Marktwirtschaft und Verantwortung im globalen Kontext

Prof. Dr. Kai Thürbach und Prof. Dr. Rainer Völker haben gemeinsam ein Buch herausgegeben, in dem sich eine Vielzahl von Autorinnen und Autoren aus sehr unterschiedlichen Perspektiven mit globaler Verantwortung von Unternehmen in der Marktwirtschaft beschäftigen. Das Thema ist heute so aktuell wie nie.

Management-Ausbildung zwischen Wettbewerb, Wert und Werten

Prof. Dr. Kai Thürbach und Prof. Dr. Christian Rennert Prof. Dr. Kai Thürbach und Prof. Dr. Christian Rennert (Bild: TH Köln)

Prof. Dr. Christian Rennert und Prof. Dr. Kai Thürbach diskutieren in ihrem Beitrag im Buch, wie wichtig vor diesem Hintergrund die Managementausbildung an Hochschulen ist.

Marktwirtschaft und Wettbewerb haben sich weltweit als Erfolgsmodell etabliert. Über globale Wertschöpfungsketten sind Unternehmen und Konsumentinnen und Konsumenten eng mit der wirtschaftlichen, sozialen und ökologischen Situation in anderen Ländern verbunden. An Unternehmen, Konsumentinnen und Konsumenten und letztlich an die Politik ergeht häufig der Vorwurf, zu wenig für Ökologie, Menschenrechte und soziale Sicherheit bzw. gegen Ausbeutungsverhältnisse und andere Missstände zu tun. Der Band „Globale Verantwortung. Wert und Werte in Markt­wirt­schaft und Unter­nehmen“ zeigt eine Viel­falt von Themen und Per­spek­tiven zu globa­ler Verant­wortung von Wirt­schaft und Unter­nehmen und gibt verschie­denen rele­vanten Akteurinnen und Akteuren Gelegen­heit, ihre Stand­punkte darzulegen. Die Herausgeber Dr. Kai Thürbach, Inhaber der Professur für Unter­nehmens­führung und Entre­preneur­ship an der TH Köln, und Dr. Rainer Völker, wissen­schaft­licher Leiter des Insti­tuts für Management und Innovation (IMI) und Pro­fessor für Management an der Hoch­schule für Wirt­schaft und Gesell­schaft Ludwigs­hafen am Rhein, sowie Prof. Dr. Christian Rennert, Inhaber der Professur für Allgemeine Betriebswirtschaftslehre und Unternehmensführung an der TH Köln standen aus Anlass der Ver­öffent­lichung des Bandes für ein kurzes Interview zur Verfügung.

Prof. Dr. Christian Rennert und Prof. Dr. Kai Thürbach halten in den wirtschaftswissenschaftlichen Studiengängen an der TH Köln die Vorlesung „Führung und Ethik“. Sie erläutern, warum es wichtig ist, das Thema Verantwortung im marktwirtschaftlichen Wettbewerb als Pflichtbestandteil der Managementausbildung zu diskutieren und wie es gelingen kann, zukünftige Führungskräfte auf die Herausforderungen einer globalisierten Welt, die unter marktwirtschaftlichen Wettbewerbsbedingungen funktioniert, gut vorzubereiten.

Nicht wenige Ökonomen vertreten den Stand­punkt, dass die Gewinn­orien­tierung bzw. die Profit­maxi­mie­rung nach wie vor der ideale Weg sei, das unter­nehme­rische Handeln ethisch, nach­haltig, sozial und für die Gesell­schaft ziel­führend zu organi­sieren – wie stehen Sie dazu?

Prof. Dr. Kai Thürbach: Vom Grundsatz her hat es sich nicht geändert: Das Streben nach Gewinn bei Unter­nehmen und das Streben nach Bedürf­nis­befrie­digung bei Konsu­menten sind zentrale Triebfedern. Und die Markt­wirt­schaft ist die ideale Organi­sations­form, die die jewei­ligen Ange­bote und die jewei­lige Nach­frage effi­zient koordi­niert. Jeder Ökonom weiß aller­dings auch, dass eine Laissez-faire-Marktwirtschaft in punkto sozialen Aus­gleiches und in Umwelt­schutz­fragen versagen muss. Insofern gibt der Staat soziale Rege­lungen vor und muss auch bei ökologi­schen Themen inter­venieren. Hier gibt es aller­dings zwei Grund­varianten: In der Nach­haltig­keits­debatte – egal, ob bei­spiels­weise bei Ver­mei­dung von Müll oder in der Energie­politik – kann man durch Verbote agieren oder wieder über Preise Markt­mecha­nismen wirken lassen. Meistens sind Markt­mecha­nismen in der Effi­zienz überlegen. Es braucht also beides: wett­bewerb­lich ver­fasste Märkte und eben passende Ein­griffe des Staates. Die Frage nach der dazu passenden Balance ist übrigens ein wichtiger Aspekt in unserem Buch.

Bildet die inzwischen recht umfang­reiche Schutz­gesetz­gebung für Ökologie, Menschen­rechte, soziale Sicherheit u. a. nicht einen Standort­nachteil für deutsche Unternehmen?

Prof. Dr. Kai Thürbach: Oberflächlich – nur auf momentane Kosten bezogen – könnte man dies so sehen. Aber zum einen müssen wir alle – auch Unter­nehmens­verant­wort­liche – uns den globalen Problemen stellen und ent­sprechend Ver­antwor­tung über­nehmen. Die Einhaltung von Menschen­rechten entlang der ausge­lösten Wert­kette sollte ohnehin selbst­ver­ständ­lich sein. Klar, die Frage ist schon, wenn wir an manche Gesetz­gebung in der Klima­frage denken, was die rich­tige Dosie­rung bei Regeln ist? Macht es Sinn hier mit heimi­schen Ver­boten voran­zu­gehen und dann etwa zu merken – wie dies jetzt Studien zeigen – dass die ein­gespar­ten Brenn­stoffe schlicht in anderen Ländern nach­gefragt und verbraucht werden? Manche Gesetze sind gut gemeint, ent­falten aber nicht die gewünschte Wirkung, leisten also am Ende keinen Beitrag dazu, die Welt besser zu machen. Auch das sieht man leider. Komplexe Sach­verhalte lassen sich eben manch­mal nicht einfach lösen, auch wenn wir uns das wünschen.

Die deutsche Wirt­schaft erlebt zurzeit eine Rezession und viele warnen vor einer Über­forde­rung, insbe­sondere das „Liefer­ketten­gesetz“ mit seinen diffe­renzier­ten Haf­tungs­regeln stand im Zentrum der Kritik. Wie beurteilen Sie die aktuelle Lage?

Prof. Dr. Rainer Völker: Zum Liefer­ketten­sorgfalts­pflichten­gesetz ist anzu­merken, dass deutsche Unter­nehmen darauf schon recht gut vor­berei­tet waren. Auch die Not­wendig­keit hier ini­tiativ zu werden, wird bei vielen Unter­nehmen gesehen. Aber wie vorhin schon ange­merkt: Bei solchen Rege­lungen kommt es zentral auf die Aus­gestal­tung an. Es gilt, früh­zeitig mit Wirt­schafts­verbänden zu sprechen, zu erkennen wie man Gesetze prakti­kabel aus­gestal­ten kann und wie mög­lichst un­nötige Büro­kratie vermie­den wird. Wie einige Bei­spiele zeigen, werden solche an und für sich ein­fachen Grund­sätze nicht immer beachtet.

Sie zeigen in dem von Ihnen heraus­gege­benen Band auch Bei­spiele aus der moder­nen Manage­ment­ausbildung, die auf soziale, öko­logische und gesell­schaftlich-ethische Aspekte aus­gerichtet sind. Ist das gemessen an der wirt­schaft­lichen Praxis mit ihrem harten Kosten­wett­bewerb nicht Augen­wischerei aus dem Elfenbeinturm?

Prof. Dr. Rainer Völker: Sicherlich gibt es bei der Außen­dar­stel­lung von Unter­nehmen noch zu viel Green­washing. Nach unseren Erfah­run­gen gilt es aber zwei Dinge fest­zu­halten: Zum einen gibt es eine stetig steigende und vor allem ehr­liche Nach­frage von Unter­nehmens­seite nach einer Aus- und Weiter­bildung im Bereich Nach­haltig­keits­management. Circular Design Economy oder nach­hal­tiges Inno­vations­management sind ent­sprechende Schlagworte. Aufgrund eines wach­senden Drucks seitens der Gesell­schaft und letzt­lich auch von den Aktien­märkten, kann sich eine moderne Unter­nehmens­führung dem nicht ver­schließen. Zum anderen gibt es immer mehr Geschäfts­führer und Eigen­tümer, die sich in einer globalen Ver­antwor­tung und/oder in einer Ver­ant­wor­tung gegen­über nach­fol­genden Gene­ratio­nen sehen. Manche Eigen­tümer wollen ihr Unter­nehmen als klima­neutra­les und „global gerechtes“ Unter­nehmen an ihre Nach­folger übergeben. Viele Manager und Unter­nehmer nehmen ihre Verant­wortung ernst – am Ende sind sie es, die diese Themen im täg­lichen Wirt­schaf­ten nach vorne bringen. Aber es kommt eben auch auf gute und klug konzi­pierte Rahmen­bedin­gungen, den Kontext, an. Dieses Spannungs­verhält­nis beleuchtet das Buch auch.

Welchen konkreten Beitrag leisten Hochschulen und warum ist das Thema globale Verantwortung in der Managementausbildung so wichtig?

Prof. Dr. Christian Rennert: Hochschulen spielen eine wichtige Rolle, um den Management-Nachwuchs auf die Herausforderungen von Führung in einer komplexen, globalisierten Welt, die unter marktwirtschaftlichen Wettbewerbsbedingungen funktioniert, vorzubereiten. Die Funktionsweise von Marktwirtschaft in einer komplexen, globalisierten Welt muss erst durchdacht und verstanden werden („positive Analyse“), bevor moralische Urteile und konkrete Handlungsempfehlungen formuliert werden können („normative Analyse“). Sich in diesem Sinne kompetent, umsichtig und abgewogen mit marktwirtschaftlichen und moralischen Themen zu beschäftigen, ist ein wichtiges, gesellschaftlich besonders relevantes Lernziel in der betriebswirtschaftlichen Ausbildung. An der TH Köln integrieren wir das in unsere Management-Ausbildung in den wirtschaftswissenschaftlichen Studiengängen.

Damit es funktioniert, kommt es auf die Ermunterung der Studierenden an, sich verantwortlich und kritisch-konstruktiv mit diesen Themen auseinander zu setzen. Wenn sie die Bereitschaft entwickeln, betriebswirtschaftliche und gesellschaftliche Problemstellungen ganzheitlich, wertebasiert und ergebnisoffen zu durchdenken, und diese Kompetenz aus dem Studium mit in ihre späteren Führungsfunktionen nehmen, wäre ein wichtiges Ziel erreicht.

Zum Schluss ein Blick in die Zukunft: Wo sehen Sie die Soziale Markt­wirt­schaft, die in diesem Jahr ihren 75. Geburts­tag feiert und zum welt­weiten Marken­zeichen geworden ist, in 25 Jahren?

Prof. Dr. Kai Thürbach: Wir denken, dass die soziale Markt­wirt­schaft nach wie vor ein Erfolgs­modell bleiben wird. Jedoch sind sinn­volle ökolo­gische Regeln, die zum Prinzip einer Markt­wirt­schaft passen, zum Beispiel ein CO2-Preis, noch stärker zu integrieren. Dass dies geht und wichtig ist, wussten schon Öko­nomen aus der Mitte des letzten Jahr­hunderts. In einer globalen Welt, die auch in unserem Buch skiz­ziert wird, genügt es aller­dings nicht, wenn nur ein­zelne Staaten voran­gehen. Im Gegensatz zu früher ist die Welt von heute viel stärker durch die Frei­zügig­keit von Kapital, Menschen und Waren, durch Liefer­ketten oder durch die Klima­pro­ble­matik mit­einan­der verbunden. Sicher ist es zu­nächst posi­tiv zu sehen, wenn Staaten im Hin­blick auf Ab­siche­rung, Umwelt- und Klima­schutz vorangehen. Ähnlich wie ein­zelne Unter­nehmen stehen Staaten in einem Wett­bewerb und ein zu starkes, ein­seiti­ges Voran­gehen kann zum Ver­lust der guten Wett­bewerbs­posi­tion oder gar zum Nieder­gang führen. Damit ist weder dem eige­nen Land noch der Welt ge­dient, denn das löst die globa­len Probleme nicht, sondern ver­lagert sie nur woanders hin. Nicht zuletzt die Klima­pro­ble­matik zeigt, dass ein kluges, abge­stimm­tes Handeln notwendig wäre.

Haben Sie vielen Dank für das Gespräch!

Mai 2024

Prof. Dr. Kai Thürbach

Prof. Dr. Christian Rennert


M
M