Warum Gas- und Ölheizungen aktuell gefragter sind als Wärmepumpen
Das geplante Heizungsgesetz, das im September beschlossen werden soll, hat für große Verunsicherung gesorgt. Der Verkauf von Wärmepumpen ist eingebrochen, stattdessen haben Gas- und Ölheizungen derzeit Hochkonjunktur. Prof. Dr. Ralph-Andreas Henne, Direktor des Instituts für Technische Gebäudeausrüstung, spricht im Interview über den Gesetzesentwurf und das Heizen der Zukunft.
Prof. Henne, was steht in dem Gesetzentwurf?
Durch das Gebäudeenergiegesetz (GEG), auch Heizungsgesetz genannt, soll das Heizen in Deutschland ab 2024 klimafreundlicher werden. Primär zielt es auf einen schrittweisen Austausch von Öl- und Gasheizungen ab. Dabei soll aber nicht unmittelbar ein grundsätzlicher Austausch erfolgen. Defekte Heizungsanlagen können instandgesetzt werden. Wer allerdings neu baut, saniert oder auf ein neues Heizsystem umrüstet, muss den Heizenergiebedarf künftig zu 65 Prozent aus erneuerbaren Energien abdecken, wobei neben solaren und geothermischen Energieformen unter anderem auch die technische Nutzung von Abwärme Anrechnung findet. Eine Wärmepumpen-Pflicht, von der zwischenzeitlich die Rede war, besteht nicht mehr.
Wie kommt es, dass die Nachfrage nach Wärmepumpen in den letzten Monaten eingebrochen ist, während Öl- und Gasheizungen sich derzeit wieder gut verkaufen?
Dafür gibt es diverse nachvollziehbare Gründe. Die gravierendsten sind dabei wohl die aktuelle Zinspolitik in Verbindung mit fehlenden Kapazitäten im Handwerk. Das hat, wenn man denn überhaupt Handwerker*innen beauftragen darf, sukzessive zu heftigen Preissteigerungen geführt. Dabei ist die Investition in gas- oder ölbetriebene Anlagen in der Ersatzbeschaffung deutlich geringer gegenüber den Wärmepumpentechnologien, falls die Rahmenbedingungen des vorhandenen hydraulischen Heizungssystems eine Installation überhaupt zulassen, selbst unter Berücksichtigung etwaiger Fördermodelle. Da liegt der Gedanke nahe, alte Öl- oder Gasheizungen nochmals zu ersetzen, bevor der Gesetzesentwurf greift und so lange das noch möglich ist, um danach erst einmal die weitere Entwicklung abzuwarten, die spannend sein könnte.
Gibt es auch andere Möglichkeiten, um nachhaltiger und energieeffizienter zu heizen?
Natürlich! Primär ist die Senkung des Heizenergiebedarfs die beste Maßnahme. Bevor man über einen Anlagenaustausch nachdenkt, sollten die gebäudetechnischen Schwachstellen identifiziert und behoben werden. Das größte Einsparpotential liegt in der thermischen Abschottung beziehungsweise Dämmung der Außenhülle gegen Luft oder Erdreich sowie in der Beseitigung von Undichtigkeiten, etwa an Haustür und Rollladenkästen. Zudem ist das Lüftungsverhalten entscheidend, da es mitunter unbewusst den Energiebedarf beeinflusst. So kann das Schlafen bei geöffnetem Fenster dazu führen, dass das Gebäude auskühlt und die Heizung zwecks Temperaturausgleich auch im Sommer anspringt. Der Jahresenergiebedarf kann also durch die eigenen Gewohnheiten in beträchtlichem Maße erhöht oder reduziert werden. Die Absenkung je Kelvin senkt die Energiekosten in der Größenordnung von fünf bis zehn Prozent. Energiesparen im Alltag ist also lohnenswert – und möglich, wie der vergangene Winter gezeigt hat, in dem man auch bei niedrigeren Raumtemperaturen von 18 bis 19 Grad Celsius statt 21 bis 22 Grad Celsius in den eigenen vier Wänden gut zurechtkam.
Wie kann klimafreundliches Heizen der Zukunft aussehen?
Die jüngste Vergangenheit hat uns gelehrt, dass wir unabhängiger und autarker werden müssen. Die Installation gasbetriebener Anlagen erscheint aufgrund der Abhängigkeit sowie der Emissionen aktuell nicht zielführend. Auf dem Weg zu mehr Autarkie werden Wärmepumpentechnogien daher sicher weiter ausgebaut werden, da sie gut mit Strom kombinierbar sind, der durch Photovoltaikanlagen (PV) erzeugt wird. Hier gibt es unterschiedliche Systeme auf der Basis Außenluft, Erdreich oder Grundwasser, wobei die relativ kostengünstige Luft-Wasser-Wärmepumpe einen Marktanteil von etwa 90 Prozent hat. Aktuell benötigt unser Land im Zuge der Elektromobilität allerdings derart viel Strom, dass in Bezug auf die Wahl des Heizsystems abgewogen werden muss, ob es angebracht ist, für den Wärmepumpenbetrieb zu Spitzenzeiten Kernenergie aus Frankreich zu beziehen oder die Entwicklung des Einsatzes von Wasserstoff voranzutreiben.
Wie könnte Wasserstoff zum Heizen genutzt werden?
Ein denkbares Szenario ist, dass man in den Sommermonaten in Verbindung mit PV- oder Windkraftanlagen über Elektrolyse Wasserstoff erzeugt. Dieser kann in den entsprechenden Gasbehältern gespeichert und in Erdgas umwandelt werden. Dieses könnte dann wiederum in die bereits vorhandene Gasinfrastruktur gespeist werden, an die rund 50 Prozent aller Haushalte angebunden sind. Bei der Verbrennung von Erdgas entweicht aus den einzelnen Haushalten natürlich wieder C02. Hier gilt es Decarbonisierungstechnologien zu entwickeln, die CO2 filtern, speichern und bestenfalls wiederverwerten. Derartige Systeme ließen sich sowohl für Privathaushalte als auch auf Quartiersebene umsetzen. Letztlich könnte Wasserstoff auch auf Solarfarmen in sonnenreicheren Regionen generiert und per LNG, also Flüssigerdgas, nach Europa transportiert werden. Hier könnten gute Synergien zwischen Entwicklungshilfe und Einsatz erneuerbarer Energien entstehen.
Wie greifen Sie solche Themen in der Lehre auf?
Mit den Kolleg*innen aus der Technischen Gebäudeausrüstung (TGA) und in Kooperation mit dem Cologne Institute for Renewable Energy (CIRE) sowie der Fakultät für Architektur beschäftigen wir uns in integralen Fragestellungen nahezu ausschließlich mit nachhaltigen Technologien. Im Bachelormodul „Heiz- und Kühlsysteme II“ vermittle ich den Studierenden die Grundlagen unterschiedlicher Wärmepumpentechnologien und im Bachelormodul „Gebäudesimulation“ simulieren wir unter anderem den Heiz- und Kühlenergiebedarf einzelner Räume oder Gebäude sowie unterschiedliche gebäudetechnische Anlagenkonzepte. Dabei untersuchen wir etwa den Autarkiegrad von PV-Anlagen in Kombination mit Wärmepumpen und thermischen Speichern oder Batterien und schauen, wieviel Wasserstoff noch erforderlich ist, um ein Heizsystem zu 100 Prozent energieautark betreiben zu können. Mein Mastermodul „Energetisch wirtschaftliche Bewertung von Gebäuden“ gibt eine Aussage darüber, welche der ökologischen Technologien am ökonomischsten ist. Diese vielfältigen Aufgabenstellungen und die daraus resultierenden Ergebnisse sind sowohl für mich als auch für die Studierenden sehr spannend.
September 2023