Klimaziele und Erneuerbare Energien
40 Staats- und Regierungschefinnen und -chefs sind in den vergangenen Tagen der Einladung des neuen US-Präsidenten Joe Biden gefolgt und haben am virtuellen Klimagipfel teilgenommen. Dort wurden aktuelle Klimaziele vorgestellt. Prof. Dr. Ingo Stadler vom Cologne Institute for Renewable Energy (CIRE) spricht im Interview über den Gipfel und die Rolle von Erneuerbaren Energien.
Mehrere Länder haben den virtuellen Klimagipfel dazu genutzt, um höhere Reduktionsziele beim Ausstoß von Treibhausgasen zu verkünden. Wie beurteilen Sie die Ergebnisse der Gespräche?
Erst einmal handelt es sich hier um pure Symbolpolitik. Regelmäßige UN-Klimakonferenzen erleben wir in großer Anzahl seit diese das erste Mal 1990 in Rio de Janeiro durchgeführt wurde. Es hat Tradition, dass dort immer die Bedeutung des Themas betont wird und auch große Ankündigungen gemacht werden, auf die leider selten Taten folgen. Mehr war der virtuelle Gipfel von Joe Biden auch nicht. Ein gutes – oder schlechtes – Beispiel ist hier der brasilianische Präsident Bolsonaro. Auch er nutzte die Bühne für große Ankündigungen, um nur einen Tag später zu Hause weitere Kürzungen im Umweltbereich umzusetzen.
Nichtsdestotrotz kann ein solches Symbol einen Aufbruch bedeuten und der neue US-Präsident gibt in den ersten Monaten seiner Amtszeit den Anschein, den Worten auch Taten folgen lassen zu wollen.
Die Vereinigten Staaten wollen ihren Ausstoß bis 2030 um rund 50 Prozent senken im Vergleich zu 2005; Japan und Südkorea wollen bis 2050 klimaneutral werden. Wie realistisch sind solche Ziele?
Klimaneutralität bedeutet, dass ein Gleichgewicht zwischen den klimawirksamen Emissionen – größtenteils aber nicht nur CO2 – und der Aufnahme von Kohlendioxid aus der Atmosphäre besteht. Um Netto-Null-Emissionen zu erreichen, müssen alle Treibhausgasemissionen weltweit durch Kohlenstoffbindung ausgeglichen werden.
Klimaneutralität bis 2050 ist kein hohes Ziel – das ist eher der Minimalkonsens, um die Klimaziele von Paris überhaupt schaffen zu können. Keine Frage: Für viele ist das, wenn wir uns die Welt heute ansehen, kaum vorstellbar. Aber die Transformationspfade, um Klimaneutralität zu erreichen, sind seit Langem bekannt; die Technologien und Konzepte für die Umsetzung vorhanden.
Welchen Beitrag können Erneuerbare Energien zu den Reduktionszielen leisten?
Im Bereich Energie bedeuten die Erneuerbaren Energien alles. Und alles bedeutet nicht nur Strom, sondern auch Wärme, Kälte und Verkehr. Im Bereich der Industrie gibt es prozessbedingte Notwendigkeiten für den Einsatz von Kohlenstoff, zum Beispiel in der Stahlindustrie. Hier können fossile Ressourcen durch auf Wasserstoff basierte Alternativen ersetzt werden. Da Wasserstoff aber keine natürlich vorkommende Ressource ist, stehen zu Beginn auch hier wieder die Erneuerbaren Energien. Dann bleibt aber immer noch ein beträchtlicher Teil an Emissionen im Bereich Landwirtschaft und Ernährung. Da spielen die Erneuerbaren eine untergeordnete Rolle.
Welchen Anteil haben Erneuerbare Energien derzeit am Strommix?
China und die USA sind die beiden Länder, in denen sowohl am meisten in Erneuerbare Energien investiert wird als auch am meisten Erneuerbare Energien genutzt werden. Zumindest in absoluten Zahlen, was auch an der schieren Größe der Volkswirtschaften liegt. Prozentual liegen China mit circa 25 Prozent und die USA mit circa 18 Prozent eher im Mittelfeld. Da sieht es in Deutschland dank des starken Ausbaus bis noch vor zehn Jahren besser aus, wir sind immerhin bei gut der Hälfte. Es gibt aber auch einige Länder, die Ihren Strom bereits fast komplett erneuerbar erzeugen. Die derzeit am stärksten prosperierenden Länder sind die Skandinavischen und Großbritannien.
Lassen Sie uns aber nie aus dem Blick verlieren, dass Strom stets nur ein kleinerer Teil am Energiebedarf ist. Wir müssen immer die Wärme und den Verkehr im Blick behalten und hier spielt dann die Sektorenkopplung, also die Verwendung von Strom auch in diesen Bereichen, eine zentrale Rolle.
Was muss getan werden, damit der Anteil an Erneuerbaren Energien wächst?
Wir brauchen keine Subventionen, aber die richtigen Rahmenbedingungen eines Energie- und Strommarkts, um Investitionen in die richtige Richtung zu lenken. Leider gehen das Sprechen über den Klimawandel und das politische Handeln weit auseinander. Da wären wir wieder bei der ersten Frage und der Symbolpolitik. Zurzeit finden die Berliner Energietage statt. Das Umweltbundesamt und der ehemalige Bundesfinanzminister Eichel berichteten von 57 Milliarden Euro an klimaschädlichen Subventionen – nicht weltweit, nur bei uns in Deutschland. Reden und Handeln muss endlich in dieselbe Richtung gehen.
Derzeit ist auch das Thema Wasserstoff sehr populär. Dabei vergessen wir komplett, dass Wasserstoff keine Energieressource ist, sondern nur ein Energieträger, der erst einmal aus – hoffentlich – erneuerbarem Strom gewonnen werden muss. Das heißt, neben all den tollen Sachen wie Wasserstoff, Batterien, Elektroautos: Wir müssen Solar- und Windkraftanlagen bauen, bauen, bauen.
April 2021