Joystick für die Zunge

Designerin Dorothee Clasen hat einen Eingabe-Prototyp für die Zunge entwickelt (Bild: Hanna Feres)

Die Kommunikation zwischen Mensch und Maschine funktioniert klassischerweise über eine haptische Interaktion mit einem Eingabegerät.

Es gibt dabei eine Vielzahl von Möglichkeiten, diese Eingabe vorzunehmen: Naheliegend sind die Hände, aber auch mit den Füßen und anderen Körperteilen sind kaum Grenzen gesetzt. Eine eher seltene Variante ist die Eingabe mit der Zunge, da es sich um einen sehr intimen und hygienisch komplizierten Vorgang handelt.

Durch Vor- und Zurückschieben des Kugelelements erfolgt die elektronische Eingabe Durch Vor- und Zurückschieben des Kugelelements erfolgt die elektronische Eingabe (Bild: Hanna Feres)

Absolventin Dorothee Clasen hat in ihrer Masterthesis an der Köln International School of Design eine Möglichkeit gefunden, eine zungenbasierte Interaktion zwischen Mensch und Maschine zu ermöglichen. Hierbei konzentrierte sie sich auf neue Wege der haptisch basierten Kommunikation zwischen Mensch und Endgerät und entschied sich aufgrund der bisher geringen Anzahl an oralbasierten Produkten für die Zunge als Eingabemöglichkeit.

Ihr Prototyp wird mithilfe einer an die Benutzerin oder den Benutzer angepasste Kunststoffhalterung im Mund  platziert. Silikonisolierte Kabel führen aus dem Mund zu einem Wifi-Modul, das hinter dem Ohr getragen wird. Das Wifi-Modul dient als Schnittstelle zwischen dem Eingabegerät und dem Endgerät. Der Prototyp basiert auf einem elektromagnetischen Prinzip, um eine greifbare, fließende und zuverlässige Interaktion zu gewährleisten. Die in ihm eingebetteten Sensoren erkennen die Position des Kugelelements, das die Benutzerin oder der Benutzer vor und zurückschieben kann, um eine Eingabe zu ermöglichen.

Was zunächst ungewöhnlich klingt, ermöglicht dennoch eine ungeahnte Vielfältigkeit. Prof. Dr. Lasse Scherffig, der die Masterarbeit mitbetreut hat, konnte die Bedienung des Prototyps selbst ausprobieren: Für die Testphase  programmierte Dorothee Clasen ein Spiel, dass sich am Klassiker Pong orientiert. Auch hier gilt es einen rechteckigen Block auf- und abzubewegen, um eine Kugel abzuwehren. Es zeigte sich, dass das spielerische Element die anfänglichen Schwierigkeiten mit der Bedienung des Prototyps kompensieren konnte. „Nach ein wenig Übung bemerkt man eine spürbare Verbesserung der Fähigkeiten“, sagt Claasen.

Die Konzeption der Steuerung eröffnet für den Prototyp zahlreiche Anwendungsmöglichkeiten. Durchaus denkbar wäre ein Einsatz in Bereichen, in denen bereits Hände und Füße für andere Eingabegeräte genutzt werden müssen. Somit könnte man mit der Zunge einfache und schnelle Eingaben ermöglichen, die parallel zu anderen haptischen Eingaben laufen.

Die vielversprechendste Anwendungsmöglichkeit liegt aufgrund des universellen Produktdesigns im Bereich der Inklusion. Denn gängige oder kommerzielle Schnittstellen sind bisher mehrheitlich für eine hand- oder fingergesteuerte Interaktion ausgelegt. Benutzerinnen und Benutzer mit mangelnder manueller Feinmotorik werden automatisch von der Interaktion mit diesen Geräten ausgeschlossen. Doch mithilfe des Tastsinns der Zunge können sie mit ihrer digitalen Umgebung verbunden werden und interagieren.

Für zukünftige Versionen des Prototyps arbeitet Clasen daran, die Größe des Geräts zu reduzieren, damit das Wifi-Modul und die Batterie in das Mundstück integriert werden können.

Januar 2021

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