Lena Wansing - Ausgezeichnet! im Wintersemester 2019/2020
Die in der Reihe „Ausgezeichnet!“ gewürdigte Masterthesis von Lena Wansing beschäftigt sich mit den Selbstbestimmungsrechten von intergeschlechtlichen Kindern und Jugendlichen, die mit Variationen der Geschlechtsmerkmale zur Welt kommen. Wir gratulieren Lena Wansing sehr herzlich zu dieser Auszeichnung.
Lena Wansing (Masterstudiengang Beratung und Vertretung im Sozialen Recht):
"Selbstbestimmungsrechte von intergeschlechtlichen Kindern und Jugendlichen in Bezug auf geschlechtsverändernde medizinische Eingriffe"
Bis heute finden regelmäßig Operationen oder Hormonbehandlungen von intergeschlechtlichen Kindern in den ersten Lebensjahren statt, die medizinisch nicht notwendig sind, sondern allein der Angleichung der Geschlechtsmerkmale an die gesellschaftlichen Normen vom weiblichen und männlichen Geschlecht dienen – „Und, ist es ein Junge oder ein Mädchen?“
Diese geschlechtsverändernden Eingriffe sind mit irreversiblen und langfristigen Folgen für die Betroffenen verbunden, denn sie können beispielsweise den Verlust der Fortpflanzungsfähigkeit, der sexuellen Sensibilität und der Orgasmusfähigkeit zur Folge haben.
Die Zustimmung zu diesen Eingriffen erteilen die Eltern im Rahmen ihres Sorgerechts und als gesetzliche Vertreter*innen des Kindes.
Lena Wansing geht in ihrer Arbeit der Fragestellung nach, in welchem Verhältnis Elternrechte und Selbstbestimmungsrechte von intergeschlechtlichen Kindern und Jugendlichen im aktuellen Familienrecht stehen und welche Möglichkeiten der Selbstbestimmung und Grenzen der Stellvertretung sich hieraus für geschlechtsverändernde medizinische Eingriffe ergeben.
Dazu leitet sie die Selbstbestimmungsrechte Minderjähriger aus der Verfassung, der UN Kinderrechtskonvention und der UN-Behindertenrechtskonvention ab und setzt sie ins Verhältnis zu den Elternrechten. Dabei beschäftigt sie sich mit den Inhalten und Grenzen elterlicher Sorge, den Begriffen Kindeswohl und Kindeswohlgefährdung und der Bedeutung und Berücksichtigung des Kindeswillens in familiengerichtlichen Entscheidungen. Die gewonnenen Erkenntnisse überträgt sie auf die Einwilligungsfähigkeit in medizinische Eingriffe.
In 2. großen Teil ihrer Arbeit befasst sich Frau Wansing mit den Perspektiven. Hierzu stellt sie zunächst einen Gesetzesentwurf zum Geschlechtervielfaltsgesetz vor und bewertet diesen kritisch. Dann arbeitet sie heraus, wie die soziale Arbeit zur Anerkennung geschlechtlicher Vielfalt beitragen kann und entwickelt Empfehlungen für Beratungs- und Unterstützungsangebote der sozialen Arbeit für intergeschlechtliche Kinder, Jugendliche und ihre Eltern.
Die Arbeit von Frau Wansing verfügt über ein hohes juristisches Niveau. Sie greift eine Vielzahl rechtlicher Aspekte sowohl aus dem materiellen als auch aus dem Verfahrensrecht auf und stellt kluge rechtspolitische Betrachtungen an. Außerdem erarbeitet sie auf gleichfalls hohem fachlichem Niveau Handlungsempfehlungen für die soziale Arbeit. Sie belässt es dabei nicht bei einer Forderung nach Beratungs- und Unterstützungsangeboten für intergeschlechtliche Menschen und ihre Eltern, sondern fordert darüber hinaus einen gesellschaftlichen Wandel zur Anerkennung geschlechtlicher Vielfalt und reflektiert die Rolle der sozialen Arbeit darin.
Frau Wansing hat sich mit einem sehr aktuellen und wichtigen Thema befasst. Die Arbeit ist auf hohem Niveau geschrieben und dennoch spannend zu lesen – ein wunderbares Beispiel dafür, dass sich das nicht zwangsläufig gegenseitig ausschließen muss.
(Petra Ladenburger)
Januar 2020