Modellprojekt „Netzwerk für Flüchtlinge mit Behinderung“ stellt Ergebnisse vor
Die Projektergebnisse wurden im Rahmen einer feierlichen Abschlussveranstaltung in der Erzengel-Michael-Kirche in Michaelshoven präsentiert.
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- Beratung für Geflüchtete mit Behinderung Diakonie Michaelshoven
Geflüchtete, die nach Deutschland kommen, benötigen in der Regel umfassende Beratung und Hilfestellungen. Handelt es sich bei ihnen um Menschen mit einer Behinderung, erhöht sich der Unterstützungsbedarf noch einmal deutlich. Darum hat die Diakonie Michaelshoven 2015 das Modellprojekt „Netzwerk für Flüchtlinge mit Behinderung Köln“ ins Leben gerufen. Das Institut für Interkulturelle Bildung und Entwicklung der Fakultät für Angewandte Sozialwissenschaften begleitete das Projekt wissenschaftlich. Jetzt haben die Partner die Projektergebnisse bei einer feierlichen Abschlussveranstaltung in der Erzengel-Michael-Kirche in Michaelshoven vorgestellt.
„Zu Beginn wurde uns oft die Frage gestellt: Gibt es die Zielgruppe ‚Flüchtlinge mit Behinderung‘ überhaupt? Schaffen die es denn bis nach Deutschland? Diese Frage konnten wir eindeutig beantworten: Es gibt diese Menschen und sie sind bereit mitzuarbeiten und sich einzubringen“, betonte Projektleiter Wolfram Buttschardt von der Diakonie. Über 220 Geflüchtete mit Behinderung und ihre Familien konnten in den drei Jahren von der Unterstützung profitieren. „Zudem vermuten wir eine hohe Zahl von Betroffenen, die nicht den Weg zu uns gefunden haben“, so Buttschardt.
Rund 90 Partnerorganisationen aus Köln und dem Umland schlossen sich in dem Netzwerk zusammen, etwa aus der Flüchtlings- und der Behindertenhilfe, der medizinischen Versorgung, der Jugendhilfe oder aus dem Bildungsbereich. Das Wissen und die Informationen der Netzwerkakteure wurden gebündelt und standen den Hilfesuchenden unter anderem in einer Beratungsstelle im Bürgerzentrum Ehrenfeld zur Verfügung. Aus der Gruppe der Betroffenen heraus entstand die Selbsthilfegruppe Tankiem (arabisch für Selbstermächtigung), die sich seit Mitte 2017 regelmäßig trifft, Veranstaltungen und Ausflüge organisiert und den Erfahrungsaustausch ermöglicht.
Prof. Dr. Schahrzad Farrokhzad, Prof. Dr. Matthias Otten und ihre Mitarbeiterinnen Anna Zuhr und Serpil Ertik vom Institut für Interkulturelle Bildung und Entwicklung übernahmen die wissenschaftliche Begleitforschung und unterstützten das Projektteam zudem beratend dabei, Lösungswege zu gestalten. . Sie identifizierten einige grundsätzliche Probleme: „Es liegen bislang keine systematischen und flächendeckenden Daten über Geflüchtete mit Behinderung vor. Das heißt, eine angemessene Beratung und Begleitung zur Stärkung ihrer gesellschaftlichen Teilhabe ist nicht sichergestellt. Zudem sind die Betroffenen sehr häufig unsicher und kennen zum Teil ihre Rechte und potenziellen Ansprüche nicht. Einer der großen Verdienste des Projektes ist es daher, ein Scharnier zwischen Behinderten- und Flüchtlingshilfe geschaffen zu haben, die die Betroffenen nun gemeinsam informieren und beraten können“, so Farrokhzad.
Für die Zeit nach dem Projekt steht für die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler vor allem der Erhalt der entstandenen Strukturen im Mittelpunkt. „Das Netzwerk hat ein großes Know-How aufgebaut, das unbedingt gesichert werden muss. Zudem sollten trägerübergreifend einheitliche Verfahren aufgebaut und vermehrt englisch- und arabischsprachige Informationsmaterial entwickelt werden. Auch der Erhalt der offenen Sprechstunden als niedrigschwelliges erstes Angebot ist sehr wünschenswert“, ergänzt Otten. Der Träger, die Diakonie Michaelshoven, plant auf Basis der Modellphase ein Kompetenzzentrum Flucht, Migration und Behinderung einzurichten. Auch der Behindertenbeauftragte der Stadt Köln, Dr. Günter Bell, hat angekündigt, die Ergebnisse bei der Weiterentwicklung der kommunalen Integrationspolitik zu berücksichtigen.
November 2018