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Prof. Dr. Stephan Freichel

Fahrzeugsysteme und Produktion
Institut für Produktion (IFP)

Ein Beitrag von

Daniel Schäfer

Team Presse und Öffentlichkeitsarbeit

Drohnenlieferdienste: Versorgung aus der Luft

Drohne transportiert Paket (Bild: sompong_tom / Adobe Stock)

Der Einsatz autonomer Transportdrohnen bietet neue Optionen für die Logistik. Prof. Dr. Stephan Freichel vom Institut für Produktion spricht über das Potenzial der Technologie, bestehende Hürden und für welche Zwecke die Fluggeräte bereits erprobt werden.


Prof. Freichel, im nordrhein-westfälischen Lüdenscheid ist der bundesweit erste kommerzielle Drohnenlieferdienst gestartet. Ist das der Durchbruch für den Transport mit unbemannten Fluggeräten?

So weit würde ich nicht gehen. In Lüdenscheid wird ein Unternehmen der Heizungs- und Wärmetechnik von einem Zulieferer für Produktions- und Handwerksbetriebe per Drohne mit dringend benötigten Kleinteilen wie Schrauben oder Zangen beliefert. Aufgrund der Unterbrechung der Autobahn ist die Verkehrssituation rund um Lüdenscheid für Autos und Kleintransporter schwierig. Der autonome Drohnenlieferservice kann hier einen Beitrag leisten, Lieferengpässe zu vermeiden.

Autonom bedeutet in diesem Fall, dass die batterieelektrisch angetriebenen Multikopter nicht einzeln – wie vom Modellflug bekannt – gesteuert werden. Dies übernimmt eine Leitwarte. Die Entfernung zwischen Start- und Zielpunkt beträgt 800 Meter, das Fluggerät kann 6,5 Kilogramm über eine Strecke von maximal 20 Kilometern transportieren. Laut den Projektpartnern – neben den beiden genannten Unternehmen sind ein Drohnenhersteller und ein Softwareunternehmen mit an Bord – können täglich bis zu 80 Pakete ausgeliefert werden.

Letztlich kommt es wie bei jeder Verkehrsträgerwahl auf die Effizienz an. Sofern man Drohnen nicht lediglich als „Technikspielzeug“ oder zur Katastrophenhilfe betreibt, muss deren Einsatz wirtschaftlich sein. Darüber hinaus sind weitere Ziele zu berücksichtigen. In Lüdenscheid soll ein Fallschirm die Geschwindigkeit der Drohne bei einem Absturz reduzieren und damit zur Luftverkehrssicherheit beitragen. Aber auch dann könnten noch erhebliche Schäden für Menschen und ihre Umgebung entstehen. Hinzu kommt der Aspekt der Lärmemission.

Stephan Freichel Prof. Dr. Stephan Freichel beschäftigt sich unter anderem mit der (Re-)Organisation von Logistikstrukturen. (Bild: TH Köln)

Für welche Anwendungen können unbemannte Fluggeräte hierzulande sinnvoll sein?

Betrachtet man die Versorgung von Konsument*innen, dann bieten sich Lieferdrohnen vor allem für ländliche oder abgelegene Gebiete an, sofern Rahmenbedingungen wie Genehmigungen und Wetter gegeben sind. Für zeitkritische Lieferungen an Bewohner*innen entfernter Siedlungen wie beispielsweise auf Almen oder Inseln ohne tägliche Post- und Paketzustellungen können Lieferdrohnen durchaus zur Steigerung der Lebensqualität beitragen.

In Betracht kommen Waren des täglichen Bedarfs wie ausgewählte Lebensmittel, Medikamente oder auch dringend benötigte Ersatzteile und Kleingeräte. Hierzu gab es in der Vergangenheit bereits einige Pilotprojekte, zum Beispiel im vergangenen Jahr in Südhessen. In den betreffenden Ortschaften hatten viele lokale Händler über die letzten Jahre ihre Geschäfte geschlossen. Im Rahmen des mittlerweile beendeten Testbetriebs konnten die Bewohner*innen auf einer Website Produkte auswählen. Die Bestellungen wurden per Lieferdrohne zu festen Landepunkten am Rande der Orte geflogen und dann per E-Lastenrad zu den Empfänger*innen gebracht. Die Wege per Fahrradkurier müsse man jedoch einsparen, um kostendeckend beliefern zu können, so eine erste Erkenntnis.

Ist ein flächendeckender Einsatz in Deutschland realistisch?

In einem dicht besiedelten Land wie Deutschland wird es einen flächendeckenden Einsatz vor allem in urbanen Regionen vermutlich nicht geben. Sicherheit und Lärmemissionen sind dafür maßgebliche Gründe. Einen praktikablen Einsatz sehe ich eher in abgelegenen und dünn besiedelten Gebieten, sei es in Europa oder in anderen Regionen der Erde. Sofern autonome Luftfahrzeugsysteme, sei es als reine Multikopter-Drohne oder kombiniert mit Tragflächen in Verbindung mit Steuerzentralen in größeren Stückzahlen gefertigt und damit zu akzeptablen, marktgerechten Kosten betrieben werden können, können die damit einhergehenden Logistikservices eine Autofahrt oder einen Eselritt ersetzen, Menschleben retten oder das Leben lebenswerter gestalten.

Welche Forschung wird am Institut für Produktion im Bereich Logistikdrohnen betrieben?

In einem abgeschlossenen Projekt haben wir uns mit Drohnen als Transportmittel in der Produktionslogistik beschäftigt. Beteiligt waren seitens der TH Köln die Kollegen Prof. Dr. Sebastian Zoller und Prof. Dr. Franz-Josef Weiper. Durch die steigende Komplexität in der Produktion gibt es in den Werkshallen begrenzten Raum für Flurförderfahrzeuge, also Fahrzeuge am Boden. Gemeinsam mit den Projektpartnern haben wir eine Lösung entwickelt, mit der auch der Luftraum in und zwischen Produktionshallen als Transportweg genutzt werden kann.

Dazu wurden autonom navigierende Drohnen-Prototypen sowie geeignete Be- und Entladestationen entwickelt, um einen effizienten Materialfluss zu gewährleisten. Außerdem haben wir eine Software entwickelt, mit der die angelieferten Pakete automatisch zur Ressourcenplanung erfasst wurden. Im Bereich der Arbeitssicherheit dienen Netze als Schutzvorrichtung, um sichere Flugkorridore zu schaffen. Die durchgeführten Tests haben das Potenzial, aber auch die Grenzen von unbemannten Fluggeräten als Puzzleteil eines modernen Logistiksystems aufgezeigt. Insbesondere im Bereich der Navigation und Kollisionsvermeidung bei mehreren parallel autonom fliegenden Drohnen besteht weiterer Forschungsbedarf, um einen sicheren und wirtschaftlichen Realbetrieb zu ermöglichen.

Mai 2024

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