengängen z. B. in Vorlesungen wie "Führung und Ethik“ oder auch im Bereich Entrepreneurship thematisiert. Fühlen Sie sich gut auf Ihre Aufgaben in der Praxis vorbereitet?

Anna-Lena Willmes: Die Vorlesungen geben gute Impulse selbstständig weiter zu denken und behandeln auch Themen, die nicht auf den ersten Blick offensichtlich sind, wenn man an BWL denkt. Besonders wichtig fand ich im Studium neben den fachlichen Inhalten die Weiterentwicklung meiner eigenen Softskills, die mir einen Einstieg ins Berufsleben deutlich angenehmer gemacht haben. Insgesamt fühle ich mich gut vorbereitet, trotzdem bin ich überzeugt, dass die wirklich nachhaltigen Lerneffekte erst in der Praxis entstehen können.

Gibt es etwas, das Ihnen noch mit Blick auf das Thema wichtig ist?

Anna-Lena Willmes: Für mich ist wichtig, dass der Blick auf das Thema Nachhaltigkeit nicht durch gesetzliche Regulierungen und Rahmenbedingungen negativ beeinflusst wird. Die Pflicht zur Nachhaltigkeitsberichterstattung sollte nicht als notwendiges Übel angesehen werden, sondern als Chance das eigene Unternehmen zu optimieren, um eine lebenswerte Umwelt für nachfolgende Generationen zu erhalten. Nachhaltigkeit sollte eine Grundhaltung sein, keine Pflicht – deshalb ist auch die strategische Integration von Nachhaltigkeit so wichtig!

Haben Sie vielen Dank für das Gespräch!

September 2024

Prof. Dr. Kai Thürbach

Kristina Feinhals


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