Heute kommt das gute Porzellan auf den Tisch
Viele herkömmliche Sexspielzeuge aus Silikon und anderen Kunststoffen enthalten Schadstoffe, die negative Auswirkungen auf die Gesundheit und die Umwelt haben können. Alternativen zu solchen Produkten gibt es bisher wenige. Alina Eynck möchte das ändern. Mit ihrem Start-up Porzelina hat sie Sextoys aus Porzellan entworfen.
Die Vorteile: Sie beinhalten keine problematischen Ressourcen, zerfallen nicht zu Mikroplastik und geben keine Schadstoffe ab.
Von der Ming-Vase bis zum Tafelgeschirr: Der Werkstoff Porzellan blickt auf eine lange Historie zurück. Er galt einst als repräsentatives Luxusgut, das insbesondere dem Adel vorbehalten war. Heute ist das „Weiße Gold“ vor allem als Service auf vielen Esstischen zu finden. Wenn man allerdings in Zukunft an Porzellan denkt, dann könnte man nicht mehr nur sofort an Teller, Tassen oder Kunstgegenstände denken. Das Material eignet sich nämlich auch für Sexspielzeug. Alina Eynck beschäftigt sich bereits seit acht Jahren mit dem Thema Porzellan-Sextoys. Nun hat sie mit Unterstützung von Gateway TH Köln mit den Angeboten des Gateway Gründungsservices, des »Fit for Invest« Boosters sowie des Projekts StartUpLab@TH Köln ihr eigenes Start-up namens Porzelina gegründet.
Vom Snowboardhandschuh zum Porzellan-Dildo
Die erste Idee dazu, Sextoys aus Porzellan anzufertigen, hatte Eynck während ihres Design-Bachelorstudiums an der Hochschule Niederrhein. „Im Keramikkurs sollten wir Produkte aus Gips anfertigen, um die Materialien und den Fertigungsprozess kennenzulernen. Ich wollte damals aber nicht einfach irgendetwas fertigen, um etwas herzustellen, sondern einen Gegenstand schaffen, der auch einen Nutzen haben kann. So bin ich auf die Idee gekommen, einen Dildo zu formen. Das habe ich dann vor allem während der Semesterferien weiterverfolgt – allerdings in der Porzellanwerkstatt, weil Gips unter anderem wegen seiner rauen und porösen Oberfläche als Material eher ungeeignet ist.“ Während ihrer Bachelorarbeit über einen Protektorenhandschuh für den Snowboardsport habe sie zunächst aber nicht weiter daran gearbeitet. „Ich dachte, das Thema sei zu frivol, um damit später in der Arbeitswelt Fuß zu fassen“, so Eynck.
Auch während ihres Masterstudiums im Studiengang Produktdesign und Prozessentwicklung an unserer Hochschule seien die Porzellan-Sextoys zunächst in den Hintergrund geraten – bis zum Kurs Businessplan und Entrepreneurship bei Prof. Dr. Monika Engelen, von der sie später bei ihrer Gründung als Mentorin betriebswirtschaftlich begleitet wurde. „Ganz losgelassen hat mich die Idee nie und deshalb wollte ich es noch einmal genau wissen, um damit abzuschließen – zum Glück, denn das Thema wurde ernst genommen und positiv bewertet. Das hat mich bestärkt.“ Dass sie das Projekt lange habe ruhen lassen, sei auch positiv gewesen: „Ich konnte mir in dieser Zeit viel nützliches Wissen aneignen, das ich in den Prototypenbau der Sexspielzeuge und in die Gründung an sich einfließen lassen konnte – zum Beispiel meine Erkenntnisse zur Ergonomie aus meiner Bachelorarbeit über einen Snowboardhandschuh oder mein Wissen um Businesspläne aus dem Masterstudiengang.“
Weniger negative Auswirkungen auf Gesundheit und Umwelt
Zunächst bietet Eynck vier verschiedene Produkte an: einen so genannten Multitalent-Dildo, der auch die Cervix (Gebärmutterhals) anregen kann, einen Dildo für die Stimulation der CUV-Zone, also den Komplex aus Klitoris, Harnröhre und Vaginalwand, einen Analplug, etwa für die Prostatastimulation, und eine Liebeskugel, die zum Beispiel für das Trainieren der Beckenbodenmuskulatur genutzt werden kann. „Das Material Porzellan ist sehr gleitfähig, bietet ganz andere Spielräume der ergonomischen Gestaltung und passt sich der Umgebungstemperatur an – dadurch entstehen viele neue Möglichkeiten der Handhabung“, sagt die Gründerin.
Ein wesentlicher Vorteil neben diesen neuen Möglichkeiten sei laut Eynck, dass Porzellan frei von Schadstoffen ist. „Für Sexspielzeuge gibt es keine Richtlinien bezüglich der Inhaltsstoffe und es fehlen eindeutige Grenzwerte für Schadstoffe. Dadurch enthalten nicht nur Toys aus Kunststoff, sondern auch solche aus Silikon häufig Schadstoffe, welche die Fruchtbarkeit und den Hormonhaushalt beeinträchtigen und krebserregend sein können. Mikroplastik, das bei der Zersetzung freigesetzt wird, belastet darüber hinaus die Umwelt.“ Zudem sei Porzellan leicht zu reinigen: „Andere Materialien wie beispielsweise TPR-Kunststoffe sind oft porös und damit unhygienisch – Porzellan dagegen lässt sich einfach und effektiv abwaschen“, erklärt Eynck. Bei sachgemäßer Nutzung seien die Produkte zudem sicher vor Bruch.
Beitrag zur Aufklärung und Enttabuisierung
Eine Hürde in der Entwicklung waren uneinheitliche wissenschaftliche Erkenntnisse zur Anatomie der Vagina, wie die Gründerin erklärt. „Das betrifft zum Beispiel die Fragen, wie weit sich das Klitoris-Gewebe in den Körper erstreckt und was es mit dem Mythos ,G-Punkt‘ auf sich hat. Das hat es erschwert, Anforderungen an das Produkt zu erarbeiten“, sagt Eynck. Für sie sei das aber auch ein Indiz dafür, dass zu wenig über Sexualität gesprochen werde. „Würde das Thema mehr in die Mitte der Gesellschaft rücken, dann könnten Unklarheiten viel besser aus dem Weg geräumt werden.“
Daher sei es ihr wichtig, nun zur Aufklärung beizutragen und Sexualität zudem zu enttabuisieren. „Mein professionelles Umfeld – von den Porzellan-Manufakturen in Bayern, in denen die Produkte hergestellt werden, bis zur Hochschule – ist mit meiner Gründungsidee sehr entspannt umgegangen. Gesamtgesellschaftlich habe ich allerdings den Eindruck, das Sexualität eher nicht so offen thematisiert wird.“ Von ihren Produkten erhofft sich Eynck daher, dass sie zu einem Austausch anregen. „Porzellan-Sextoys haben eine ganz eigene ästhetische Anmutung und könnten zum Beispiel einfach in ein Regal gestellt werden. Das sieht nicht nur gut aus, sondern regt eben auch zum Gespräch an.“
Aktuelle Produktpalette ist nur der Startpunkt
Wenn es nach Eynck geht, dann soll mit den vier aktuell angebotenen Produkten noch lange nicht Schluss sein. Es könne noch viel gemacht werden, sagt die Gründerin. „Dabei geht es aber nicht nur bloß darum, zum Beispiel die Dildos einfach etwas länger oder krummer zu gestalten. Wenn man das ganze Thema noch weiter durchdenkt, sich die Anforderungen genau anschaut und ergonomische Eigenschaften begreift, dann gibt es noch viel zu designen. Zumindest habe ich noch einige Ideen, die ich gerne verfolgen würde – etwa was Form, Farbe oder Technologie anbetrifft. Deshalb ist die aktuelle Produktpalette für mich auch nur der Startpunkt“, so Eynck.
Und was bedeutet eigentlich Porzelina? Die Antwort auf diese Frage ist weniger eindeutig, als sie zunächst erscheinen mag, wie die Gründerin erklärt. „Der Name setzt sich zwar aus den Worten Porzellan und Alina zusammen, hat allerdings einen anderen Ursprung. Als ich während meines Bachelorstudiums in den Werkstätten an meinen Prototypen gearbeitet habe, bekam ich den Spitznamen Porzelina beziehungsweise Porzelliner. Das hatte zu meiner eigenen Überraschung aber nichts mit meinem Vornamen zu tun. Porzelliner*in werden nämlich Menschen genannt, die in Manufakturen mit Porzellan arbeiten. Das hat mir so gut gefallen, dass ich den Namen – etwas abgewandelt – übernommen habe.“
Dezember 2022