Geschlechterunterschiede in der Unternehmensgründung durch Männer und Frauen

Lena Orth schloss ihren B.Sc. in Betriebswirtschaftslehre an der TH Köln ab und befasste sich mit einer Analyse wissenschaftlicher Erkenntnisse und wesentlicher Faktoren zum Geschlechterunterschied in der Unternehmensgründung durch Männer und Frauen. Prof. Dr. Kai Thürbach und Prof. Dr. Marc Prokop betreuten die Abschlussarbeit und möchten die Ergebnisse in der Gründungsunterstützung nutzen.

Unternehmensgründungen in Deutschland sind durch ein Ungleichgewicht von Männern und Frauen geprägt, wobei die Quote der gründenden Männer im Jahr 2022 um 16% über der Gründungsquote von Frauen lag. In ihrer Bachelorarbeit hat Lena Orth geschlechtsspezifische Unterschiede in der Gründungsabsicht, dem Gründungsverhalten und dem Gründungserfolg untersucht. Zudem geht sie auf Maßnahmen ein, die Frauen in ihrem Gründungsverhalten unterstützen können. Gateway TH Köln unterstützt mit unterschiedlichen Projekten Gründungsinteressierte unter anderem mithilfe der EXIST geförderten Programme vom Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz wie »Fit for Invest« und Gateway EM*Power. Mit dem aktuellen Gateway EM*Power Programm werden gezielt Frauen gefördert. Mit »Fit for Invest« treiben die Gateway Hochschulen Köln das Thema Entrepreneurship und Gründungsförderung in Köln gemeinsam voran - im Netzwerk mit Partnern aus der Gründungsszene, Wirtschaft, Politik und Gesellschaft in der Region. Ziel ist es, Köln und die Region zu einem Top Standort für innovative Gründungen und Start-ups zu entwickeln und für Investoren noch attraktiver zu machen.

Das vom Bundesministerium für Bildung und Forschung geförderte Projekt Get-iT@TH Köln beschäftigt sich an der TH Köln mit Geschlechteraspekten in Forschung und Transfer und möchte Strukturen zur systematischen Berücksichtigung von geschlechtsbezogenen Aspekten in Forschungsfragen schaffen.

Lena Orth Lena Orth hat ihren Bachelor of Science in Betriebswirtschaftslehre an der Technischen Hochschule Köln abgeschlossen. (Bild: Lena Orth)

Was war das Ziel und die Vorgehensweise Ihrer Untersuchung?

Lena Orth: Das Ziel der Untersuchung war es, die Unterschiede von Männern und Frauen bei ihren jeweiligen Gründungsabsichten, -verhalten und -erfolgen herauszufinden und dabei insbesondere auf deren Relevanz in Bezug auf die Gründungstätigkeit einzugehen. Des Weiteren wurden bestehende Maßnahmen untersucht, die die Chancengleichheit bei der Unternehmensgründung erhöhen sollen.

Wie sind Sie auf das Thema Ihrer Bachelorarbeit gekommen?

Lena Orth: Im Laufe meines Bachelorstudiums an der Technischen Hochschule Köln habe ich das Modul Entrepreneurship bei Prof. Dr. Thürbach belegt. Aufgrund seiner Beispiele aus der Praxis sowie vertiefender wissenschaftlicher Literatur über das Gründungsgeschehen wurde mir die Diskrepanz von Männern und Frauen in Bezug auf das Gründen von Unternehmen bewusst. Da ich mir selbst vorstellen kann, in der Zukunft den Schritt in die Selbstständigkeit zu wagen, habe ich mich gefragt, worin die Unterschiede begründet sind und ob es mir als weiblicher Person womöglich aufgrund äußerer Faktoren schwerer gemacht wird, ein Unternehmen zu gründen oder die Unterschiede eher intrinsischer motiviert sind.

Welche wichtigen Erkenntnisse konnten Sie gewinnen?

Lena Orth: Die wohl wichtigste Erkenntnis ist, dass die Unterschiede nicht nur auf einen Faktor zurückzuführen sind. Es beginnt bereits in der Kindheit, in der teilweise prägende geschlechtsspezifische Stereotype vermittelt werden, beispielsweise durch das Familienleben zu Hause oder durch Abbildungen ausschließlich männlicher Geschäftsleute in Lehrbüchern. Ein weiterer relevanter Faktor ist die Beschaffung von Kapital für die Unternehmensgründung, bei der Männer für externe Finanzmittel zumeist auf Darlehen von Banken und Sparkassen und Frauen hingegen auf das Geld von Freunden und Familie zurückgreifen, weswegen Frauen oft mit weniger Kapital starten. In Bezug auf die Gründung von Start-ups erhalten Frauen ebenfalls deutlich seltener und auch in absoluten Zahlen weniger Wagniskapital als ihre männlichen Mitstreiter. Dies könnte darin begründet sein, dass Männer die Venture Capital-Welt dominieren und somit unbewusst aufgrund internalisierter Annahmen und Vorurteile in ihren Entscheidungen über die Finanzierungen beeinflusst werden.

Was können wir aus Ihrer Arbeit für die Entrepreneurship Education und Projekte wie »Fit for Invest« an den Kölner Hochschulen lernen?

Lena Orth: Es fehlt aktuell noch zu sehr an weiblichen Vorbildern in der Gründungsszene und das können Projekte wie »Fit for Invest« verbessern, indem Kontakte hergestellt werden. Oft können genau diese gleichgeschlechtlichen Vorbilder einen entscheidenden Unterschied machen und als Inspiration, Mentorin und Ansprechpartnerin für Frauen mit Gründungsinteresse dienen.
Die Entrepreneurship Education sollte bereits in der Schulzeit beginnen und allen Schülerinnen und Schülern gleichermaßen zeigen, dass die Unternehmensgründung für alle eine Option sein kann. Zudem sollten hierbei auch betriebswirtschaftliches und finanzielles Wissen vermittelt werden. Außerdem sollten Kenntnisse über die vorhandenen Fördermaßnahmen für Frauen vermittelt werden und insbesondere Frauen darin bestärkt werden, dass sie einen entscheidenden Anteil für den schrittweisen Wandel im Gründungsgeschehen beitragen können. Denn der Wandel zu einem ausgeglicheneren Gründungsgeschehen kann nur durch das Drehen an verschiedenen Stellschrauben erreicht werden.

Gibt es konkrete Maßnahmen, die Sie auf Basis Ihrer Arbeit empfehlen würden?

Lena Orth: Die Stärkung weiblicher Vorbilder in der Gründungsszene wäre der erste Schritt. Zudem gehört der kontinuierliche Ausbau von Fördermöglichkeiten, auch für Gründungen im Nebenerwerb und im sozialen Bereich dazu, um so viele gründungsinteressierte Frauen wie möglich zu erreichen und diese zur Gründung zu bewegen. Außerdem sollte das Interesse der Frauen zur Belegung von MINT-Fächern gestärkt werden, da dies in einem deutlichen Zusammenhang mit der Gründung eines Start-ups steht. Des Weiteren sollte Frauen der Zugang zu Kapital, besonders in der Venture Capital Welt, leichter gemacht werden, durch eine höhere Anzahl an weiblichen Venture Capitalists und einem dadurch diverseren Entscheidungskomitee. Und zu guter Letzt bedarf es eines Wandels in den veralteten, geschlechtsstereotypen Rollenbildern und somit in der Denkweise der Menschen, welche wohl am schwersten und nur auf lange Sicht umzusetzen ist, aber dennoch dringend angegangen werden muss.

Was hat Sie überrascht bzw. mit welchen Ergebnissen hätten Sie nicht gerechnet?

Lena Orth: Am meisten überrascht hat mich, dass vorhandenes Finanzwissen stärker zum Gründungserfolg und der Überlebenswahrscheinlichkeit des Unternehmens beiträgt als das allgemeine berufliche Bildungsniveau der Gründerinnen und Gründer. Finanzwissen hat darüber hinaus auch mehr Einfluss auf die Beständigkeit des Unternehmens als der Unternehmenssektor, das Alter oder der Beweggrund der Gründerinnen und Gründer. Somit könnte durch eine verstärkte Vermittlung von Finanzwissen ein wichtiger Grundstein für eine bessere finanzielle Einschätzung gelegt werden, was besonders Frauen bei der Unternehmensgründung helfen könnte und einen größeren Erfolg verspricht. Das geringere Finanzwissen tritt Studien zufolge nämlich vermehrt bei Frauen auf.

Was ist Ihnen mit Blick auf Geschlechterdifferenzen bei Gründungen und Entrepreneurship unklar geblieben und wo besteht aus Ihrer Sicht weiterer Forschungsbedarf?

Lena Orth: Zu vielen Themen ist die Studienlage insgesamt leider nicht einheitlich und die Ergebnisse sind daher nicht immer klar. Einzelne Studien widersprechen sich auch, manche sind stark normativ geprägt. Es bleibt also noch viel Raum für weitere Forschung. Konkreter Forschungsbedarf besteht darin, zu ergründen, wieso Frauen tendenziell mehr zu risikoaversen Verhalten neigen als Männer. Denn solches Verhalten beeinflusst das Gründungsverhalten stark, beispielweise hinsichtlich der Kapitalbeschaffung, der Gründung im Nebenerwerb oder der Entscheidung, überhaupt den Schritt in die Unternehmensgründung zu wagen. Meiner Recherche nach könnte das risikoaverse Verhalten in den vorgelebten Rollenbildern und Stereotypen begründet liegen. Aber dies bedarf weiterer Forschung, um letztlich Faktoren identifizieren zu können und eine gründungsförderliche Risikobereitschaft bei Frauen zu fördern und sie für die Unternehmensgründung stark zu machen.

Gibt es etwas, dass Ihnen noch mit Blick auf das Thema wichtig ist?

Lena Orth: Jede Person ist mit dafür verantwortlich, den eigenen Teil für ein ausgeglicheneres Gründungsgeschehen beizutragen und somit den Wandel schneller voranzutreiben. Denn von der Steigerung der Frauenquote in der Gründungsszene profitiert letztlich die ganze Gesellschaft.

Haben Sie vielen Dank für das Gespräch!

Juni 2024

Prof. Dr. Kai Thürbach

Prof. Dr. Marc Prokop


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