Logistikprozesse im Handel effizient aufbauen und steuern

Wie gelingt es Handelsunternehmen, die gestiegenen Anforderungen ihrer Kund*innen an den Logistikservice zu erfüllen und dabei möglichst effizient zu agieren? Damit beschäftigte sich die Dissertation „Omni-Channel-Logistik: Entwicklung einer Typologie und controllingbasierte Ergebnisindikation erfolgreicher Logistik-Konfigurationen von Omni-Channel-Einzelhändlern“ von Dr. Johannes Wörtge.

Porträtfoto von Johannes Wörtge Johannes Wörtge beschäftigte sich in seiner Dissertation mit den Herausforderungen von Handelsunternehmen beim Aufbau und Steuern von Omni-Channel-Logistikprozessen. (Bild: Jessica Erbslöh)

Die kooperative Promotion wurde bei Prof. Dr. Nils Crasselt von der Bergischen Universität Wuppertal und Prof. Dr. Markus Pütz vom Institut für Produktion abgeschlossen. Prof. Dr. Stephan Freichel vom gleichen Institut betreute die Arbeit kooperativ.

Herr Wörtge, wie erklären Sie Ihr Thema Ihren Nachbar*innen?

Handelsunternehmen in Deutschland bieten ihre Produkte häufig über ihr Filialnetz und ihre Online-Kanäle an. Hierzu zählen die Website beziehungsweise der Web-Shop und die Social-Media-Kanäle. Die Kund*innen haben hohe und oft sehr unterschiedliche Erwartungen an beide Absatzwege und deren Kombinationsmöglichkeiten. Ein solches Geschäftsmodell, welches die intelligente und nahtlose Verknüpfung der Kanäle forciert, nennt sich Omni-Channel-Retailing und bietet für Händler*innen einige Vorteile wie höhere Kundenbindung und damit höhere Umsätze. Ein typisches Beispiel für einen Omni-Channel-Service ist Click&Collect, das Abholen einer Online-Bestellung im stationären Geschäft vor Ort. Neben diesen Serviceanforderungen sieht sich der Handel einem zunehmenden Wettbewerbs- und Kostendruck ausgesetzt. In diesem Spannungsfeld aus Service- und Kostenanforderungen stellt die Logistik einen Wettbewerbsvorteil dar, wenn es gelingt, die unterschiedlichen Anforderungsprofile beider Kanäle – Online- und stationäre Absatzkanäle – zu möglichst geringen Kosten zu bedienen. Dies erfordert individuelle logistische Gestaltungslösungen, die ich in meiner Arbeit analysiert habe.

Was haben Sie herausgefunden?

Die passende Gestaltung der Logistikprozesse für Omni-Channel-Händler*innen hängt von vielen Faktoren ab, wie beispielsweise der Anforderungen der Kund*innen an die Lieferzeit, der bisherige Aufbau der Logistik oder die Ähnlichkeit der Sendungsstrukturen. Der Einfluss dieser Faktoren schlägt sich dann – bestenfalls – in der Organisation der Logistik nieder, etwa im Aufbau der Distributionszentren, in der Integration der Filialen in das Logistiknetz oder beim Aufsetzen eines Konzepts für das Transportsystem. Die große Herausforderung für Verantwortliche besteht zunächst darin, die Einflussfaktoren, die Anforderungen und den eigenen Handlungsspielraum zu verstehen. Wenn hier Klarheit herrscht, kann entschieden werden, welche Leistungen angeboten werden müssen, welche Prozesse dafür sinnvoll sind und wie letztlich die dafür notwendige Struktur aussehen muss – beispielsweise wie Lieferanten eingebunden oder welche Distributionszentren mit welchen Funktionen etabliert werden.

Ich habe ein konzeptionelles Werkzeug entwickelt, das von Praktiker*innen und Forscher*innen genutzt werden kann, um den Analyse- und Entscheidungsprozess anzuregen und zu steuern. Dazu zeigt das Tool die dominanten Einflussfaktoren auf die Logistik, die relevanten Logistik-Gestaltungsparameter sowie das Zusammenspiel zwischen beiden auf. Diese Informationen werden genutzt, um typische Omni-Channel-Logistiksituationen, dazu passende Logistik-Konfigurationen sowie deren Kosten- und Leistungsprofile abzuleiten.

Was begeistert Sie an Ihrem Thema?

Für den Aufbau eines Omni-Channel-Geschäftsmodells und der entsprechenden Logistik gibt es keinen „One Size Fits All“-Ansatz. Vielmehr existiert eine Vielzahl von Ansätzen, um die Erwartungen der Kund*innen zu erfüllen und mitunter zu übertreffen sowie die Prozesse im Hintergrund effizient umzusetzen. Mich begeistern die Vielfalt der Lösungen und die Innovationsfreude im Handel, sodass ich diese auch in meine Arbeit einbringen wollte. Der Balanceakt, einerseits dieser Komplexität Raum zu geben und andererseits wissenschaftlich fundierte und praxisrelevante Gestaltungsempfehlungen abzuleiten, war herausfordernd, lehrreich und begleitet mich weiterhin in meiner täglichen Arbeit.

Wie kann es mit Ihren Ergebnissen weitergehen?

In erster Linie hoffe ich, dass meine Erkenntnisse dem einen oder anderen Logistikverantwortlichen im Handel helfen, die eigene Logistik-Situation und -Gestaltung zu durchdringen und zu verbessern. Für die Forschung ist das entwickelte Werkzeug ein Zwischenschritt auf dem Weg zur Erklärung erfolgreicher Umsetzungen der Omni-Channel-Logistik mit einer klaren Perspektive auf wirtschaftliche Ziele. Die Praxis entwickelt sich schnell weiter und neue Konzepte entstehen, insbesondere vor dem Hintergrund der zunehmenden Relevanz ökologischer und sozialer Zielsetzungen. Hierzu zählen die Vermeidung von CO2 oder Abfällen sowie die Verringerung prekärer Arbeitsverhältnisse. Daher gilt es, die Ergebnisse weiter zu validieren, anzupassen und zu erweitern.

November 2023

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