Informatik-Entwicklung an der TH Köln: von klassisch zu interdisziplinär
Prof. Dr. Kristian Fischer lehrte über 20 Jahre an der Fakultät für Informatik und Ingenieurwissenschaften. Seit März 2021 ist er emeritiert. Im Interview gibt er Einblicke in die Entwicklung der Informatik an der TH Köln.
Prof. Fischer, wie sind Sie zur damaligen Fachhochschule Köln gekommen?
Ich habe nach meiner Promotion an der Universität Passau Anwendungen für Hochgeschwindigkeitsnetze entwickelt und war in der Telekommunikationsbranche tätig. Nach circa 13 Jahren hatte ich das Bedürfnis, in die Lehre zu gehen. Die Ausschreibung der FH Köln 1998, die sehr gut zu meinen Arbeitserfahrungen passte, kam mir gerade recht.
Wie kann man sich die Informatik an der FH Köln vorstellen, als Sie dazukamen?
Als ich kam, gab es neben der technischen Informatik, die aus der Elektrotechnik hervorgegangen war, eine allgemeine Informatik. Diese war primär auf die Programmier-Ausbildung ausgerichtet. Durch Kolleginnen und Kollegen waren aber auch schon einige informatikspezifische Bereiche entstanden, wie zum Beispiel die Computergrafik, Datenbanken und Programmiersprachen. Der Aufbau des Studiums war nach meiner Wahrnehmung an der klassischen Vorstellung orientiert, also stark von Vorlesungen, Praktikumsbetrieb und der Einübung an vorinstallierten Geräten geprägt – das war relativ nah an den Ingenieurwissenschaften dran.
Wie hat sich das Informatikstudium an der TH Köln mit der Zeit entwickelt?
Das Studienangebot hat sich erweitert: Wirtschaftsinformatik, Medieninformatik, Web Science sowie Code & Context sind neu entstandene Studiengänge. Dabei hat das Interdisziplinäre zugenommen. Die Informatik hat sich aus ihrem rein technischen Bereich und dem Programmier-Kontext in Anwendungsfelder gewagt, in denen sie mit anderen Themen interagiert. Zudem ist die projektorientierte Lehre in den letzten 15 Jahren in den Vordergrund gerückt: weg vom klassischen Praktikumsbetrieb hin zu Selbstverantwortung der Studierenden. Auch die berufsbegleitende Lehre hat sich vor zehn Jahren herausgebildet.
Welche Herausforderungen gab es?
Bei der Informatik handelt es sich um ein technisch sehr schnelllebiges Gebiet. Auch als Lehrender fällt es nicht immer leicht, bei allen relevanten Technologien vorne dran zu sein. Dies in die Informatiklehre zu integrieren, ist sicherlich eine Herausforderung. Ein Teil der Lösung ist, dass sehr gute Online-Lehrmaterialien von Universitäten und Hochschulen, Firmen sowie engagierten Menschen zur Verfügung gestellt werden. Die Materialen bieten eine große Chance, aktuelle Themen in einer sinnvollen Weise in die eigenen Lehrveranstaltungen zu integrieren.
Warum haben Sie sich speziell für die Medieninformatik eingesetzt und wie haben Sie den Anfang des Studiengangs erlebt?
Während meiner Tätigkeit in Unternehmen habe ich an Anwendungen für Netze gearbeitet und eine Erkenntnis aus diesen Jahren war: Man kann Netze nicht rein technisch sehen. Netze integrieren sich immer in ein soziales System, sei es die Gesellschaft als Ganzes oder ein Unternehmen. Man betrachtet die zwei Seiten der Medaille: Einerseits gibt es die Technik, andererseits gibt es ein soziales Gebilde, in das diese Netze hineinragen. Dabei entstehen spannende Fragen. Das ist sehr nahe an dem Bild der Medieninformatik – ein Medium ist etwas, das verbindet. Und so haben wir das Gebiet Medieninformatik interpretiert. Mich hat besonders das gegenseitige Beeinflussen von sozialen und technischen System gereizt.
Am Anfang war ich mit der Gestaltung des Studiengangs noch relativ allein. Die Konzeption habe ich verantwortlich vorangetrieben. Ich konnte aber schnell Kolleginnen und Kollegen dazu gewinnen, die die Breite des Gebietes abdecken konnten. In der klassischen Informatik waren wir natürlich zunächst ein Stück weit eine Exoten-Gruppe. Das hat sich jedoch schnell geändert.
Wie sehen Sie das Informatikstudium der Zukunft?
Es gibt ja die pure Informatik, die sich unter anderem mit der Entwicklung von Algorithmen und mathematischen Fragen beschäftigt. Wenn man weiterdenkt, was in der Disziplin passiert, dann werden wir sehr viel häufiger die Kombinationen von Informatik mit anderen Gebieten sehen. Da geht es nicht nur einfach um ein Nebeneinanderstellen, beispielsweise Informatik plus BWL ist Wirtschaftsinformatik, sondern die Kombination bringt etwas Eigenes hervor. Man sieht das beispielsweise auch in der Bioinformatik: Die Informations- und Verarbeitungsprozesse in biologischen Systemen sind eine eigene Fragestellung. Auch die Data Science, was eigentlich ein mathematisches Gebiet ist, wird dadurch bestimmt, was ich mit den Ergebnissen mache. Da wird sich in ganz vielen Gebieten etwas tun, an die wir jetzt heute noch gar nicht denken.
Mai 2021