Lebenswichtige Ressourcen als Gesamtsystem
Sauberes Wasser, ausreichend Nahrung und Energie für jeden Menschen auf der Erde sind heute und in Zukunft keineswegs selbstverständlich.
Wenn sich Wissenschaftler bislang damit auseinandersetzen, wie sich die Situation verbessern lässt, konzentrieren sie ihre Forschungsanstrengungen zumeist auf eine dieser Ressourcen: Hydrologen befassen sich mit dem Wasser, Agrarwissenschaftler mit der Nahrungsmittelproduktion, Ingenieure und Physiker mit Energietechnik. Zwar erweisen sich wissenschaftliche Disziplinen wie etwa die Chemie sowohl in der Wasser- und Lebensmittelanalytik als auch in der Verarbeitung von Nahrungsmitteln und Energiepflanzen als hilfreich, doch auch sie betrachten die Ressourcen meist nur isoliert voneinander.
An der TH Köln haben sich 2013 elf Professorinnen und Professoren aus vier Instituten zusammengeschlossen, um Fragestellungen zu erforschen, bei denen alle drei Ressourcen – Wasser, Nahrung und Energie – eine Rolle spielen. Der so entstandene Forschungsschwerpunkt wurde Nexus Wasser-Energie-Ernährungssicherheit benannt. Nexus stammt aus dem Lateinischen und bedeutet Verbindung oder Gefüge.
Finanziert wird der Schwerpunkt durch Mittel der TH Köln und des Förderprogramms FH Struktur des Landes Nordrhein-Westfalen. Dieses Programm hat das Land eigens für Fachhochschulen aufgelegt, um dort die Einrichtung von interdisziplinären Forschungsschwerpunkten zu zukunftsrelevanten Themen zu fördern.
Wie eng Probleme um Wasser, Energie und Nahrung zusammenhängen, zeigt sich exemplarisch im Flussgebiet Vu Gia-Thu Bon (VGTB) in Vietnam. "Das ist eine mehr als 10.000 Quadratkilometer große Region, in der Bevölkerung und Wirtschaft stark wachsen", erläutert Alexandra Nauditt vom Institut für Technologie und Ressourcenmanagement in den Tropen und Subtropen (ITT). Vietnam verfügt über keine Vorkommen an Öl oder anderen fossilen Brennstoffen, um damit den Energiehunger seiner dynamischen Volkswirtschaft zu stillen. Angesichts der großen Regenmengen von 2.000 bis 4000 Millimetern jährlich – Deutschland: durchschnittlich 790 Millimeter – und großen Höhenunterschieden im Gelände liegt es nahe, die Wasserkraft als regenerative Energiequelle zu nutzen. So bauten oder planen die Vietnamesen seit 2008 im VGTB-Einzugsgebiet 46 Staudämme. Mit unerwünschten Folgen für die Produktion des wichtigsten Grundnahrungsmittels im flussabwärts gelegenen Flachland: "In der Trockenzeit wird der Reisanbau seit einigen Jahren erheblich beeinträchtigt, da durch die mangelnde Wasserzufuhr aus den Bergen Salzwasser aus dem Ozean in die Bewässerungskanäle dringt", sagt Alexandra Nauditt. Sie koordiniert das Forschungsprojekt LUCCi (Land Use and Climate Change Interactions in Central Vietnam), an dem neben der TH Köln noch fünf deutsche Forschungspartner beteiligt sind.
Forschungsprojekt
Die LUCCi-Wissenschaftlerinnen und -Wissenschaftler simulieren am Computer, wie sich weitere Staudämme auf das Abflussverhalten der Flüsse und auf die Versalzung der Anbaugebiete auswirken. Auf dieser Basis entwickeln sie Managementstrategien, die erreichen sollen, dass die Wasserreservoire und das Land möglichst optimal bewirtschaftet werden. Außerdem erarbeiten sie Empfehlungen für die Vertreter der verschiedenen Provinzen in der Region und für andere vietnamesische Interessenvertreter.
Die Öffentlichkeit sensibilisieren
"LUCCi, das schon 2010 startete, ist sozusagen eines der Vorbilder für die Projekte, die wir in unserem neuen Forschungsschwerpunkt angehen werden", sagt Mohammad Al-Saidi, wissenschaftlicher Koordinator von Nexus. Doch die Forscherinnen und Forscher des Schwerpunkts wollen nicht nur innovative Kooperationsprojekte mit Partnern aus der Industrie, der Wissenschaft und öffentlichen Organisationen initiieren, sondern auch den Austausch zwischen Forschung und Lehre in den beteiligten Instituten fördern. Diese Institute – neben dem ITT das Institut für Landmaschinentechnik und Regenerative Energien (LTRE), das Institut für Elektrische Energietechnik (IET) und das Institute for Global Business and Society (GLOBUS) – streben außerdem an, die Kompetenz der TH Köln auf dem Forschungsgebiet "Management natürlicher Ressourcen" zu vertiefen und nach außen stärker sichtbar zu machen.
Mittel dazu sind Publikationen in Fachzeitschriften sowie die Organisation von Vortragsreihen, Workshops und öffentlichen Veranstaltungen. Schon im ersten Jahr nach der Einrichtung des Forschungsschwerpunkts wurden zwei Nexus-Foren organisiert. Beim ersten Forum loteten die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler mit potentiellen Partnern die Möglichkeit gemeinsamer Forschungsprojekte aus. Beim zweiten Forum wurde das Thema in die Öffentlichkeit transportiert: die Forscherinnen und Forscher diskutierten mit Vertretern des Deutschen Instituts für Entwicklungspolitik und des Stockholm Environment Institutes In Arbeit ist außerdem Nexus Outlook – eine umfangreiche Übersichtspublikation über das junge Forschungsgebiet. Der Anspruch, dies leisten zu können, ist gut begründet. "Vor 2011 hatte auch weltweit kaum ein Wissenschaftler das Thema Nexus explizit im Blick", sagt Prof. Dr. Lars Ribbe, Sprecher des Forschungsschwerpunkts. "Insofern stehen wir wirklich an der vordersten Front in der Forschung."
Text: Dr. Frank Frick
September 2014